Sturm auf das Kapitol und Trumps Twitter-Sperre

Sturm auf das Kapitol und Trumps Twitter-Sperre

Einschränkung der Redefreiheit?

Der Sturm auf das Kapitol hat Folgen: Trumps liebstes Kommunikationssprachrohr wurde dauerhaft gesperrt. Twitter begründete die dauerhafte Sperre mit einem „Risiko zur weiteren Anstiftung zur Gewalt“. Aber wer hat die Handhabe im Netz – der Staat oder private Unternehmen?

Worum geht es?

Am 6. Januar schaute die Welt auf Washington. Die Wahl Joe Bidens zum nächsten US-Präsidenten sollte im Kapitol bestätigt werden, doch der Tag entwickelte sich zu einem schweren Kapitel für die amerikanische Demokratie. Tausende Menschen überrannten Absperrungen vor dem Regierungsgebäude, Parlamentarier mussten in Sicherheit gebracht werden. Das Gebäude wurde verbarrikadiert, doch die Angreifer gelangten trotzdem hinein, verwüsteten Büros, erreichten sogar das Herzstück des Kapitols. Es soll sich um Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump gehandelt haben, unter ihnen seien außerdem zahlreiche Rechtsextreme und Verschwörungsgläubige gewesen. Kritiker werfen Trump nun vor, mit einer zuvor stattgefundenen Kundgebung in unmittelbarer Nähe die Menschen zum „Sturm auf das Kapitol“ angeheizt und zum Kampf aufgefordert zu haben.

Das genaue Ausmaß der Verwüstung und die Folgen werden noch ermittelt. Fest steht: 5 Menschen kamen bei der Erstürmung des Kapitols ums Leben. Im Raum steht nun, in den letzten Tagen Trumps Amtszeit sogar noch ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn anzustreben – ein Ausgang sei aber unklar. Fakten dagegen schaffte unter anderem der Kurznachrichtendienst Twitter: Das kalifornische Unternehmen sperrte das wichtigste Konto des abgewählten Präsidenten.

Twitter war Trumps wichtigste Kommunikationsplattform

Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten markierte Twitter zahlreiche Mitteilungen Trumps mit Warnhinweisen, die unbewiesene Behauptungen bezüglich eines Wahlbetrugs zum Inhalt hatten. Der Account @realDonaldTrump wurde von rund 87 Millionen Nutzern gefolgt, der offizielle Account des US-Präsidenten @POTUS (President of the United States of America) verfügt hingegen über 33 Millionen Follower – Donald Trump bevorzugte seinen eigenen Account, über den er sich oft mehrmals täglich an seine Anhänger und die Weltöffentlichkeit wandte. Vor allem in letzter Zeit äußerte er wiederholt Vorwürfe des Wahlbetruges.

Das Unternehmen begründete die dauerhafte Sperre Trumps, die auf eine 12-Stunden-Sperre folgte, mit einem „Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt“ und bezog sich dabei unmittelbar auf seine Rede vor dem Sturm auf das Kapitol. Insbesondere zwei Tweets, in denen er erneut von einem mutmaßlichen Wahlbetrug sprach und ankündigte, nicht zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar zu erscheinen, brachten wohl sprichwörtlich das „Fass zum Überlaufen“. Denn Twitter wertete die Kombination beider Tweets als geeignet, um seine Anhänger zu Angriffen zu inspirieren, insbesondere die Amtseinführung könnte dann ein „geeignetes Ziel“ durch Trumps Fernbleiben sein. Generell seien auf Twitter Pläne für bewaffnete Proteste verbreitet worden, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens, ebenso sei ein Großteil der Erstürmung des Kapitols per Tweets geplant worden.

Twittersperre sorgt für Diskussion

Derweilen sorgt die Sperre von @realDonaldTrump auch in Deutschland für Schlagzeilen, insbesondere wird die Rolle von sozialen Medien wie Twitter diskutiert. Kann ein privates Unternehmen die Äußerungen des US-Präsidenten unterbinden? Trump wirft Twitter eine Einschränkung der Redefreiheit vor, vereinzelt liest man die Vorwürfe der politischen Zensur. Um eine solche handelt es sich aber nicht, denn eine Zensur im Sinne unseres Grundgesetzes setzt ein Handeln des Staates voraus. Zensur bedeutet vielmehr, dass der Staat bestimmte Meinungsäußerungen verbietet. Trump kann seine Meinung aber weiter äußern – nur aktuell nicht auf seinem Twitter-Account, der aufgrund von Verstößen gegen die hauseigenen Twitter-Richtlinien erfolgte.

Bundeskanzlerin Merkel halte die Sperrung von Trumps Account für problematisch, ließ sie über Regierungssprecher Steffen Seibert verkünden. Sie stufe es als einen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsäußerung ein. Zwar müsse ein Unternehmen wie Twitter Verantwortung dafür übernehmen, dass die politische Kommunikation nicht mit Hass und Anstiftung zur Gewalt vergiftet werde, so Seibert, doch die Meinungsfreiheit könne nur durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden. Schließlich handele es sich um ein Grundrecht elementarer Bedeutung, dass nicht durch die Maßgabe von Unternehmen bestimmt werden könne. Tatenlos zusehen müsse Twitter aber nicht. Warnhinweise, die unter anderem das Verbreiten der Nachricht einschränken, seien daher ein richtiger Schritt gewesen.

Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 1. Fall GG
Prüfungsrelevante Lerneinheit

Es geht daher im Mittelpunkt um die Frage: Wer darf nach welchen Regeln welche Inhalte in den sozialen Medien löschen beziehungsweise Accounts sperren, das private Unternehmen oder der Staat? Auf der einen Seite sei es problematisch, soviel „Macht“ einem einzelnen Konzern zu geben – auf der anderen Seite könnten weniger demokratiefreundliche Staaten gesetzliche Regelungen ausnutzen, um die Meinungsfreiheit weiter einzuschränken.

In Deutschland gilt das NetzDG

Deutschland habe im weltweiten Vergleich mit dem Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) einen modernen Schritt gemacht. Mit dem NetzDG reagierte der Gesetzgeber auf die zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten vor allem in sozialen Medien. Es führt Regeln für Unternehmen wie Twitter und Facebook ein, die den Umgang mit Nutzer-Beschwerden über Hasskriminalität betreffen. Außerdem ermöglicht es Opfern von Persönlichkeitsverletzungen einfacher an Auskünfte über den Täter zu gelangen. Deutschland hat die Kontrolle von sozialen Medien damit direkt an die Plattformen delegiert. Ein vergleichbares Gesetz gibt es in den USA aber nicht. Ohnehin sei es nach aktuellen Erkenntnissen fraglich, ob Trumps Äußerungen vor dem Sturm auf das Kapitol nach amerikanischem Recht strafbar waren oder nicht.

In Deutschland sind soziale Medien durch das NetzDG zum Löschen bestimmter Inhalte verpflichtet, in den USA geschieht dies auf freiwilliger Basis und auf Grundlage der Plattform-Regeln. Doch diese Regeln gelten als intransparent. In den letzten Tagen wurde beispielsweise kritisiert, dass Donald Trump gesperrt wurde, der geistliche Führer des Irans, Ayatollah Khamenei, aber noch auf Twitter aktiv sei und zur Vernichtung Israels aufrufen könne.

EU-Kommission will Macht regulieren

Der Kampf gegen Falschinformationen und Hasskriminalität im Netz wird auch in der Zukunft eine wichtige Bedeutung haben. Plattformen wie Twitter haben ihre eigenen Regeln, nach denen sie vorgehen und Inhalte löschen oder Accounts sperren. Problematisch seien auch die sogenannten „Filterblasen“, also die algorithmische Verbindung verschiedener Accounts mit den mutmaßlichen selben Interessen. Hier will die EU-Kommission mit ihrem neuen Gesetzespaket „Digital Services Act“ ansetzen. Soziale Plattformen sollen danach ihre Algorithmen auf Verlangen der zuständigen Behörden offenlegen müssen.

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