AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB und Abwägung zwischen Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG und Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I 1 GG
Der BGH hat sich mit den Nutzungsbedingungen von Facebook auseinandergesetzt und hat diese als unwirksam eingestuft, wenn es um die Sperre von Konten wegen “Hatespeech” geht. Sogenannte „Gemeinschaftsstandards“ seien zwar zulässig. Doch in Karlsruhe übte man Kritik an der Art und Weise der Sperrung.
Worum geht es?
Durch eine aktuelle Entscheidung des BGH wird es für das soziale Netzwerk Facebook in Zukunft aufwendiger, Nutzer wegen Verstößen gegen die „Gemeinschaftsregeln“ zu sperren. Ein schnelles Löschen von Beiträgen, die nach Auffassung des Netzwerks Hassrede darstellen, sei zwar weiterhin möglich. Die Karlsruher Richter:innen haben aber Anforderungen an ein einheitliches Verfahren gestellt.
Klage durch drei Instanzen
Dass auf Facebook nicht nur Urlaubsbilder und Glückwünsche zum Geburtstag oder zum bestandenen Examen kursieren, ist bekannt. Die Rede ist von hassschürenden Beiträgen, „Hatespeech“ im Netz, gegen die der Gesetzgeber aktuell mit Hilfe von Gesetzespaketen ankämpft. Doch wie mit Beiträgen umzugehen ist, die keinen Straftatbestand erfüllen (wie etwa den der Beleidigung oder der Volksverhetzung), gibt Facebook weiterhin selbst vor.
Vor dem BGH als dritte Instanz ging es um Beiträge von einer Frau und einem Mann aus dem Jahr 2018, in denen sie aggressiv und feindselig ihre Meinung gegenüber ausländischen Mitbürger:innen teilten. „Was suchen diese Leute hier in unserem Rechtsstaat“, hieß es in einem Beitrag des Klägers, „die werden sich hier nie integrieren“, sondern „können nur eines morden…klauen…randalieren…“. Die Klägerin soll einen ähnlichen Beitrag verfasst haben: „Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert’s! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen.“
Facebook löschte die Äußerungen, da sie gegen das Verbot der „Hassrede“ aus den „Gemeinschaftsstandards“ verstoßen würden, die in den Nutzungsbedingungen des Netzwerks geregelt sind. Außerdem – und hierum ging es im Wesentlichen vor dem BGH – sperrte Facebook vorübergehend die Nutzerkonten. Die Kläger wehrten sich gegen die Löschung der Beiträge und die Sperrung der Nutzerkonten.
Gemeinschaftsstandards sind möglich, aber…
Zunächst führte der BGH aus, dass die Facebook-Nutzungsbedingungen samt des Verbotes der „Hassrede“ Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) seien. Dadurch behalte sich das Netzwerk bei Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards das Recht zu Löschungen und Account-Sperrungen vor. Das sei grundsätzlich möglich, die AGB seien wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden: Nutzer:innen akzeptierten die AGB mit einem Klick auf die Schaltfläche „Ich stimme zu“ bei der Anmeldung.
Allerdings stufte der BGH die Regelungen bezüglich des Löschens von Beiträgen und Sperrens von Konten als unwirksam ein, weil dadurch die Nutzer:innen unangemessen benachteiligt würden. Im Rahmen der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB kam das Bundesgericht nach einer Abwägung der wechselseitigen Interessen und der kollidierenden Grundrechte zwischen der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG und der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I 1 GG (Stichwort: Praktische Konkordanz) zwar zu dem Ergebnis, dass Facebook grundsätzlich berechtigt sei, den Nutzer:innen im Netzwerk bestimmte Kommunikationsstandards vorzuschreiben. Dazu gehöre auch, dass bei Verstößen Beiträge entfernt und Konten gesperrt werden dürften. Aber: Der BGH sah in den „Gemeinschaftsstandards“ keinen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte. Dies habe zur Folge, dass die von § 307 I 1 BGB geforderte Angemessenheit nicht gewahrt sei.
BGH stellt Anforderungen an Verfahren
Vielmehr sei es für die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 I 1 BGB erforderlich, dass sich Facebook in ihren Geschäftsbedingungen dahingehend verpflichtet, betroffene Nutzer:innen über die möglichen Maßnahmen zu informieren. Wenn es um die Löschung eines Beitrag geht, müssen Nutzer:innen zumindest nachträglich informiert werden, bei einer beabsichtigten Sperrung des Kontos allerdings vorab. Bei der angekündigten Sperrung müsse gleichzeitig der Grund mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden.
Nach Auffassung des III. Zivilsenats seien die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte von Facebook an diesen Maßstäben gemessen unzureichend. Das Netzwerk war daher nicht berechtigt, die Beiträge zu löschen und die Konten zu sperren.
Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung folgendes: An der Vorgabe, dass Beiträge schnell gelöscht werden können, ändert sich nichts. Es sei weiterhin ausreichend, wenn Facebook die Nutzer:innen anschließend informiert. Bezüglich der Sperre eines Nutzerkontos wird es in Zukunft aufgrund des geforderten Verfahrens wohl ein wenig dauern, bis Facebook ein Konto bei entsprechenden Verstoßen tatsächlich sperren kann.
Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen