BVerfG zum „Deal“ im Strafprozess

BVerfG zum „Deal“ im Strafprozess

In einer unzulässigen Verfassungsbeschwerde nutzte das BVerfG seine Möglichkeit und stellte seine Rechtsauffassung klar

BVerfG gegen BGH: Ist bei einer Verständigung im Strafprozess die ausdrückliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich? Oder reicht eine konkludente Zustimmung zum „Deal“?

Worum geht es?

Wenn von „Deals“ im Strafverfahren die Rede ist, ist damit – juristisch ausgedrückt – die Verständigung gem. § 257c StPO gemeint. Lange war sie gesetzlich nicht geregelt, 2009 fand sie ihren Weg in die Strafprozessordnung und gibt die Regeln für eine Absprache zwischen Angeklagten, Gericht und Staatsanwaltschaft vor. Nun hat das BVerfG sich mit dieser Art des „Deals“ im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde beschäftigt. Dies hätten die Verfassungsrichter:innen nicht unbedingt tun müssen, die Verfassungsbeschwerde wurde ohnehin wegen eines Formfehlers als unzulässig abgewiesen. Da sie bezüglich der Verständigung aber eine andere Rechtsauffassung als der BGH haben, nutzten sie ihre Möglichkeit.

Der „Deal“ im Strafprozess

Es ging um die Verfassungsbeschwerde eines Verurteilten. Das LG Lüneburg hatte ihn nach einer Verständigung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Doch der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung des LG Revision ein: Die Verständigung sei verfahrensfehlerhaft gewesen, da die Staatsanwaltschaft einer Verständigung nicht ausdrücklich zugestimmt habe. Die Sache ging also vor den BGH.

Bei einer Verständigung einigt sich das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung mit den Beteiligten darauf, wie das Urteil in seinen Grundzügen ausfallen soll. Dies hat verschiedene Vorteile: Der Justiz spart das Zeit, ebenso dem Angeklagten. Außerdem ist der Angeklagte in bestimmten Fällen keinem langwierigen und möglicherweise medial begleiteten Verfahren ausgesetzt. Gemäß § 257c II 1 StPO dürfen grundsätzlich nur die Rechtsfolgen Gegenstand einer Verständigung sein. Sie ist also im Wesentlichen auf das Strafmaß begrenzt, möglich sind aber auch beispielsweise Bewährungsauflagen. Ebenfalls soll gemäß § 257c II 2 StPO ein Geständnis Bestandteil jeder Verständigung sein. Wenn sich die Beteiligten dann verständigen wollen, dann müssen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft zustimmen.

§ 257c III 4 StPO:

Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen.

Fehlt es an den Zustimmungserklärungen und geht das Gericht trotzdem vom Zustandekommen einer Verständigung aus, beruhe das Urteil in der Regel auf einem Verfahrensfehler. Das war hier der Knackpunkt – denn ausdrücklich hatte die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt.

BGH: Konkludente Zustimmung genügt

Der BGH hatte allerdings im Revisionsverfahren das Urteil des LG Lüneburg im Wesentlichen bestätigt. Er folgte dem Antrag des Generalbundesanwalts, der es als ausreichend erachtete, dass zwar keine ausdrückliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorgelegen habe, sich dafür aber „unzweifelhaft“ eine „eindeutige (konkludente) Zustimmungserklärung“ aus dem im Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltenen Verfahrensgang ergebe. Dafür spreche auch, dass die Staatsanwaltschaft eine Strafe beantragt habe, die sich im Rahmen der Verständigung gehalten habe.

Der Beschwerdeführer erhob nun Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung durch das LG Lüneburg und den Beschluss des BGH. Durch die Entscheidungen sei sein Recht auf ein faires Verfahren durch eine willkürliche Anwendung der Regelungen zu der Verständigung verletzt. Sie blieb aufgrund eines Formfehlers allerdings erfolglos. Spannend sind dafür die folgenden Ausführungen des BVerfG.

BVerfG: Konkludente Zustimmung genügt nicht

Das BVerfG nutzte nämlich seine Möglichkeit, um seine Rechtsauffassung bezüglich der Zustimmung im Rahmen der Verständigung auszuführen. Diese unterscheidet sich deutlich vom BGH, denn: Nach Auffassung der Verfassungsrichter:innen reiche eine nur konkludente Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht aus.

Das BVerfG argumentierte, dass die Zustimmungserklärungen für die Verständigung konstituierend seien. Sie müssten – wie alle wesentlichen Elemente einer Verständigung – daher auch zum Gegenstand der öffentlichen Hauptverhandlung gemacht und protokolliert werden. Nur so könne der Öffentlichkeit und der etwaigen nächsten Instanz eine effektive Kontrolle ermöglicht werden.

Daraus folgt auch das Gebot einer ausdrücklichen Zustimmung.

Würde man eine bloß konkludente Zustimmung genügen lassen, führe dies zu Unsicherheiten über Form und Inhalt der Erklärung. „Wie hier“, argumentierten die Richter:innen.

Außerdem könne mit einer nicht ausdrücklichen Zustimmung ein Raum für informelle Absprachen und verfahrenswidrige „Deals“ entstehen. Es würde eine Gefahr zu Lasten des Angeklagten und der Öffentlichkeit dahingehend drohen, dass es zu einem „Schulterschluss“ zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung kommen könne. Ohne ausdrückliche Zustimmung sei dies weder für den Angeklagten noch für die Öffentlichkeit erkennbar. Durch die strengen Anforderungen der Verständigung, wozu nach Auffassung des BVerfG die ausdrückliche Zustimmung gehöre, soll damit die Gefahr von intransparenten und unkontrollierbaren „Deals“ vorgebeugt werden.

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