Land (Nordrhein-Westfalen) hatte die Arbeit am dritten und vierten Adventssonntag 2015 zuvor genehmigt
Die Genehmigung der Sonntagsarbeit bei Amazon im Advent 2015 war rechtswidrig. Dies hatte das BVerwG im Januar 2021 bestätigt und den Rechtsstreit zwischen dem Versandhändler und Verdi entschieden.
Worum geht es?
Das BVerwG hat im Januar 2021 den jahrelangen Rechtsstreit zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Online-Versandhändler Amazon entschieden. Danach war die Bewilligung der Sonntagsarbeit in der Adventszeit 2015 rechtswidrig. Diese wurde dem Unternehmen auf Antrag deshalb ausgestellt, da es nach eigenen Angaben ansonsten zu Lieferengpässen gekommen wäre. In Leipzig urteilten die Richter sinngemäß: Amazon sei selbst schuld.
Amazon bekam Genehmigung, Verdi klagte
Im Jahr 2015 hatte eine Amazon-Tochter für mehrere seiner Logistikzentren Sonntagsarbeit im Advent beantragt. Eine solche ist grundsätzlich untersagt. Doch für zwei Adventssonntage beantragte das Unternehmen den Einsatz von jeweils 800 Arbeiter:innen im Logistikzentrum Rheinberg in Nordrhein-Westfalen. Es brachte vor, dass ohne zusätzliche Sonntagsschichten ein unverhältnismäßiger Schaden entstehe und man ohne sie die bestellten Waren nicht zu den versprochenen Lieferfristen im Weihnachtsgeschäft ausliefern könne. In dieser wurde zusätzlich zu den gewöhnlichen Express-Lieferungen auch mit einer „Same Day Delivery“ geworben. Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen hatte die Arbeit am dritten und vierten Adventssonntag 2015 genehmigt.
Gegen die Genehmigung erhob Verdi Klage. Nachdem sie bereits in der ersten Instanz die Aufhebung erreicht hatten, bekam die Gewerkschaft auch vor dem OVG Münster Recht. Doch das Land und die im Verfahren beigeladene Amazon-Tochter legten Revision ein – das BVerwG musste ran.
Sonntagsarbeit grundsätzlich verboten
Die gesetzliche Regelung für ein grundsätzliches Verbot von Sonntagsarbeitszeit findet sich nicht nur einfachgesetzlich in § 9 I ArbZG. Danach dürfen Arbeitnehmer:innen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Das Verbot der Sonntagsarbeit ist auch verfassungsrechtlich verankert und die Frage nach dem „Wo?“ bietet sich hervorragend für die mündliche Prüfung an. Denn wer nun denkt, eine solche Regelung müsste in der Nähe des Art. 12 GG (Berufsfreiheit) stehen, der irrt. Vielmehr findet sich die Regelung fast am Ende und das auch nur mit ein wenig Suchen.
In Art. 140 GG wird normiert, dass die Bestimmungen von fünf Artikeln aus der Weimarer Verfassung Bestandteil unseres Grundgesetzes sind. Bei den betroffenen Art. 136, 137, 138, 139 und 141 WRV handelt es sich um staatskirchenrechtliche Bestimmungen – alte sogenannte Kirchenartikel der Weimarer Verfassung, die durch die Verweisungsnorm des Art. 140 GG jedoch vollgültiges Verfassungsrecht sind. Relevanz finden diese ansonsten im Rahmen der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG, doch in diesem Fall ist es sicher spannend, das verfassungsrechtliche Verbot der Sonntagsarbeit zu kennen: Art. 139 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG.
Art. 139 WRV:
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
Streitentscheidende Norm: § 13 III Nr. 2b ArbZG
In dem Rechtsstreit lag der rechtliche Dreh- und Angelpunkt allerdings in § 13 III Nr. 2b ArbZG. Danach kann die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmer:innen bewilligen, wenn besondere Verhältnisse zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erforderten.
Vor Gericht wurde um die “besonderen Verhältnisse” gestritten – laut OVG Münster seien damit nur vorübergehende Sondersituationen gemeint, die eine außerbetriebliche Ursache hätten. Hier aber habe der Versandhändler die Bestellungen im Weihnachtsgeschäft mit seinem kurzfristigen Lieferversprechen („Same Day Delivery“) selbst angekurbelt, sodass keine „besonderen Verhältnisse von außen“ vorliegen würden.
BVerwG bestätigt Entscheidung aus Münster
In Leipzig sah man es genauso: Besondere Verhältnisse nach § 13 III Nr. 2b ArbZG dürften nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein, um für eine Genehmigung angeführt zu werden. Nach den Feststellungen des OVG Münster seien die Lieferengpässe bei Amazon durch die im Weihnachtsgeschäft 2015 eingeführte Zusage zur „Same Day Delivery“ verstärkt worden. Die Sondersituation sei maßgeblich durch dieses Geschäftsmodell verstärkt worden.
Der Versandhändler habe auch nicht die zumutbaren Maßnahmen getroffen, um dem Lieferengpass Herr zu werden. So habe er nicht die Kunden zu einem frühzeitigen Bestellverhalten angeregt, um dadurch auf eine gleichmäßigere Verteilung der Bestellungen hinzuwirken. Stattdessen wurde das angesprochene Gegenteil eingeführt: „Same Day Delivery“, ganz nach dem Motto: Selbst schuld.
Eine andere spannende Frage, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation im Sinne des § 13 III Nr. 2b ArbZG darstellt, hat das BVerwG allerdings offen gelassen.
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