Die Justiz sucht händeringend Nachwuchs
Ob gesenkte Einstellungsvoraussetzungen und eine Erhöhung der Besoldung ausreichen, ist ungewiss. Dabei müssen rund 10.000 Stellen nachbesetzt werden.
Worum geht es?
Großkanzlei, Unternehmen, Ministerium – oder etwa doch Justiz? Nach Abschluss des Zweiten Staatsexamens stehen die frischen Volljuristinnen und Volljuristen am Anfang ihrer beginnenden Karriere. Den Staat würde es nicht nur freuen, sondern geradezu gut tun, wenn man sich für die Justiz entscheiden würde. Denn in Deutschland droht schon seit längerer Zeit ein Richtermangel. Durch den Generationenwechsel müssen die Länder rund 10.000 Stellen bis 2030 nachbesetzen – die Besetzung von neuen Stellen, die aufgrund hoher Arbeitsbelastung geschaffen werden müssten, sind dabei noch nicht einmal mitgerechnet. Dies geht aus einer Umfrage des Deutschen Richterbunds (DRB) hervor, dem Dachverband der Berufsgruppe. 10.000 erforderliche Nachbesetzungen bis 2030 entsprechen etwa 40 Prozent der aktuell beschäftigen Staatsanwälte und Richter.
Einstellungsvoraussetzungen werden gesenkt
Die Justiz soll bestenfalls nur mit Top-Absolventen besetzt werden, doch der Konkurrenzkampf ist groß. Einst sollten bei Gericht nur Juristen mit Prädikatsexamen tätig sein, also „Vollbefriedigend“ im Zweiten Examen. Im Jahr 2018 erzielten diese Noten nur 19,6 Prozent der Prüflinge, das sind knapp 1.500 Kandidaten. Doch nicht nur die Justiz hätte diese Juristen gerne in ihren Reihen, auch die Großkanzleien, Unternehmen und weitere Arbeitgeber buhlen um sie.
Die Justiz schneidet in diesem Kampf nicht gut ab. Insbesondere gegen Großkanzleien verliert sie ihre Gunst um die Top-Juristen, da sie nicht mit den gebotenen Gehältern in der Privatwirtschaft mithalten kann. Aus diesem Grund haben bereits nahezu alle Länder ihre Einstellungsvoraussetzungen gesenkt. Aus der Umfrage des DRB an die Länder ergibt sich, dass etwa in Sachsen-Anhalt die Quote der Proberichter mit einem Prädikatsexamen von 80 Prozent im Jahr 2016 stark sank – 2019 waren es nur noch 30 Prozent. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erging es ähnlich mit Quoten von 37 bzw. 38 Prozent. Besser sieht es in Hamburg und Berlin aus: Die Hansestadt liegt deutschlandweit vorne, rund 85 Prozent der neu eingestellten Richter oder Staatsanwälte verfügen der Umfrage zufolge über ein Prädikatsexamen. In der Hauptstadt sind es knappe 70 Prozent.
Geld regiert die Welt – und den Arbeitsmarkt?
Neben der Senkung der Einstellungsvoraussetzung gab es zusätzlich auch eine Erhöhung der Besoldung, die je nach Bundesland allerdings unterschiedlich ausfällt. Auch hier führt Hamburg die Statistik mit nun 56.000 Euro Einstiegsjahresgehalt an, das sind rund 10 Prozent mehr als 2016. Mit der Privatwirtschaft kann die Justiz aber noch immer nicht mithalten. In den Großkanzleien sind die Gehälter für Berufsanfänger in den letzten Jahren um bis zu 40 Prozent gestiegen.
Freude bei U-Häftlingen
Wie die Justiz den Kampf um den Nachwuchs in den nächsten Jahren weiter ausbauen möchte, ist ungewiss. Nicht nur der DRB, sondern bereits mehrmals auch das BVerfG kritisierten, dass Richter und Staatsanwälte zu wenig verdienten. Dabei ist die Arbeitsbelastung in den letzten Jahren gestiegen. Das Aufeinandertreffen von Personalnot und höherem Arbeitsaufwand trifft auch insbesondere die Strafjustiz. Dadurch müssten immer häufiger Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil ihre Verfahren zu lange dauern. Das liegt daran, dass zu lange dauernde Verfahren gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen, eine Prozessmaxime aus dem Strafprozess. 2019 wurden daher nach Angaben des DRB mindestens 69 Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen. 2017 waren es noch 51 solcher Fälle.
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