BGH zur Körperverletzung mit Rasierklinge

BGH zur Körperverletzung mit Rasierklinge

In diesem aktuellen Urteil des BGH geht es in erster Linie um die Straftatbestände der §§ 223 ff. StGB, die sich einerseits wegen ihrer hohen Praxisrelevanz und andererseits wegen der vielfältigen Rechtsfragen, die in den einzelnen Normen stecken, sehr gut für Klausuren und Examensprüfungen eignen. Hinzukommen kann in diesem Zusammenhang auch die Prüfung von Rechtfertigungsgründen, wie etwa Notwehr nach § 32 StGB. Und auch in prozessualer Hinsicht ist betreffend die Strafzumessung zu bedenken, dass z.B. der Tatbestand des § 224 Abs. 1 StGB auch einen sogenannten minder schweren Fall enthält, der den sonst anzuwendenden “Regelstrafrahmen” von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe auf 3 Monate bis zu 5 Jahren absenkt.

Dieser Fall betrifft schwerpunktmässig die folgenden Lerninhalte:

A. Sachverhalt

Dem P, der sich seit Mitte Februar in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) befindet, wird im April die Verwaltung des sog. „Abschtschjak“ anvertraut. Hierbei handelt es sich um eine aus Tabak als gängiger Gefängniswährung bestehende solidarische Gemeinschaftskasse von Gefangenen. In dieser Zeit kommt es zu einem Fehlbestand von mindestens 12 Packungen Tabak; der „Abschtschjak“ ist leergeräumt. Die Veruntreuung des Inhalts der Gemeinschaftskasse gilt bei den Gefangenen als schweres Vergehen und wird von ihnen üblicherweise hart bestraft, so dass P massive Konsequenzen zu befürchten hat. Anfang Mai wird dem Mitgefangenen S die Führung der Gemeinschaftskasse übertragen, wobei es bereits im Vorfeld des Tatgeschehens zwischen S und P zu einem heftigen Streit mit gegenseitigen Beleidigungen kommt. Wenige Tage später streiten sich P und S erneut während des morgendlichen Rundgangs im Hof der JVA laut und erregt; beide stehen sich frontal auf relativ kurzer Distanz gegenüber. P verlangt von S 15 Packungen Tabak, was dieser ablehnt. Plötzlich zieht P aus Verärgerung und Frustration ohne rechtfertigenden und entschuldigenden Grund aus seiner Jacke eine ausgebaute Klinge eines Einwegrasierers und führt diese, zwischen zwei Fingern haltend, mit seiner rechten Hand schnell seitlich gegen den Gesichts- und Halsbereich des S, um ihn dort zu verletzen. Dieser kann das durch eine Abwehrbewegung mit seinem Arm verhindern und zieht sich eine oberflächliche Hautritzung am kleinen linken Finger zu. Einen weiteren Angriffsversuch führt P nicht mehr aus. Bei dem mit Verletzungsabsicht ausgeführten Angriff mit der Rasierklinge hält es der P zumindest für möglich und nimmt es billigend in Kauf, dass er S lebensgefährlich verletzen könnte.

Wie hat sich P strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Körperverletzung, § 223 Abs. 1 StGB

P könnte sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sich der S im Zuge der Auseinandersetzung eine Hautritzung am kleinen Finger zugezogen hat.

1. Objektiver Tatbestand

Dazu müsste P eine andere Person – den S – körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben. Eine „körperliche Misshandlung“ ist jede üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt, wobei sich die Beurteilung der Erheblichkeit dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters – nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen – bestimmt und sich insbesondere nach der Dauer und der Intensität der störenden Beeinträchtigung richtet (vgl. BGH, NJW 2009, 1360, 1363, Tz. 36). Als „Gesundheitsbeschädigung“ ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen, wobei es insoweit nicht darauf ankommt, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (s. BGH, NStZ 2015, 269).

Die bei S hervorgerufene Hautritzung am kleinen Finger ist sowohl als Beeinträchtigung des körperblichen Wohlbefindens des S als auch als Hervorrufen eines pathologischen Zustands bei S zu würdigen.

2. Subjektiver Tatbestand

P hat zumindest mit dolus eventualis gehandelt; sein bedingter Vorsatz hat sowohl die ausgeführte Körperverletzungshandlung als auch den tatbestandsmäßigen Erfolg – die Verletzung des S – umfasst.

3. Ergebnis

P, der auch rechtswidrig und schuldhaft handelte, hat sich nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil der BGH auf die Revision des P sowohl hinsichtlich geltend gemachter Verfahrensfehler (sog. Verfahrensrüge) als auch wegen – im Ergebnis angenommener – sachlich-rechtlicher Fehler (sog. Sachrüge) überprüft und nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen per Beschluss aufgehoben hat, hatte sich auch mit einer verminderten Schuldfähigkeit des P i.S.v. § 21 StGB befasst. Diese hat das Landgericht im Ergebnis – trotz einer Kombination aus Betäubungsmittelabhängigkeit und einer damit einhergehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung des P – abgelehnt, weil P bei Tatbegehung keinen Suchtdruck verspürt habe. Dieser Begründung ist der BGH nicht gefolgt, weil das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen habe, ob eine erhebliche, suchterkrankungsbedingte Einschränkung des Verhaltensspielraums beim P bei der Tatbegehung gegeben und dies nicht doch ein Motiv und Beweggrund für den Streit mit S gewesen sei.

Für den Prüfungsaufbau haben diese Überlegungen in Bezug auf die Schuldfrage zunächst keine Auswirkungen, solange nicht eine Schuldunfähigkeit i.S.v. § 20 StGB im Raum steht. Indes ist zu bedenken, dass sich beim Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit der Strafrahmen des Tatbestandes, aus dem die Strafe im Rahmen der Strafzumessung zu entnehmen ist, über § 49 StGB verschieben kann.

II. Gefährliche Körperverletzung, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB

Fraglich ist, ob sich P hier auch wegen einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB strafbar gemacht hat, indem er bei der Verletzung des S eine Rasierklinge verwendet hat.

1. Objektiver Tatbestand
a. Eine das Leben gefährdende Behandlung (Nr. 5)

Die Verletzung des S könnte P mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen haben. Zu den Voraussetzungen dieser Alternative des Qualifikationstatbestandes führt der BGH näher aus:

„II.1.a) Zwar muss die Tathandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät; jedoch muss die jeweilige Einwirkung durch den Täter nach den konkreten Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist demnach die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im Einzelfall (…).

b) Diesen Anforderungen genügen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht.

Den Feststellungen des Landgerichts ist hier zwar das Ziel des Angriffs durch [P] zu entnehmen, nämlich der Gesichts- und Halsbereich (…), was für sich betrachtet durchaus eine besondere Gefährlichkeit begründen kann. Damit ist aber nur eine bloße Möglichkeit einer lebensgefährdenden Behandlung angesprochen, die abstrakte Lebensgefährlichkeit der eigentlichen Tathandlung mit der Art des eingesetzten Tatmittels aber im konkreten Fall nicht belegt. Es findet sich in objektiver Hinsicht im Rahmen der Feststellungen zunächst nur der pauschale Hinweis auf die Verwendung einer „ausgebauten Klinge eines Einwegrasierers“ und dem Halten der Klinge zwischen zwei Fingern (…). Im Rahmen der Beweiswürdigung werden diese Ausführungen nur durch den allgemeinen Hinweis ergänzt, dass ein Einwegrasierer, wie er in der Justizvollzugsanstalt zum Tatzeitpunkt verwendet wurde, in Augenschein genommen worden ist, und man die an den Seiten noch eine Plastikhalterung aufweisende Klinge gut anfassen und als Angriffswaffe einsetzen kann (…). Weitere konkrete Feststellungen zu der Art des bei der verfahrensgegenständlichen Tat eingesetzten Tatmittels sowie dessen konkrete Beschaffenheit und damit zu dessen konkreter Schädlichkeit im Einzelfall zur Begründung einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB finden sich aber nicht. Derartige Feststellungen waren aber erforderlich, da völlig offen bleibt, ob der Einsatz einer solchen nicht näher konkretisierten speziellen Rasierklinge eines Einwegrasierers, die nach Art und Größe keinesfalls mit einer herkömmlichen Rasierklinge vergleichbar ist und regelmäßig nur eine Breite von wenigen Millimetern hat, bereits für sich genommen eine lebensgefährdende Behandlung begründen kann. Unklar bleibt auch, wie eine solche Klinge - soweit sie mit einer Plastikhalterung zwischen zwei Fingern gehalten wird - beim konkreten Einsatz überhaupt geeignet ist, über bloße Hautritzungen hinaus eine das Leben gefährdende Behandlung zu verursachen. Derartige weitere konkrete Feststellungen zur Art des konkret eingesetzten Tatmittels waren hier auch schon deshalb erforderlich, weil der [S] nach den Feststellungen des Landgerichts bei seiner Abwehrbewegung mit seinem Arm lediglich eine nur minimale oberflächliche Hautritzung (…) erlitt und keineswegs eine tiefergehende Schnittverletzung, die medizinisch hätte behandelt werden müssen, so dass sich das Vorliegen einer abstrakt lebensgefährlichen Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Blick auf das hier konkret eingesetzte Tatmittel nicht von selbst versteht.“

Die Verwendung der Klinge eines Einwegrasierers bei der Tatausführung muss demnach konkret dazu geeignet sein, beim Verletzten eine potentielle Gefährdung seines Lebens herbeizuführen. Dies setzt Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Tatopfer voraus, welche das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu einer „einfachen” Körperverletzung deutlich erhöhen (vgl. BGH, NStZ 2013, 345, 346 zu Schlägen mit der bloßen Hand ins Gesicht und gegen den Kopf). Die Art der Behandlung durch den Täter muss nach den Umständen des Einzelfalls also generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (siehe BGH, NStZ-RR 2010, 176, 177 zu – im Ergebnis abwehrten – Einwirkungen mit einem Schraubendreher). Selbst bei dem Einsatz eines Messers kommt es darauf an, auf welche Körperregionen des Tatopfers eingewirkt worden ist bzw. eingewirkt werden sollte (BGH, NStZ-RR 2016, 81, 82). Im konkreten Fall hat P die Klinge zwar mit seiner rechten Hand schnell seitlich gegen den Gesichts- und Halsbereich des S geführt. Selbst wenn es sich bei dem „Halsbereich“ um eine Körperregion handelt, bei der sich eine Schnittverletzung potentiell lebensgefährdend (nicht: lebensgefährlich!) auswirken kann, ist vorliegend allerdings unklar, ob die Klinge selbst nach ihrer konkreten Art und Beschaffenheit dafür geeignet gewesen ist, solche „schweren“ Verletzungen bei S hervorzurufen. Dagegen spricht jedenfalls indiziell die vergleichsweise geringe Verletzung des S infolge seiner Abwehrbewegungen an seinem kleinen Finger.

P hat damit das Tatbestandsmerkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht verwirklicht.

b. Gefährliches Werkzeug (Nr. 2)

P könnte die Körperverletzung aber mittels eines gefährlichen Werkzeuges begangen haben. Ein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jeder bewegliche Gegenstand, der, als Mittel zur Herbeiführung einer Körperverletzung eingesetzt, nach seiner Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen, wobei es nicht auch auf die Art und rechtsgutsbezogene Zielrichtung seines Einsatzes ankommt. Dazu der BGH:

„II.2. Durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird der Bestand des Schuldspruchs insgesamt in Frage gestellt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die unzureichenden Feststellungen zum eingesetzten Tatmittel auch Einfluss auf eine weiter in Betracht kommende Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB haben kann. Diese Tatbestandsalternative des Einsatzes eines gefährlichen Werkzeugs setzt auch voraus, dass das Tatmittel nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet sein muss, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (…). Dies kann bei einer „scharfen Rasierklinge“ gegeben sein (…), setzt aber auch hier konkrete Feststellungen zur Art des im konkreten Einzelfall verwendeten Tatmittels voraus.“

Demgemäß reicht der bloße Einsatz der Klinge eines Einmalrasierers im Rahmen einer Körperverletzungshandlung für sich genommen noch nicht aus, um den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu erfüllen. Das kann bei dem Einsatz eines Messers, der im Verlaufe einer Handgreiflichkeit zu oberflächlichen Schnittwunden an einer Halsseite sowie bei dem Versuch, das Messer wegzuschieben, an der linken Hand führt, wiederum anders zu beurteilen sein (s. dazu BGH, NStZ-RR 1999, 265).

P hat auch nicht das Tatbestandsmerkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht.

2. Ergebnis

P hat sich nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

III. Gesamtergebnis

P hat sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Hinweis: Bei der (vorsätzlichen) Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB handelt es sich nach Maßgabe von § 230 Abs. 1 StGB um ein sog. relatives Antragsdelikt. Die Tat ist also nur verfolgbar, wenn der Verletzte der Straftat – fristgemäß (§ 77b StGB) und in gehöriger Form (§ 158 Abs. 2 StPO) – einen entsprechenden Antrag i.S. des § 77 StGB stellt oder die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Anderenfalls besteht ein sog. Verfahrenshindernis.

Bei der Abfassung einer Anklageschrift (vgl. insb. § 200 StPO) ist zu beachten, dass bei Delikten, die vorsätzlich und fahrlässig begangen werden können – wie etwa die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB oder § 229 StGB) –, eine Klarstellung zur einschlägigen Schuldform geboten ist, weswegen hier zwischen der „vorsätzlichen“ und der „fahrlässigen“ Körperverletzung unterschieden werden sollte.

C. Prüfungsrelevanz

Die Straftatbestände der §§ 223 ff. StGB eignen sich einerseits wegen ihrer hohen Praxisrelevanz und andererseits wegen der vielfältigen Rechtsfragen, die in den einzelnen Normen „stecken“, sehr gut für eine Prüfung im Examen. Dazu gehört insbesondere auch die in § 224 StGB geregelte gefährliche Körperverletzung, die nicht nur verschiedene – gefährliche – Begehungsweisen unter Strafe stellt, sondern wegen des erheblich erhöhten Strafrahmens auch Anlass für eine kritische juristische Prüfung gibt.

So ist etwa – wie hier – eine genaue Definition des Merkmals des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ und eine sauberere Subsumtion darunter erforderlich, um auszuschließen, dass lediglich die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Werkzeugs in ungefährlicher Weise zu einer Strafbarkeit führt, währenddessen der Einsatz abstrakt ungefährlicher Werkzeuge mit gefährlicher Wirkung straflos bleibt.

Hinzukommen kann in diesem Zusammenhang auch die Prüfung von Rechtfertigungsgründen, etwa wegen Notwehr nach § 32 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 3.3.2021 – 4 StR 318/20, BeckRS 2021, 11345 zu einem Schlag mit der Flasche auf den Kopf sowie einem wuchtigen Tritt mit dem beschuhten Fuß in das Gesicht des Tatopfers nach einer vorangegangenen Provokation durch das spätere Tatopfer). Aktuelle prüfungstaugliche Rechtsprobleme im Rahmen der §§ 223 ff. StGB können sich aber etwa auch beim heimlichen Verabreichen von Alkohol (Wodka) ergeben (vgl. dazu jüngst BGH, NStZ 2021, 364).

In prozessualer Hinsicht ist betreffend die Strafzumessung zu bedenken, dass der Tatbestand des § 224 Abs. 1 StGB auch einen sog. minder schweren Fall enthält, der den sonst anzuwendenden „Regelstrafrahmen“ von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe auf 3 Monate bis zu 5 Jahren absenkt. Für die Entscheidung, ob der so verminderte Strafrahmen Anwendung finden kann, gilt, dass sie auf Grund einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommender Umstände danach zu treffen ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass der Regelstrafrahmen nicht mehr angemessen ist (vgl. BGH, NStZ 1991, 529, 530). Dafür können allgemeine Strafmilderungsgesichtspunkte herangezogen werden, aber auch – nachrangig (vgl. BGH, NStZ-RR 2013, 168) – sog. vertypte Strafmilderungsgründe wie etwa eine bloß versuchte Tatausführung (§§ 22, 23 Abs. 2 StGB), eine Tatbegehung durch Unterlassen (§ 13 Abs. 2 StGB) oder – wie im hier besprochenen Fall vom BGH erwähnt – eine Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB. Werden diese aber zur Bejahung eines minder schweren Falles „verbraucht“, dürfen sie nicht ein weiteres Mal bei der konkreten Strafzumessung verwendet werden (sog. Doppelverwertungsverbot im Sinne von § 50 StGB, das nicht mit dem materiell-rechtlichen Doppelverwertungsverbot, das in § 46 Abs. 3 StGB geregelt ist, zu verwechseln ist). So kann auch eine Tatprovokation die Annahme eines minderschweren Falles tragen (BGH, NStZ-RR 2017, 270). Die Erfüllung mehrerer Alternativen des § 224 Abs. 1 StGB wirkt sich dagegen strafschärfend aus.