EuGH: Städte dürfen im Kampf gegen städtischen Wohnungsmangel kurzzeitige Vermietungen einschränken

EuGH: Städte dürfen im Kampf gegen städtischen Wohnungsmangel kurzzeitige Vermietungen einschränken

EuGH zur Zweckentfremdung von Wohnraum

Um gegen die Wohnungsknappheit in Großstädten vorzugehen, dürften die EU-Mitgliedstaaten Regelungen erlassen, welche die kurzzeitige Vermietung von Wohnungen einschränken. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes hervor (Rechtssachen C‑724/18 und C‑727/18). Das Urteil dürfte auch Einfluss auf Großanbieter wie Airbnb haben.  

Worum geht es?

Ein Hotelzimmer zu mieten kann in der Großstadt schnell teuer werden. Sei es für einen Städtetrip oder einen Besuch bei Freunden und Verwandten. Wer ein Zimmer oder eine ganze Wohnung frei hat, kann diese über Plattformen wie Airbnb für ein paar Tage an Touristen vermieten. 

Oft kommt man dabei günstiger und unkomplizierter in zentrale Lagen, als wenn man ein herkömmliches Hotelzimmer oder eine Ferienwohnung mietet. Diese vermeintliche Win-Win-Situation könnten allerdings negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Großstädten haben. Sobald Privatwohnungen nur noch oder überwiegend als Ferienwohnungen genutzt werden, geht der so oder so schon knappe Wohnraum in den Großstädten weiter zur Neige. 

Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, wird teilweise versucht die kurzzeitige Vermietung von Wohnungen zu kontrollieren und zu beschränken. In Deutschland gibt es zum Beispiel in Hamburg und Berlin besonders strenge Regulierungen. Der EuGH überprüfte kürzlich betreffende französische Gesetze auf deren Vereinbarkeit mit europarechtlichen Regelungen. Daraus lassen sich auch Grundsätze für Regulierungsmaßnahmen durch andere EU-Mitgliedstaaten ableiten.

 

Wie kam der Fall zum EuGH?

Das französische Reiseverkehr- und Baurecht enthält einige Regelungen zur Regulierung des Wohnungsmarktes. Es finden sich insbesondere Meldepflichten für die Vermietung von Fremdenzimmern, baurechtliche Genehmigungspflichten für die Nutzungsänderungen von privatem Wohnraum in gewerblich genutzte Ferienwohnungen sowie Bußgelder für Verstöße dagegen.

Zwei Apartment Agenturen - Wohnungseigentümer in Paris - haben gewerblich eine ursprüngliche Privatwohnung als Ferienwohnung vermietet und wurden durch ein französisches Gericht dazu verurteilt Geldbußen von 5.000 bzw. 15.000 Euro zu zahlen. Außerdem wurden sie zu einem Rückbau der baulichen Änderungen verpflichtet.

Nach diesem erstinstanzlichen Urteil legten die Agenturen Berufung vor dem zuständigen französischen Gericht ein. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Die Agenturen legten gegen dieses Urteil erneut Rechtsmittel (sog. Kassation; am ehesten vergleichbar mit der deutschen Revision) ein, sodass das Verfahren schließlich vor dem französischen „Cour de cassation“ (Kassationsgerichtshof) landete. 

Dieser stellte sich zunächst die Frage, ob die Streitigkeit überhaupt in den Anwendungsbereich einschlägiger europäischer Richtlinien falle und welche Regelungen genau einschlägig seien. Darauf aufbauend kam der Kassationsgerichtshof zu der Frage, ob Mietwohnungsknappheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, welcher rechtfertigen würde, eine regelmäßige Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen zu verbieten.

Der Kassationsgerichtshof strengte mit seinen Fragen ein Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH (Vgl. Art. 267 AEUV) an. Das Vorabentscheidungsverfahren ermöglicht es nationalen Gerichten ihre Fragen zur Anwendung und Auslegung von Europarecht durch den EuGH beantworten zu lassen.

 

Wie hat der EuGH entschieden?

Aus der Entscheidung des EuGH geht zunächst hervor, dass die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG auf kurzzeitige Wohnraummietverhältnisse - ohne Begründung eines Wohnsitzes- anwendbar sind. Ferner seien Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie dahin auszulegen, dass nationale Regelungen, die eine Genehmigung für die kurzzeitige Vermietung von Wohnraum vorschreiben, unter bestimmten Umständen gerechtfertigt und verhältnismäßig seien:

„(…),dass eine nationale Regelung, die bestimmte Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, um ein ausreichendes Angebot an Wohnungen, die längerfristig zu erschwinglichen Preisen vermietet werden, zu gewährleisten, in bestimmten Gemeinden mit besonders hohem Mietpreisdruck einer Regelung der vorherigen Genehmigung unterwirft, durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Bekämpfung des Mietwohnungsmangels gerechtfertigt und in Bezug auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig ist, da dieses nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.“

 

Außerdem würde Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie nicht untersagen, eine

„(…) Genehmigungen bei Bedarf mit der Verpflichtung zu einem Ausgleich durch gleichzeitige akzessorische Umwandlung von anders genutzten Raum in Wohnraum zu verbinden (…)“

 

Genehmigungen könnten also auch an Bedingungen geknüpft werden, die der weiteren Reduzierung von Wohnraum entgegenwirken.

 

Was folgt aus der Entscheidung?

Die Entscheidung des EuGH kann als Grundsatzentscheidung bezeichnet werden. Durch die Entscheidung wird deutlich, dass der EuGH den Zugang zu Mietwohnraum als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkennt und daher Regulierungsmaßnahmen unter bestimmten Umständen als europarechtlich gerechtfertigt ansieht. Dies gilt allerdings in erster Linie für Gegenden mit hohem Mietpreis Druck. Darin liegt eine maßgebliche Einschränkung des Anwendungsbereiches der Entscheidung.

Außerdem ging es bei den französischen Regelungen um Einschränkungen, die nur anwendbar sind, wenn der Hauptwohnsitz des Vermieters nicht an der gleichen Adresse liegt, wie die vermietete Wohnung. Ein faktisches Verbot von Portalen wie Airbnb folgt also keinesfalls aus dem Urteil. Die klassische kurzzeitige Untervermietung vom eigenen Wohnsitz ist also grundsätzlich nicht von dem Urteil betroffen.

Aus dem Urteil ergeben sich also gleichzeitig Einschränkungen für die Betätigung auf dem Wohnungsmarkt und wichtige Klarstellungen für die Portale, die dort registrierten Vermieter sowie für die Gesetzgeber und die öffentliche Verwaltung.

Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:

 - [Rechtsakte der EU](https://jura-online.de/lernen/rechtsakte-der-eu/1180/excursus)

 - [Vorabentscheidungsverfahren, art. 267 AEUV](https://jura-online.de/lernen/vorabentscheidungsverfahren-art-267-aeuv/1195/excursus)