OLG Frankfurt a.M.: Kündigung wegen Verdachts der Tötung des Vermieters rechtmäßig

OLG Frankfurt a.M.: Kündigung wegen Verdachts der Tötung des Vermieters rechtmäßig

OLG greift auf die Grundsätze der Verdachtskündigung aus dem Arbeitsrecht zurück

Vor Gericht wird über die Räumungsklage eines Ehepaars gegen ihren Mieter gestritten. Doch plötzlich verschwindet der Ehemann spurlos, der Geschäftsführer der beklagten Partei soll ihn getötet haben – er sitzt in Untersuchungshaft. Ist eine nun ausgesprochene fristlose Kündigung rechtmäßig?

Worum geht es?

Das Ehepaar vermietete seit 2011 Gewerberäume zum Betrieb eines Kfz-Handels. Im Laufe des Mietverhältnisses kam es mit dem Geschäftsführer jedoch zu diversen Streitigkeiten. Um das Mietverhältnis weiterhin aufrecht zu erhalten, haben die Parteien im Jahr 2015 einen Vergleich geschlossen, wonach das Mietobjekt gegen Übernahme zahlreicher Verpflichtungen weiterhin genutzt werden durfte. Das Mietverhältnis sei dennoch nicht reibungslos verlaufen, verschiedene Verpflichtungen seien nicht eingehalten worden, sodass das klagende Ehepaar mehrere fristlose Kündigungen aussprach – vergebens. Die folgende Räumungsklage wurde vom Landgericht abgewiesen, die Vermieter gingen in Berufung. Doch während des Berufungsverfahrens vor dem OLG Frankfurt am Main verschwand der Ehemann spurlos, von ihm seien nur Auto und Telefon gefunden worden. Diesbezüglich wird gegen den Geschäftsführer des Kfz-Handels wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt, er befindet sich in Untersuchungshaft.

Wegen dieses Verdachts kündigte die Vermieterseite das Mietverhältnis erneut fristlos – zu Recht? Das OLG Frankfurt am Main musste entscheiden.

Fristlose Kündigung nur bei wichtigem Grund

Die Kündigung im Mietrecht ist in den §§ 542 ff. BGB geregelt und lässt sich in die ordentliche und in die außerordentliche Kündigung unterteilen. Eine ordentliche Kündigung kommt grundsätzlich nur bei Mietverträgen in Betracht, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden. Nach § 542 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen, wenn die Mietzeit nicht bestimmt ist. Grundsätzlich kann also auch der Vermieter ohne Angabe besonderer Gründe kündigen – eine Ausnahme gilt allerdings bei der Vermietung von Wohnraum. In diesen Fällen müssen die §§ 573, 573a BGB beachtet werden, wonach der Vermieter nur bei einem berechtigten Interesse das Mietverhältnis kündigen darf – ein Klassiker in Klausuren ist hier die Kündigung wegen Eigenbedarfs.

Neben der ordentlichen Kündigung gibt es noch die außerordentliche fristlose Kündigung (§ 543 BGB), die aber nur aus wichtigem Grund erfolgen darf. Ein solcher liegt vor, wenn dem Kündigenden (Mieter oder Vermieter) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Um diesen Fall ging es hier.

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OLG greift auf Arbeitsrecht zurück

Die Vermieterseite hat eine fristlose Kündigung ausgesprochen, weil gegen den Geschäftsführer der Beklagten wegen des Verdachts des Totschlags zum Nachteil des vermietenden Ehemannes ermittelt werde. Das OLG hat nun entschieden, dass diese Kündigung rechtmäßig sei, da der Vermieterseite ein Abwarten auf den Ausgang des Ermittlungsverfahrens nicht zugemutet werden könne.

In seiner Entscheidung musste sich das OLG einem Grundsatz aus einem anderen Rechtsgebiet bedienen: dem Arbeitsrecht. Denn das Berufungsgericht sah sich mit der Situation konfrontiert, dass zwar Tätlichkeiten gegen den Vermieter auch ohne Abmahnung zu einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses führen können – diese müssen aber grundsätzlich bewiesen werden, so das Gericht. Da es sich bei der Tötung des Vermieters allerdings um eine besonders schwere Pflichtverletzung handeln würde, könne auf die Grundsätze der Verdachtskündigung aus dem Arbeitsrecht zurückgegriffen werden.

Die Verdachtskündigung wurde vom Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung als zulässig erklärt. Danach könne ein Arbeitsverhältnis trotz nicht eindeutiger Beweislage gekündigt werden, wenn eine Straftat oder eine entsprechend schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers im Raum stehe. Eine auf einem Verdacht beruhende Kündigung sei dem BAG zufolge zulässig, es würden aber besondere Voraussetzungen gelten – berücksichtigt werden müsse schließlich der Umstand, dass der zu kündigende Arbeitnehmer unschuldig sein könnte. Eine Verdachtskündigung dürfe daher nicht schon dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber lediglich Verdacht schöpfe. Erforderlich sei vielmehr, dass anhand mehrerer Indizien eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit vorliege, dass der Arbeitnehmer eine Straftat oder schwere Pflichtverletzung begangen haben könnte.

Abwarten nicht zumutbar

Das OLG führte nun aus, dass diese Grundsätze aus dem Arbeitsrecht auf das gewerbliche Mietrecht übertragbar seien. Zwar liege kein Beweis für die Tötung des Vermieters vor, doch in solch schwerwiegenden Fällen reiche – wie im Arbeitsrecht – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Begehung der Tat aus. Hier wies das OLG auf die angeordnete Untersuchungshaft hin, die dafür spreche. Für die Vermieterseite sei es nicht zumutbar, zunächst die rechtskräftige Verurteilung des Mieters abzuwarten. Die Berufung der Kläger hatte damit Erfolg, sie können Räumung und Herausgabe des Mietobjekts verlangen.

Grundsätze nur bei schwerenStraftatenübertragbar

Abschließend führte das OLG aus, dass eine solche Verdachtskündigung stets vom Einzelfall und der im Raum stehenden Straftat beziehungsweise Pflichtverletzung abhänge. Exemplarisch nannte es daher Sachbeschädigung und Diebstahl, bei denen die Situation anders zu beurteilen sein könnte. Nicht jedoch bei Mord oder Totschlag, so das OLG.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

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