Eilantrag wegen Grundrechtsverletzungen in Flüchtlingsheimen

Eilantrag wegen Grundrechtsverletzungen in Flüchtlingsheimen

Ist die Hausordnung rechtswidrig?

Unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe in Flüchtlingsheimen? Vier Männer wehren sich gegen die geltende Hausordnung in ihrer Unterkunft, die unter anderem anlasslose Routinekontrollen erlaube.

Worum geht es?

Vier Männer aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Freiburg wehren sich per Normenkontrollantrag gegen die geltenden Zustände in ihrer Unterkunft. In dem Flüchtlingsheim gilt – wie in allen Aufnahmeeinrichtungen des Landes Baden-Württemberg – eine Hausordnung, die vom zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe erlassen wurde. Diese greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte ein, weshalb sie nun vor den VGH in Mannheim ziehen. Dabei erhalten sie große Unterstützung.

Hausordnung streng gestaltet

Die Männer aus Ghana und dem Senegal werden bei ihrem Anliegen von der Freiburger Aktion Bleiberecht, dem Landesflüchtlingsrat und den Organisationen Pro Asyl und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt, die die mit einem Eilantrag verbundene Normenkontrolle vorbereitet haben.

Tatsächlich ist die landesweit geltende Hausordnung streng gestaltet, ähnliche Regelungen gibt es auch in anderen Bundesländern. Die Ordnung schreibt ein grundsätzliches Besuchsverbot vor – auch Besuche von Verwandten seien unter Umständen nur nach einer Genehmigung möglich, schildern die Männer. Im Alltag sehen sie sich mehreren Kontrollen ausgesetzt: Sie würden jedes Mal am Eingang durchsucht, was in der Hausordnung entsprechend vorgesehen ist. Außerdem sei das Sicherheitspersonal der Flüchtlings-Unterkunft zu anlasslosen Routinekontrollen befugt. Ihre Zimmer könnten und dürften auch nicht abgeschlossen werden.

Welche Grundrechtseingriffe kommen in Betracht?

Gegen diese Regelungen wollen die vier Männer und ihre Unterstützer vorgehen. Dabei berufen sie sich auf ihre Grundrechte, unter anderem auf die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und ihre Religionsfreiheit. Zwar sind Grundrechtseinschränkungen hier grundsätzlich möglich – allerdings bedarf es dafür einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz von Baden-Württemberg räumt dem Regierungspräsidium zwar den Erlass einer Nutzungsordnung ein, doch diese sei nicht ausreichend, heißt es. 

Mit ihrer Klage stützen sie sich insbesondere darauf, dass Eingriffe in die Wohnung laut Grundgesetz nur bei einer dringenden Gefahr zulässig seien und nicht bei bloßen Routine-Kontrollen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist in Art. 13 GG geregelt und stellt in persönlicher Hinsicht ein sogenanntes Jedermann-Grundrecht dar. Geschützt ist also jeder unmittelbare Besitzer der geschützten Räumlichkeiten. Diskutiert wird jedoch, ob die Zimmer im Flüchtlingsheim in sachlicher Hinsicht auch als “Wohnung” zu qualifizieren seien. Nach der gängigen Definition des Bundesverfassungsgerichts ist “Wohnung” ganz einfach “die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet”. In den Hausordnungen einiger Flüchtlingsheime soll dies aber gerade nicht gelten – vielmehr entsprechen sie der Rechtsauffassung, dass die Heime keine Wohnungen im Sinne des Grundgesetzes seien und erlauben dadurch weitreichende Eingriffe. Dabei ist die Diskussion nicht neu - bereits 2019 hat unter anderem das VG Hamburg in einem ähnlichen Fall entschieden, dass auch Wohnbereiche in Asylunterkünften als “Wohnung” zu qualifizieren seien (VG Hamburg, Urteil v. 15. 02.2019 - 9 K 1669/18)

Die Hausordnung könnte daher in mehreren Punkten rechtswidrig sein – auch was die stichprobenartigen Kontrollen der Bewohner angeht. Eine Durchsuchung und das Betreten von Wohnungen kann zwar mit dem Polizei- und Ordnungsrecht oder mit dem Strafprozessrecht gerechtfertigt werden. Grundsätzlich ist für das Betreten von Privaträumen in Gemeinschaftsunterkünften aber die Einwilligung der Bewohner:innen notwendig. In jedem Fall sind konkrete Umstände erforderlich, nach denen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung der jeweiligen Wohnung vorliegen. Zudem setzt zusätzlich zu einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eine Durchsuchung grundsätzlich auch eine vorherige richterliche Anordnung voraus, sog. Richtervorbehalt Art. 13 II GG.

Das Empfangen von Besucher:innen in der eigenen Wohnung ist ebenfalls grundrechtlich geschützt und gehört zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit,, Art. 2 I, 1 I GG. Ein generelles Besuchsverbot könnte also auch hier einen rechtswidrigen Eingriff bedeuten. Denn der bereits herangezogene Art. 13 GG garantiert nicht nur das Recht der Abwehr vor unerwünschten Zutritten und Störungen der räumlichen Privatsphäre - er garantiert auch das Recht, Dritten den Aufenthalt zu gewähren. Wenn das Besuchsverbot beispielsweise auch Familienangehörigen den Zugang sperrt, dann käme zudem eine Beeinträchtigung des Rechts zum Schutz der Ehe und Familie aus Art. 6 GG in Betracht, die in solchen Fällen weit ausgelegt wird.

Ministerium betont den Schutz der Bewohner

Derweilen argumentiert die Behörde mit dem Schutz der Bewohner. Die landesweit geltende Hausordnung sei nötig, um die Bewohner zu schützen. Zum einen vor außenstehenden Personen – deswegen das strenge Besuchsverbot – zum anderen aber auch vor den anderen Bewohnern. In den Flüchtlingsunterkünften würden verschiedene politische Ansichten und Werte aufeinandertreffen, weswegen es oft zu Konflikten komme. 

Nun kommt es insbesondere darauf an, wie das VGH Mannheim über die Eigenschaft der Unterkunft entscheidet: Wohnung oder keine Wohnung im Sinne des Art. 13 GG?

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