BGH zur Vermögensabschöpfung und dem Ermessensspielraum im Jugendstrafrecht

BGH zur Vermögensabschöpfung und dem Ermessensspielraum im Jugendstrafrecht

Einziehung von Taterträgen auch im Jugendstrafrecht?

Einziehen oder nicht – das war hier die Frage: Ein Heranwachsender erbeutete 17.000 Euro durch mehrere Straftaten. Im Strafverfahren wollte das Landgericht das Geld einziehen, doch das Geld war weg. Von einer Einziehung des Wertes sah das Gericht aus erzieherischen Gründen durch Ermessensentscheidung ab. Zu Recht? Der BGH war gefragt. 

Worum geht es?

Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c 1 StGB stehe nicht im Ermessen des Gerichts, auch wenn es um eine Jugendstrafsache geht: So hat der Große Strafsenat am BGH eine Rechtsfrage entschieden, die ihm der 1. Strafsenat vorgelegt hatte. Zwar gelte im Jugendstrafrecht stets der Erziehungsgedanke – doch die Rechtsgemeinschaft müsse auch auf den Bestand der Rechtsordnung vertrauen können. Ganz nach dem Motto: Straftaten sollen sich nicht lohnen.

17.000 Euro erbeutet, nun vermögenslos

Ausgangspunkt für die Entscheidung durch den Großen Strafsenat war ein Verfahren vor dem LG München II. Ein Heranwachsender soll unter anderem durch besonders schwere räuberische Erpressung und mehrere Betrugstaten einen Betrag von 17.000 Euro erlangt haben. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von vier Jahren.

In unserem Strafrecht gibt es aber neben der Möglichkeit der Strafe (§§ 38 ff StGB) noch weitere Sanktionen. So gibt es die Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß §§ 61 ff. StGB, die Präventionsmaßnahmen darstellen und anders als die Strafen nicht an die Schuld des Täters anknüpfen, sondern an deren Gefährlichkeit. Und dann gibt es gemäß § 11 I Nr. 8 StGB noch die sogenannten Maßnahmen, wozu die Einziehung von Taterträgen gehört. Die Einziehung von Taterträgen ist in §§ 73 ff. StGB geregelt und soll sicherstellen, dass Vermögenswerte, die ein Täter aus einer Straftat erlangt hat, diesem wieder entzogen werden.

Überblick: Rechtsfolgen der Tat, §§ 38 ff. StGB
Relevante Lerneinheit

Der Heranwachsende hatte in Folge der Begehung der Straftaten 17.000 Euro erlangt. Doch mittlerweile war er nicht mehr bereichert, er war sogar vermögenslos. Sprich: Das Geld war weg. Für diese Konstellation gibt es den § 73c StGB: Wenn die Einziehung nicht möglich ist, ordnet das Gericht die Einziehung des Wertes an. 

LG München entschied im Ermessen

Aber gilt diese strenge Regelung des § 73c StGB auch im Jugendstrafrecht, wenn stets der Erziehungsgedanke berücksichtigt werden muss? Bislang war es umstritten, ob die Entscheidung dann auch obligatorisch sei oder nicht doch ein Ermessensspielraum bestehe. Das LG München zumindest entschied sich für einen solchen Ermessensspielraum und ordnete die Einziehung des Wertes nicht an. Andernfalls sei der Erziehungsgedanke gefährdet, argumentierte das Gericht. Eine solche Vermögensabschöpfung würde den Heranwachsenden aufgrund der finanziellen Belastung nur in Versuchung führen, erneut straffällig zu werden.

Gegen die Nichtanordnung der Einziehung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Die Frage wanderte in Karlsruhe vom 1. Strafsenat zum Großen Strafsenat.

Erziehung durch Entziehung?

Weil der 1. Strafsenat aber eine andere Rechtsauffassung als die anderen Strafsenate vertrat, sah er von einer Verwerfung der Revision ab und legte dem Großen Strafsenat folgende Frage vor:

Steht die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c 1 StGB im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatgerichts?

Die Antwort des BGH ist klar: Nein. Eine Einziehung des Wertes stehe auch in Jugendstrafsachen nicht im Ermessen des Gerichts, sondern sei stets obligatorischer Natur. Auch wenn ein jugendlicher oder heranwachsender Straftäter den Wert des Erlangten nicht mehr innehabe, müsse er diesen ersetzen. Sollte es dabei zu so starken finanziellen Belastungen kommen, dass von einem Härtefall gesprochen werden könnte, sind dafür Regelungen im Vollstreckungsverfahren vorgesehen (vgl. § 459g StPO). 

Eine Ermessensentscheidung aufgrund der Berücksichtigung des Erziehungsgedanken sei daher nicht möglich. Das Leitbild der Erziehung werde mit einer obligatorischen Anordnung aber immer noch gewahrt, argumentierte der Große Strafsenat: Neben der Allgemeinheit müsse dem Jugendlichen vor Augen geführt werden, dass er rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile nicht behalten dürfe. Das Ziel der §§ 73 ff. StGB, nämlich der Schutz des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die „Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung“, könne nur dann erreicht werden, wenn die Normen konsequent angewendet würden – obligatorisch.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte damit Erfolg.

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