Verstoß gegen § 307 I 2 BGB?
Streaming-Dienste erfreuen sich schon seit langer Zeit großer Beliebtheit. Einer der Vorreiter auf diesem Gebiet ist der Streaming-Anbieter Netflix. Nachdem eine Preisanpassungsklausel des Anbieters vom Kammergericht Berlin als unzulässig erklärt wurde, musste der BGH nun über eine Berufungszulassungsbeschwerde von Netflix entscheiden.
Worum geht’s?
Geklagt hatte der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Sie waren der Ansicht, dass folgende Nutzungsbestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Netflix Verbraucher nach § 307 I 1 BGB unangemessen benachteiligt:
“Unser Abo-Angebot und die Preise für den Netflix-Dienst können sich gelegentlich ändern. Sie werden jedoch mindestens 30 Tage vor deren Inkrafttreten über jegliche Änderungen an Preisen und unserem Abo-Angebot informiert.”
Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Netflix hielt die Klausel für rechtmäßig. Das Unternehmen sah die Rechte der Verbraucher hinreichend durch ihre Möglichkeit zur Kündigung gewahrt. Damit wiederholte es seinen Vortrag aus der ersten Instanz, mit dem es vor dem LG Berlin (Urteil vom 14.02. 2019, Az. 52 O 92/18) Recht behielt.
Das Berliner Kammergericht als Berufungsinstanz hatte im Dezember 2019 hingegen entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel zwar zulässig sein könne – aber nur, wenn konkrete Kostensteigerungen umgelegt würden. Diese seien dann auch im Einzelnen offenzulegen. Was demnach nicht erlaubt sei, seien Preiserhöhungen, um den Gewinn zu steigern. Daneben hatte das Gericht die Gestaltung eines Bestell-Buttons für ein Online-Abo beanstandet, der nicht eindeutig genug auf die Zahlungsverpflichtung hinwies (Entscheidung vom 20.12.2019 - 5 U 24/19).
Die Ausführungen des Kammergerichts
Die Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Netflix verstoße laut Kammergericht gegen § 307 I 1 BGB, soweit sie eine Preisänderung ermögliche.
Zwar seien Preisanpassungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht grundsätzlich unwirksam.
“Die Schranke des § 307 I 1 BGB wird jedoch nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (vgl. BGH NJW 2008, 360, Rn 10)”.
Diesen Anforderungen werde die beanstandete Preisanpassungsklausel der Beklagten offensichtlich nicht gerecht.
Verstoß gegen § 307 I 2 BGB
Die Klausel verstoße außerdem gegen das aus § 307 I 2 BGB folgende Transparenzgebot und sei zu unbestimmt. Sie nenne keinerlei Faktoren, von denen eine Preisanpassung abhängig sein soll, sondern stellt diese vollständig in das Belieben des Streaming-Anbieters.
Zum anderen führe die Klausel auch nach ihrem Inhalt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers, da sie Netflix einen unkontrollierten Preiserhöhungsspielraum eröffne.
Die Unangemessenheit der Preisanpassungsklausel werde auch nicht dadurch kompensiert, dass dem Vertragspartner in den “Netflix-Nutzungsbestimmungen” die Möglichkeit eingeräumt wird, das Vertragsverhältnis jederzeit zu kündigen.
Aufbau der Prüfung: AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
Relevante Lerneinheit
BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde zurück
Das Kammergericht Berlin hat seinerzeit die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Netflix hat sodann versucht, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH trotzdem ein Revisionsverfahren durchzusetzen.
Diese Beschwerde wurde nun vom BGH verworfen, weil der Streitwert im vorliegenden Fall unter der erforderlichen Schwelle von 20.000 Euro liege (I ZR 23/20).
Netflix hatte sich nachträglich um eine Korrektur nach oben bemüht – die Klausel habe besondere wirtschaftliche Bedeutung. Dies hätte laut BGH aber noch vor dem Kammergerichtsurteil passieren müssen.
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