A. Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückgewähr einer Zahlung der Klägerin auf ein Konto der Beklagten.
Die Klägerin ist ein Versicherungsmaklerunternehmen. Sie schloss einen als Kooperationsvertrag bezeichneten Vertrag, nach dessen Wortlaut der Ehemann der Beklagten (J.H.) für sie als selbständiger Versicherungsmakler tätig werden und von ihr Provisionen für die Vermittlung von Versicherungsverträgen erhalten sollte.
Später wurde der Klägerin eine “Zusatzerklärung zum Kooperationsvertrag” zugeleitet, in der es heißt:
„J. H. stimmt ausdrücklich zu, dass (die Klägerin) die Courtage … zu 100 % schuldbefreiend direkt an das hinterlegte Konto (es folgen der Name und die Daten zu einem Konto der Beklagten) ausbezahlen darf. Die Haftung für die vermittelten Verträge, insbesondere die Stornohaftung trägt neben allen anderen Rechten und Pflichten des Kooperationsvertrags dennoch weiterhin allein J.H.“
Diese Vereinbarung wurde von der Beklagten und ihrem Ehemann unterzeichnet.
In der Folge zahlte die Klägerin auf das Konto der Beklagten vorschüssige Provisionen in von ihr näher dargelegter Höhe aus.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 27.759,03 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Sie hat hierzu behauptet, infolge von Stornierungen seien Abschluss- und Bestandscourtagen in Höhe von insgesamt 27.759,03 Euro rechtsgrundlos auf das Konto der Beklagten geflossen. Die Beklagte hafte ihr als Inhaberin des Kontos auf Rückzahlung der Courtagen, soweit diese infolge von Stornierungen entfallen seien.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe ihrem Schwiegersohn für ihr Konto Kontovollmacht erteilt und ihm die Kontounterlagen ausgehändigt. Er habe unter dem Namen ihres Ehemannes bei der Klägerin von ihm akquirierte Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen eingereicht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Beklagte vollumfänglich verurteilt. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB).
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der I. Zivilsenat des BGH die Revision zugelassen.
B. Überblick
Mal wieder hat sich der BGH zum Bereicherungsausgleich im Dreiecksverhältnis geäußert (Beitrag vom 09. Dezember 2020).
In der Klausur empfiehlt sich in diesen Konstellationen immer eine Skizze:
Die einzelnen Verhältnisse im Dreieck werden grundsätzlich wie folgt bezeichnet:
- Anweisender/Angewiesener = Deckungsverhältnis
- Angewiesener/Empfänger = Zuwendungsverhältnis
- Anweisender/Empfänger = Valutaverhältnis (§ 788 BGB). Ob das im vorliegenden Fall auch gilt, ist eine der maßgeblichen Fragen der Entscheidung.
Für den Bereicherungsausgleich im Dreiecksverhältnis hat die Rechtsprechung des BGH den folgenden Obersatz geprägt:
„Bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, verbietet sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jede schematische Lösung. Vielmehr sind für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung stets die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, zu denen insbesondere Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung zählen.“
Dennoch gelten natürlich bestimmte Grundsätze, so auch für die sog. Anweisungsfälle. Vor allem muss man wissen, dass der Bereicherungsausgleich grundsätzlich innerhalb der fehlerhaften Leistungsbeziehung zu erfolgen hat (Vorrang der Leistungskondiktion).
„Unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Für die Beurteilung, wer Leistender und wer Empfänger einer Leistung ist, kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung an. Maßgeblich ist grundsätzlich der Zweck, den die Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung mit dieser nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers (Empfängerhorizont) geboten. Es kommt darauf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte. Diese Grundsätze gelten auch für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen.“
In den Anweisungsfällen liegen solche Leistungsbeziehungen im Deckungsverhältnis und im Valutaverhältnis vor.
„In einem Fall der Leistung kraft Anweisung sind an dem Leistungsaustausch mindestens drei Personen beteiligt, der Anweisende, der zuwendende Angewiesene und der Zuwendungsempfänger. Nach dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene, der von ihm getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit seiner Zuwendung an den Zuwendungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Zuwendungsempfänger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollzieht sich in den Fällen der Leistung kraft Anweisung der Bereicherungsausgleich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sogenannten Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Zuwendungsempfänger im sogenannten Valutaverhältnis. Dabei werden bloße Zahlstellen nicht in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eingebunden.“
In bestimmten Konstellationen wird dieser Grundsatz durchbrochen, so dass ein Direktanspruch des Anweisenden gegen den Empfänger innerhalb des Zuwendungsverhältnisses bestehen kann.
„Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. So hat der Angewiesene einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB gegen den Zuwendungsempfänger, wenn die Anweisung unwirksam und dem Anweisenden auch nicht zuzurechnen ist. In diesen Fällen hat der Angewiesene lediglich erfolglos versucht, eine Leistung an den Anweisenden zu erbringen. Der Zuwendungsempfänger ist daher in sonstiger Weise auf Kosten des Angewiesenen bereichert und deshalb dessen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion ausgesetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Zuwendungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte oder nicht kannte.“
C. Entscheidung
Der I. Zivilsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der empfangenen Provisionsvorschüsse.
I. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion)
Eine Leistungskondiktion komme nicht in Betracht, weil die Klägerin gegenüber der Beklagten keine Leistung erbracht habe.
Die Zahlungen der Klägerin auf das Konto der Beklagten seien erfolgt, weil die Klägerin ihre Verpflichtungen aus dem Kooperationsvertrag habe erfüllen wollen. Eine Leistung liege somit zwar vor, diese habe jedoch dem Vertragspartner der Klägerin gegolten. Das habe auch die Beklagte nicht anders verstehen dürfen. Vertragspartnerin der Klägerin sei nicht die Beklagte gewesen, sondern deren Ehemann oder der Schwiegersohn.
Schaue Dir hier die Lerneinheit zur Leistungskondiktion 812 I 1 1. Fall BGB an
Prüfungsrelevante Lerneinheit
II. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion)
Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf eine Nichtleistungskondiktion stützen. Es liege kein Grund vor, den Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion zu durchbrechen.
Hierfür sei maßgeblich, dass kein „Anweisungsfall“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung vorliege.
„Anweisungsfälle im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeichnen sich dadurch aus, dass bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge infolge einer Anweisung durch eine einzige Zuwendung zwei Verpflichtungen erfüllt werden sollen, einmal die Verpflichtung des Zuwendenden gegenüber dem Anweisenden im Deckungsverhältnis, zum anderen die Verpflichtung des Anweisenden gegenüber dem Zuwendungsempfänger im Valutaverhältnis. Damit die für die bereicherungsrechtliche Beurteilung von Anweisungsfällen geltenden Grundsätze zur Anwendung gelangen können, bedarf es deshalb der Feststellung, dass zwei derartige Leistungsbeziehungen vorliegen, innerhalb derer jeweils eine Leistung geschuldet ist, wobei die beiden geschuldeten Leistungen aufgrund einer Anweisung an den Angewiesenen durch eine einzige Zuwendung an den Zuwendungsempfänger erfüllt werden sollen.“
Vorliegend gebe es jedoch nur eine Leistungsbeziehung, nämlich zwischen der Klägerin und dem Ehemann bzw. dem Schwiegersohn der Beklagten aus dem Kooperationsvertrag, während die Beklagte gegenüber keinem von beiden einen Anspruch habe, die Provisionsvorschüsse zu behalten.
Schaue Dir hier die Lerneinheit zur Nichtleistungskondiktion § 812 I 1 2. Fall BGB an
Prüfungsrelevante Lerneinheit
III. § 816 Abs. 2 BGB (direkt oder analog)
Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 816 Abs. 2 BGB.
Für eine direkte Anwendung fehle es bereits an der Leistung eines Dritten, die dem Berechtigten gegenüber wirksam wäre. Die Klägerin habe als Anspruchstellerin selbst geleistet und verlange diese Leistung heraus, da es an einem Rechtsgrund fehle. Ein solcher Anspruch richte sich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Eine analoge Anwendung lasse sich nicht mit der BGH-Rechtsprechung begründen, wonach eine Bank zur Herausgabe des Erlangten nach § 816 Abs. 2 BGB verpflichtet sei, wenn sie sich nicht auf ihre Rolle als Zahlstelle beschränke. Der vorliegende Fall sei mit dieser Konstellation nicht vergleichbar, denn die Beklagte sei weder berechtigt, die empfangenen Zahlungen für sich zu vereinnahmen, noch habe sie auf das Konto Einfluss genommen. Sie sei deshalb lediglich als Zahlstelle tätig geworden.
Schaue Dir hier die Lerneinheit zu § 816 Abs. 2 BGB an
Prüfungsrelevante Lerneinheit
D. Prüfungsrelevanz
Die Prüfungsrelevanz des Bereicherungsausgleichs im Mehrpersonenverhältnis sollte allseits bekannt sein.
Diese aktuelle Entscheidung zeigt aber vor allem, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Nicht jeder Fall mit einer Anweisung ist auch ein Anweisungsfall.
Der BGH macht vielmehr deutlich, dass ein „Anweisungsfall“ im Sinne seiner Rechtsprechung stets voraussetzt, dass mit der Leistung des Angewiesenen zwei Verpflichtungen erfüllt werden sollen: die des Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden und gleichzeitig die des Anweisenden gegenüber dem Zuwendungsempfänger. Nur in dieser Konstellation komme eine Durchbrechung des Vorrangs der Leistungskondiktion überhaupt in Betracht.
Vorliegend hätte die Zahlung der Klägerin auf das Konto der Beklagten von vornherein nur zur Erfüllung der Provisionspflicht der Klägerin gegenüber ihrem Vertragspartner führen können. Im Verhältnis der Beklagten zu diesem Vertragspartner – egal, ob Ehemann oder Schwiegersohn – gab es aber keine Erfüllungswirkung, weil die Beklagte das vereinnahmte Geld nicht behalten durfte. Es fehlt also gerade an einem Valutaverhältnis iSv § 788 BGB.
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