BVerfG lehnt Eilantrag der AfD ab
In Karlsruhe wurde ein Eilantrag der AfD-Fraktion abgelehnt: Es gebe keine Pflicht für den Bundestag, neue Verfahrensregeln für die Wahl von Vizepräsident:innen aufzustellen. Solche verlangte die AfD – denn sie ist die einzige Fraktion, die im Präsidium nicht vertreten ist.
Worum geht es?
Die AfD-Fraktion hatte in der laufenden Legislaturperiode mehrfach erfolglos versucht, eines ihrer Mitglieder zum Vizepräsidenten oder zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages wählen zu lassen. Ein Antrag, die Wahl eines Vizepräsidenten mit dem Wahlvorschlag von drei Kandidaten auf die Tagesordnung zu nehmen, wurde vom Präsidenten des Bundestages abgelehnt.
In der Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. September 2019 erhielt – im ersten Wahlgang – der von der AfD-Fraktion vorgeschlagene Abgeordnete nicht die erforderliche Mehrheit. Für die Sitzung am 7. November 2019 wurde die Wahl eines Vertreters des Bundestagspräsidenten – als zweiten Wahlgang – erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Die AfD-Fraktion schlug wiederum denselben Abgeordneten vor. Die AfD kündigte dem Präsidenten des Deutschen Bundestages schriftlich an, zudem einen anderen Abgeordneten zur Wahl vorschlagen zu wollen. In der Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der Antrag von der sitzungsleitenden Vizepräsidentin mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass einem einzelnen Abgeordneten kein Vorschlagsrecht für die Wahl eines Vizepräsidenten zustehe.
Die AfD sieht sich durch die Zurückweisung des Wahlvorschlags in ihrem Recht auf gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Sie begehrt, den streitigen Zustand vorläufig dahingehend zu regeln, dass „im Rahmen stattfindender Wahlen von Stellvertretern des Präsidenten die Wahlvorschläge von Abgeordneten des Deutschen Bundestages zuzulassen und zur Abstimmung zu stellen sind“.
AfD bei Vizepräsident:in-Wahl bislang erfolglos
Bislang ist die AfD-Fraktion bei der Vizepräsident:innen-Wahl im Bundestags leer ausgegangen: Im Oktober 2017 wurden von allen anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag die Vizepräsident:innen als Stellvertreter des Bundestagspräsidenten gewählt. Doch die AfD erreichte mit ihrem Kandidaten auch im dritten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit. Eine solche ist nötig, wenn man einen Blick in § 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wirft. Bei genauerem Hinsehen wird man aber feststellen, dass daneben in § 2 I 2 GO BT auch folgendes normiert ist:
§ 2 I 2 GO BT:
Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.
Die anderen Fraktionen hatten aber allen sechs Kandidat:innen der AfD, die innerhalb der sich dem Ende neigenden Wahlperiode vorgeschlagen wurden, stets die erforderliche Mehrheit verweigert. Die AfD-Fraktion sieht sich daher in ihren Rechten verletzt. Mit einem Eilantrag will sie erreichen, dass der Bundestag „vorläufig verfahrensmäßige Vorkehrungen“ für die Wahl des Präsidiums treffen muss. Damit soll eine Nichtwahl „aus sachwidrigen Gründen“ verhindert werden, argumentierte die AfD. Mit Erfolg?
BVerfG lehnt Eilantrag als unzulässig und unbegründet ab
Das BVerfG hat den Eilantrag der Fraktion verworfen. Damit bestehe keine Pflicht für das Parlament, neue Verfahrensregeln für die Wahl von Vizepräsident:innen des Bundestags aufzustellen. Dabei argumentiert der Zweite Senat mit zwei wesentlichen Punkten.
Als erstes führten die Verfassungsrichter:innen an, dass der Antrag bereits deshalb unzulässig sei, da er auf Rechtsfolgen gerichtet sei, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht erreicht werden könnten. In der Hauptsache sei allenfalls, so das BVerfG, die Feststellung einer Verletzung der Beteiligungsrechte aus Art. 38 I 2 GG erreichbar. Da der Eilantrag aber darauf gerichtet sei, „vorläufig verfahrensmäßige Vorkehrungen“ für die Wahl des Präsidiums zu treffen, gehe dies über die Rechtswirkungen hinaus, die bei einem Erfolg in der Hauptsache bewirkt werden könnten. Ein neues und allgemein gültiges Verfahren, wie es die AfD forderte, könne in einem Eilverfahren nicht geschaffen werden. Im Eilverfahren gehe es ‚nur‘ um eine vorläufige Sicherung von Rechten. Außerdem würde es dem Antrag an einer substantiierten Darlegung mangeln, weshalb der Fraktion ein schwerer Nachteil drohe. Für das BVerfG sei kein dringender Regelungsbedarf ersichtlich.
Prüfungsaufbau: Organstreitverfahren, Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG
Relevante Lerneinheit
Ob in der Hauptsache ähnlich entschieden wird, bleibt abzuwarten. Am 10. November 2021 will das BVerfG im Hauptsacheverfahren prüfen, ob bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Bundestages ab dem zweiten Wahlgang ein einzelner Abgeordneter in seinem Recht verletzt sein könnte, wenn er eine eigene Kandidatin oder Kandidaten nicht zur Abstimmung vorschlagen darf.
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