BGH: "Fiktive" Abrechnung im Kaufrecht?

A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)

K erwarb von B mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Februar 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag heißt es in Nr. III.1:

“(Abs. 4) Der Verkäufer verpflichtet sich, die Fassade zur Gartenseite und die rechte Fassadenseite zum Stellplatz hin bis zum 1. April 2014 auf seine Kosten sach- und fachgerecht zu isolieren und zu verputzen. Für diese Arbeiten übernimmt der Verkäufer die Gewährleistung nach den Regeln des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches.

(Abs. 5) Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben.”

Nach Übergabe der Wohnung trat Ende 2014 Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer des K auf, zu deren Beseitigung K den B erfolglos unter Fristsetzung aufforderte. Die Wohnungseigentümer ermächtigten K durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. K verlangt von B die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 12.312,90 Euro.

Zu Recht?

B. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 13.3.2020 – V ZR 33/19)

K könnte gegen B ein Anspruch auf Zahlung von 12.312,90 Euro aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB zustehen.

Der BGH bejaht eine Haftung der B dem Grund nach:

„Im Ausgangspunkt legt das Berufungsgericht die in Nr. III.1 Abs. 5 des notariellen Vertrags vom 27. Februar 2014 getroffene Regelung dahingehend aus, dass der Beklagte im Hinblick auf die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden keine werkvertragliche Herstellungspflicht übernommen hat, sondern nach den Regeln der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung haftet; nach dem Parteiwillen habe der Beklagte das Risiko erneut auftretender Feuchtigkeit als Verkäufer tragen sollen. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass die Herstellungsverpflichtung des Beklagten im Hinblick auf die Fassade (Nr. III.1 Abs. 4 des Vertrags) ausdrücklich dem Werkvertragsrecht unterstellt worden sei, während eine solche Regelung hinsichtlich der Feuchtigkeit im Schlafzimmer (Nr. III.1 Abs. 5 des Vertrags) fehle. Diese tatrichterliche Auslegung, die revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08, NJW 2010, 146 Rn. 10), lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet; dasselbe gilt für die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der Haftungsausschluss nicht eingreift.

Infolgedessen ist der Beklagte wegen der festgestellten Feuchtigkeitsmängel verpflichtet, Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB zu leisten.“

Fraglich ist aber, ob K „fiktiv“ abrechnen kann, also den Betrag der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten verlangen kann, auch wenn der Mangel (noch) nicht beseitigt wurde und K die Kosten tatsächlich noch nicht aufwenden musste.

Der BGH stellt zunächst dar, dass es der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche, dass ein Käufer im Rahmen des „kleinen Schadensersatzes“ auch „fiktive“ Mangelbeseitigungskosten abrechnen könne:

„Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.

a) Danach kann der Käufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Dies haben der V. und anschließend der VIII. Zivilsenat im Wesentlichen mit dem Gleichlauf zwischen werkvertraglichem und kaufrechtlichem Nacherfüllungsanspruch infolge der Schuldrechtsreform begründet; dabei haben sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zum Werkvertragsrecht bezogen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 31; Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33; Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21; BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, ZfSch 2015, 625 Rn. 12).

b) Die genannte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats bezieht sich auf das Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Das frühere Werkvertragsrecht enthielt ebenso wie nunmehr § 634 1, § 635 BGB nF einen vorrangigen Mängelbeseitigungsanspruch des Bestellers (vgl. § 633 Abs. 2, §§ 634, 635 BGB aF). Der Schadensersatzanspruch des Bestellers konnte nach ständiger Rechtsprechung des VII. Zivilsenats anhand der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel ermittelt werden. Wahlweise zulässig war aber auch die hier interessierende Schadensberechnung anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten, wobei es unerheblich war, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.; Urteil vom 22. Juli 2004 - VII ZR 275/03, MDR 2005, 86; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 10). Der Schadensersatzanspruch trete nämlich an die Stelle des auf mangelfreie Herstellung gerichteten Erfüllungsanspruchs und ziele auf die Herbeiführung des von dem Unternehmer geschuldeten werkvertraglichen Erfolgs; daher könne der Besteller als Ausgleich für das mangelhafte Werk die Kosten der Mängelbeseitigung verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03, MDR 2005, 983, 984). Auf eine tatsächlich durchgeführte Mängelbeseitigung komme es wegen der Dispositionsbefugnis des Geschädigten nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.; Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 86 f.; Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06, NJW 2007, 2697 Rn. 13). Allerdings könne der Besteller in entsprechender Anwendung von § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB nur den Ersatz der Wertdifferenz verlangen, wenn die Herstellung der Mangelfreiheit unverhältnismäßige Aufwendungen erfordere (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 367; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW 2013, 370 Rn. 11; ebenso für das Kaufrecht Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 36).“

Sodann stellt der V. Zivilsenat des BGH dar, dass der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat in einer Entscheidung zum Werkvertragsrecht aus dem Jahr 2018 entschieden habe, dass der Besteller eines Werkes im Rahmen des kleinen Schadensersatzes nicht fiktiv abrechnen könne. Vielmehr könne er nur die tatsächlich angefallenen Mangelbeseitigungskosten ersetzt verlangen:

„Inzwischen hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung mit Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 ff.) für das ab dem 1. Januar 2002 geltende Werkvertragsrecht geändert. Nach dieser Entscheidung kann der Besteller, der kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB verlangt, seinen Schaden nur dann anhand der Mängelbeseitigungskosten bemessen, wenn er diese tatsächlich aufgewandt hat (aaO Rn. 31 ff.). Vor den Nachteilen und Risiken einer Vorfinanzierung werde der Besteller dadurch geschützt, dass er ungeachtet der in § 281 Abs. 4 BGB getroffenen Regelung grundsätzlich weiterhin gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB Vorschuss verlangen könne, wenn er den Mangel beseitigen wolle (aaO Rn. 48 ff.). Auch die Bemessung des Schadensersatzes wegen mangelhafter Planungsleistungen des Architekten gemäß § 280 Abs. 1 BGB müsse sich nach den tatsächlichen Dispositionen des Bestellers richten (aaO Rn. 62 ff.). Da der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks schulde, könne der Besteller nicht gemäß § 637 Abs. 3 BGB Vorschuss verlangen; einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung bedürfe es aber auch hier nicht, da der Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen zweckgebundenen und abrechnungspflichtigen Betrag für die Mängelbeseitigung umfasse (aaO Rn. 67). Auf diese Weise, so meint der VII. Zivilsenat, habe er das Schadensersatzrecht sowohl für Ansprüche gegen den Architekten als auch gegen den Unternehmer “neu gestaltet und harmonisiert” (BGH, Urteil vom 27. September 2018 - VII ZR 45/17, NJW 2019, 421 Rn. 72). Die Rechtsprechungsänderung bezieht sich nicht auf das Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, sondern allein auf das ab dem 1. Januar 2002 geltende Werkvertragsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - VII ZR 45/17, NJW 2019, 421 Rn. 73; Urteil vom 19. Dezember 2019 - VII ZR 6/19, juris Rn. 28 f.).“

Dem tritt der V. Zivilsenat nicht bei, sondern möchte an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten.

Zunächst stellt er dar, dass die Frage nicht im allgemeinen Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB) beantworten werden könne, weil sich Ihnen nicht entnehmen lasse, wie der Schadensersatz statt der Leistung nach dem neuen Schuldrecht bemessen werden soll:

„aa) Der V. und der VII. Zivilsenat stimmen - soweit ersichtlich - insoweit überein, als die Heranziehung der §§ 249 ff. BGB das Rechtsproblem nicht lösen kann. Das wird zwar teilweise anders gesehen (vgl. etwa Halfmeier, BauR 2013, 320, 321 ff.; Picker, JZ 2018, 676 ff.; Mohr, JZ 2019, 917, 920; siehe allerdings auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 9), trifft jedoch nicht zu.

(1) Obwohl die §§ 249 ff. BGB allgemein auf Schadensersatzansprüche anwendbar sind und die darauf bezogenen Normen ergänzen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., vor § 249 Rn. 1), regeln sie vor allem den Ausgleich des Integritätsinteresses. Dagegen dient der Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB dem Ausgleich des Äquivalenzinteresses; geschützt wird im Bereich der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung die Erwartung des Käufers, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer vertragsgemäßen Sache zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79, BGHZ 86, 256, 258 f.). Wie Leistungsstörungen auszugleichen sind, ist in erster Linie den darauf bezogenen Normen zu entnehmen. Durch die eingehenden Regelungen zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht hat das neue Schuldrecht den ergänzenden Rückgriff auf die §§ 249 ff. BGB im Hinblick auf Leistungspflichten jedenfalls teilweise entbehrlich gemacht (vgl. etwa Senat, Urteil vom 30. Mai 2008 - V ZR 184/07, NJW 2008, 3122 Rn. 17 zum Verhältnis von § 275 und § 251 Abs. 2 BGB).

(2) Inhaltlich lässt sich den §§ 249 ff. BGB nicht entnehmen, wie der Schadensersatz statt der Leistung nach dem neuen Schuldrecht bemessen werden soll.

(a) § 249 Abs. 1 BGB gibt den Primat der Naturalrestitution vor. § 249 Abs. 2, § 250 und § 251 Abs. 2 BGB regeln jeweils, wann statt der möglichen Naturalrestitution Ersatz in Geld verlangt werden kann, nämlich wahlweise gemäß § 249 Abs. 2 BGB bei Verletzung einer Person oder Sache, gemäß § 250 BGB dann, wenn die Naturalrestitution nicht innerhalb einer gesetzten Frist erfolgt ist und schließlich gemäß § 251 Abs. 2 BGB dann, wenn die Naturalrestitution nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Diese Normen geben für den Schadensersatz statt der Leistung allesamt nichts her. Verlangt der Gläubiger nach Fristablauf Schadensersatz statt der Leistung, ist der Anspruch auf die Primärleistung gemäß § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2017 - IX ZR 305/16, NJW 2018, 786 Rn. 10). Infolgedessen kommt eine Naturalrestitution nicht in Betracht; der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist von vornherein und ohne Rückgriff auf die §§ 249 ff. BGB auf Ersatz in Geld gerichtet.

(b) Aus denselben Gründen führt § 251 Abs. 1 BGB nicht weiter. Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist. Bei einem Verlangen nach Schadensersatz statt der Leistung ist die Naturalrestitution aber nicht unmöglich, sondern die Primärleistung kann aufgrund der Ausübung des Wahlrechts gemäß § 281 Abs. 4 BGB nicht mehr beansprucht werden; aus dieser Norm - und nicht aus § 251 Abs. 1 BGB - ergibt sich, dass nunmehr Ersatz in Geld geschuldet ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21; grundlegend zu § 635 BGB aF BGH, Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84 ff.; ebenso zum Mietrecht BGH, Urteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 26).

(c) Dementsprechend hat der V. Zivilsenat § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten nicht direkt, sondern nur entsprechend herangezogen (Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 36), und auch der VII. Zivilsenat stützt seine Entscheidung vom 22. Februar 2018 zum Werkvertragsrecht nicht auf die §§ 249 ff. BGB (VII ZR 46/17, aaO Rn. 23, 73; anders allerdings noch Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11 BauR 2013, 81 Rn. 9).“

Die Bemessung des kleinen Schadensersatzes statt der Leistung könne sich vielmehr nur entweder nach dem jeweiligen besonderen Schuldrecht oder nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht richten. Dabei weist der V. Zivilsenat darauf hin, dass sowohl Kauf- als auch Werkvertragsrecht auf die zentrale Haftungsnorm in § 280 BGB verweisen, der i.V.m. § 281 BGB die „eigentliche Grundlage“ für den Inhalt des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung darstelle:

„(1) Der VII. Zivilsenat verankert die Rechtsfrage zwar vordergründig im besonderen Schuldrecht (“Regelungskonzept des § 634 BGB”; “Besonderheiten des Werkvertragsrechts”, vgl. Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 36 und 70). Inhaltlich stützt er sich aber weniger auf spezifisch werkvertragliche Regelungen als vielmehr auf verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadensbegriff und zu der Gefahr einer Überkompensation (vgl. Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 33 f. und 70). Im wesentlichen Kern betrifft dies das allgemeine Leistungsstörungsrecht und namentlich die Auslegung der §§ 280, 281 BGB.

(2) Diese Normen sind auch für die Bemessung des kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung maßgeblich. Die Rechte des Käufers und des Bestellers eines Werkes bei Sach- oder Rechtsmängeln werden nämlich im Hinblick auf Rücktritt und Schadensersatz seit der Schuldrechtsreform einheitlich im allgemeinen Leistungsstörungsrecht und nur ergänzend in den Vorschriften des besonderen Teils geregelt. Folgerichtig treffen § 437 Nr. 3 BGB für das Kaufrecht und § 634 Nr. 4 BGB für das Werkvertragsrecht keine eigenständigen Regelungen über den Schadensersatz. Beide Bestimmungen verweisen insoweit u.a. auf den zentralen Haftungstatbestand in § 280 BGB, der durch § 281 BGB ergänzt wird (BT-Drucks. 14/6040 S. 135). In diesen Normen findet sich die eigentliche Grundlage für den kauf- und den werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung; das gilt einheitlich auch für andere Vertragstypen wie das Mietrecht. Für das Kaufrecht hat der Gesetzgeber zugleich die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Sache in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeführt. Das war bis zum 31. Dezember 2001 bekanntlich anders, da das frühere Schuldrecht die Fehlerfreiheit der Kaufsache nicht zum Inhalt der Leistungspflicht des Verkäufers erklärte. Die kaufrechtliche “Gewährleistung” war ein eigenständiges Haftungssystem, in dem für den Stückkauf keine Nacherfüllungspflicht und für den Gattungskauf nur eine Nachlieferungspflicht (§ 480 BGB aF) des Verkäufers vorgesehen war. Nunmehr ist als vorrangiges Mängelrecht der an den Erfüllungsanspruch anknüpfende Nacherfüllungsanspruch vorgesehen (§ 437 Nr. 1, § 439 BGB); dies entspricht den insoweit in der Sache unveränderten werkvertraglichen Regeln (§ 634 Nr. 1, § 635 BGB). Im Kauf- wie im Werkvertragsrecht kann Schadensersatz statt der Leistung im Grundsatz erst verlangt werden, wenn eine dem Schuldner gesetzte angemessene Frist für die Nacherfüllung erfolglos verstrichen ist (§ 437 Nr. 1, § 439, § 280, § 281 Abs. 1 BGB; § 643 Nr. 4, § 635, § 280, § 281 Abs. 1 BGB).“

Aus Sicht des V. Zivilsenats sprechen die weitaus überwiegenden Argumente für die bisherige Lösung.

Dazu verweist der Senat zunächst darauf, dass die Mängelbeseitigungskosten die Vermögensbilanz des Käufers unabhängig davon belasten, ob sie tatsächlich aufgewendet werden oder nicht:

aa) Da der Schadensersatz gemäß § 437 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB “statt der Leistung” gewährt wird, kann der Gläubiger verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (sog. positives Interesse; vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 20). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des positiven Interesses ist der Nacherfüllungsanspruch (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - VII ZR 63/18, ZfIR 2019, 374 Rn. 32). Der Unterschied zwischen dem kaufrechtlichen Erfüllungs- und dem Nacherfüllungsanspruch besteht - neben der speziellen Verjährungsfrist des § 438 BGB - im Wesentlichen darin, dass Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs nicht mehr die erstmalige Lieferung einer mangelfreien Kaufsache ist, sondern die Herstellung ihrer Mangelfreiheit durch Nachbesserung oder durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 50; vgl. auch Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 - V ZR 11/18, z.V.b.). Infolgedessen kann der Schadensersatz anhand der Kosten für die (ausgebliebene) Nachlieferung oder Nachbesserung bestimmt werden, für die der Käufer nunmehr selbst Sorge tragen muss. Diese Kosten werden durch die Mängelbeseitigungskosten zutreffend abgebildet, ohne dass es darauf ankommt, ob sie tatsächlich aufgewendet werden; denn sie belasten die Vermögensbilanz des Käufers schon im Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens. Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zu § 635 BGB aF (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03, MDR 2005, 983, 984). Zu seiner abweichenden Auffassung, nach der sich der Vermögensschaden zunächst in dem mangelbedingten Minderwert der Sache erschöpft (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 32 f.), gelangt der VII. Zivilsenat deshalb, weil er auf die (nur) für die Begründung des Anspruchs erforderliche Pflichtverletzung (Sachmangel) abstellt; jedenfalls im Kaufrecht ist richtiger Bezugspunkt aber die Nacherfüllung, zu der der Verkäufer vorrangig verpflichtet ist, und deren Ausbleiben der Schadensersatzanspruch kompensieren soll.“

Die Schadensermittlung anhand der (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten sei im Kaufrecht auch deshalb angemessen, weil der mangelbedingte Minderwert der Sache das Leistungsinteresse des Käufers nicht immer zutreffend abbilde:

„Man denke etwa an die Lieferung des gekauften PKW in einer gängigen Farbe statt des bestellten grellen Farbtons. Ein solcher Sachmangel kann dazu führen, dass der Marktwert nicht sinkt, sondern steigt. Obwohl ein Minderwert des PKW nicht gegeben ist, hat der Käufer die bestellte Leistung nicht erhalten, für die er seinerseits die Gegenleistung erbracht hat. Bessert der Verkäufer nicht nach (Neulackierung), kann der Wert der dem Käufer entgangenen Leistung (Neulackierung) anhand der hierfür erforderlichen Kosten bemessen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob diese bereits aufgewendet worden sind. Die Ersatzbeschaffungs- oder Mängelbeseitigungskosten bilden das Äquivalenzinteresse zutreffend ab, also das Interesse des Käufers, für seinen Kaufpreis das geschuldete Äquivalent zu erhalten. Sind die Mängelbeseitigungskosten tatsächlich aufgewendet worden, zieht dies der VII. Zivilsenat auch für das Werkvertragsrecht nicht in Zweifel (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 46).“

Die bisherige Rechtsprechung entspreche dem Verständnis des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform:

„(1) In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich der Schadensersatz bei einer Zuweniglieferung (90 statt gekaufter 100 Flaschen Wein) ebenso wie bei einer mangelhaften Lieferung (Auto mit defektem Navigationsgerät) jeweils nach den Ersatzbeschaffungskosten bemisst (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 139 f.). Folglich hat der Gesetzgeber bei der Angleichung des Kaufrechts an das Werkvertragsrecht im Einklang mit der damals gefestigten Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht nicht darauf abgestellt, ob die Mängel bereits beseitigt worden sind und ob der Käufer dies beabsichtigt.

(2) Auf die Schadensberechnung bezogene Änderungen hat der Gesetzgeber weder erwogen noch hat er sie vorgenommen; im Gegenteil baut das Gesamtkonzept der Schuldrechtsreform inhaltlich auf der bisherigen Rechtsprechung auf.

(a) Zu den Kernzielen der Schuldrechtsreform gehörte die Schaffung eines Leistungsstörungsrechts für sämtliche Vertragstypen mit dem einheitlichen Haftungstatbestand der “Pflichtverletzung” in den §§ 280 ff. BGB. Das zweite “wesentliche Strukturmerkmal” ist der durch das Erfordernis der Fristsetzung gesicherte Vorrang des Erfüllungsanspruchs (BT-Drucks. 14/6040 S. 92 f.). Sachmängel sollen vorrangig durch Nacherfüllung behoben und nur zweitrangig durch Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz ausgeglichen werden. Zugleich ist die Haftung des Verkäufers durch die Einführung einer allgemeinen Schadensersatzpflicht auch für unmittelbare Mangelschäden gezielt verschärft worden (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 226). Die Nacherfüllung kann der Verkäufer nur dann verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Auf diese Weise sollten die vertraglich vereinbarten Leistungspflichten möglichst durchsetzbar gemacht werden (“pacta sunt servanda”, vgl. Deppenkemper, JM 2018, 222, 228).

(b) Das Ziel, dem Käufer mittels Einführung eines vorrangigen Nacherfüllungsanspruchs zu der versprochenen Leistung zu verhelfen und die Verkäuferhaftung zu verschärfen, würde durch die Übernahme der neuen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats konterkariert. Denn für den Verkäufer entstünden Anreize, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen, wenn der erst nach verweigerter oder fehlgeschlagener Nacherfüllung und nur bei einem Vertretenmüssen gewährte Anspruch auf kleinen Schadensersatz auf den mangelbedingten Minderwert oder auf tatsächlich aufgewendete Kosten beschränkt wäre. Er könnte darauf hoffen, sich bei einem Verlangen nach Schadensersatz finanziell besser zu stehen, als wenn er seiner Nacherfüllungspflicht entspricht. Sieht nämlich der Käufer von der Nachbesserung ab, muss nur der - oft geringere - Minderwert ersetzt werden, ohne dass es wie bislang (vgl. Rn. 8) entscheidend darauf ankommt, ob die Herstellung der Mangelfreiheit unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert. Damit bliebe außer Acht, dass der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach dem Konzept der Schuldrechtsreform den ausgebliebenen Erfüllungserfolg und nicht nur den Minderwert der Sache ausgleichen soll; durch die Ersatzfähigkeit der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von deren Aufwendung wird der Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt (vgl. zum Ganzen Deppenkemper, JM 2018, 222, 227 f.).“

Es sei demgegenüber nicht vertretbar, den Käufer einer Sache zur Vorfinanzierung der beabsichtigten Mängelbeseitigung „zu zwingen“:

„(1) Den mit der Vorfinanzierung verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil müsste der Käufer tragen, nachdem und weil der Verkäufer die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat; das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Immobilienkäufer neben der Kaufpreisfinanzierung oft nicht in der Lage sein werden, die Kosten der Mängelbeseitigung vorzustrecken. Zu einer solchen Vorfinanzierung wäre der Käufer nach der klaren gesetzlichen Regelung gezwungen. Denn ein Selbstvornahmerecht mit einem Vorschussanspruch, wie er in § 637 Abs. 3 BGB vorgesehen ist, gibt es im Kaufrecht nicht (ebenso im Mietrecht, vgl. Lehmann-Richter, NZM 2018, 315, 316 f.).

(2) Ein Vorfinanzierungsanspruch kann insbesondere nicht aus dem Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3, § 280, 281 Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Allerdings geht der VII. Zivilsenat, der die Vorfinanzierung durch den Geschädigten ebenfalls vermeiden will, diesen Weg für die Architektenhaftung. Danach kann der Besteller von dem Architekten gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB Vorfinanzierung “in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags” verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 67).

Dieser Argumentation kann sich der V. Zivilsenat für das Leistungsstörungsrecht im Allgemeinen und für das Kaufrecht im Besonderen nicht anschließen, weshalb er auch insoweit anfragt, ob der VII. Zivilsenat an dieser Ansicht festhalten will (Tenor unter 2.). Nach der dogmatischen Konzeption des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ist der Anspruch auf Schadensersatz neben oder statt der Leistung nicht zweckgebunden, und über seine Verwendung muss nicht abgerechnet werden. Die Dispositionsfreiheit des Geschädigten zählt für Sachschäden zu den anerkannten Grundsätzen des deutschen Schadensersatzrechts (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1986 - VI ZR 48/85, BGHZ 97, 14, 17 f.; Urteil vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.). Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich der Anspruch auf Schadensersatz von einem Vorschussanspruch, wie ihn das Bürgerliche Gesetzbuch an verschiedenen Stellen und insbesondere bei dem werkvertraglichen Selbstvornahmerecht vorsieht (§ 637 Abs. 3 BGB; vgl. ferner § 475 Abs. 6, § 555a Abs. 3 Satz 2 oder § 669 BGB). Im Kaufrecht stünde ein aus § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB abgeleiteter zweckgebundener und abzurechnender Vorfinanzierungsanspruch in direktem Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber aufgrund bewusster Entscheidung davon abgesehen hat, ein Selbstvornahmerecht nebst Vorschussanspruch einzuführen. Dies hat der VIII. Zivilsenat in seinem grundlegenden Urteil zum Vorrang der Nacherfüllung vom 23. Februar 2005 (VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 225 f.) überzeugend dargelegt.“

Für das Kaufrecht kann der V. Zivilsenat auch in der Sache nicht erkennen, dass die bisherige Rechtsprechung zu einer Überkompensation geführt hätte:

„(1) Zunächst darf der Begriff der “fiktiven” Mängelbeseitigungskosten nicht dahingehend missverstanden werden, dass fiktive, also nicht vorhandene Schäden ersetzt werden müssten. Das wäre schon im Ansatz nicht richtig, weil das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gestört ist; die Fiktion betrifft nur die Bewertung der ausgebliebenen Leistung in Gestalt der Nacherfüllung (vgl. zu der Terminologie Medicus, DAR 1982, 352 f.). Im Regelfall führt die bisherige Rechtsprechung schon deshalb nicht zu unangemessenen Ergebnissen, weil der Käufer - wie hier - schlicht die Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung vermeiden möchte; er kann im Übrigen auch andere anerkennenswerte Gründe dafür haben, dass er die Behebung des Mangels auf einen späteren Zeitpunkt verschieben will. Selbst die Entscheidung, von der Mängelbeseitigung ganz abzusehen, wird von der Dispositionsfreiheit des Käufers gedeckt. Er darf mit dem Mangel leben und den Wert der Leistung anders verwenden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.).

(2) Hierfür streitet auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität. Denn anhand der voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten kann der Schadensersatz relativ verlässlich und vorhersehbar bemessen werden, während die Ermittlung des mangelbedingten Minderwerts häufig auf Schwierigkeiten stößt. Die Schadensabwicklung wird damit erheblich erleichtert und für den Rechtsverkehr vorhersehbar ausgestaltet. Das gilt umso mehr, als abrechnungs- oder vorfinanzierungsbezogene Lösungen eine Vermehrung von Prozessen zur Folge haben können, während das bislang anerkannte Schadensersatzrecht zu einer endgültigen Streitbeilegung führt (vgl. Weyer, NZBau 2013, 269, 270; Riehm, NZM 2019, 274, 280).

(3) Nicht anders liegt es, wenn der Käufer die mangelhafte Sache während des Schadensersatzprozesses verkauft und der Erwerber sich an dem Mangel nicht stört. In solchen Fallkonstellationen liegt es zwar auf den ersten Blick nahe, dass der Schaden gleichsam entfallen ist. Aber die bisherige Rechtsprechung, wonach der Schadensersatzanspruch auch nach einer Veräußerung der Sache unverändert fortbesteht, hatte alle Argumente für und wider wohl erwogen; am Ende hatte sie gute Gründe auf ihrer Seite (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31 im Anschluss an BGH, Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 86 f.). Insbesondere darf es nicht der vertragsbrüchigen Partei zugutekommen, dass der Geschädigte die Sache weiterverkauft, und dieser soll nicht über einen längeren Rechtsstreit hinweg an der Veräußerung der Sache gehindert sein.“

Schließlich spreche gegen die Übernahme der neuen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats auch die Kohärenz der Rechtsordnung mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Deliktsrecht:

„(1) Bei der Beschädigung einer Sache stellen die grundsätzliche Berechtigung des Geschädigten zur fiktiven Schadensabrechnung und dessen Dispositionsfreiheit seit vielen Jahrzehnten Eckpfeiler der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats dar. Hierzu steht die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats nicht in Widerspruch, da diese auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht und nicht auf das Recht der unerlaubten Handlungen bezogen ist (verkannt von LG Darmstadt, MDR 2019, 1128 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, dass grundsätzlich weder die Deliktsordnung von der Vertragsordnung verdrängt wird noch umgekehrt und dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - VII ZR 158/03, BGHZ 162, 86; Urteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.). Dementsprechend hat der VI. Zivilsenat seine Rechtsprechung bekräftigt und fortgesetzt, ohne die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats auch nur zu erwähnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2019 - VI ZR 65/18, NJW 2019, 852 Rn. 6).

(2) Gleichwohl ergäben sich aus dem Nebeneinander von deliktischen und vertraglichen Ansprüchen bedenkliche und der Einheit der Rechtsordnung abträgliche Brüche, wenn die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats für das Kaufrecht maßgeblich sein sollte. Werden infolge der Schlechtleistung des Verkäufers andere Rechtsgüter des Käufers beschädigt, könnten (nur) die Kosten für die Behebung dieser Schäden fiktiv abgerechnet werden, nicht jedoch die auf die vertraglich geschuldete Leistung bezogenen Kosten. Eine solche Differenzierung kann nicht überzeugen. Die Folge wäre nämlich das Wiederaufleben der durch die Schuldrechtsreform jedenfalls weitgehend überwundenen Differenzierung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden, die der Gesetzgeber beseitigen wollte als ein “Dauerthema der Rechtsprechung, zu dem Ströme wissenschaftlicher Tinte geflossen sind, ohne dass eine klare, plausible und vor allem praktikable Lösung in Sicht wäre” (BT-Drucks. 14/6040 S. 88 im Anschluss an den Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 23). Für Abhilfe sollte die Neuregelung des Verjährungsrechts sorgen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 88 f.). Nunmehr könnten vermeintlich zurückgedrängte Rechtsfiguren wie etwa der “weiterfressende Schaden” (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. November 1976 - VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359, und zu den Erwartungen des Gesetzgebers BT-Drucks. 14/6040 S. 229) oder die fehlende “Stoffgleichheit” (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79, BGHZ 86, 256, 262; Urteil vom 28. Oktober 2010 - VII ZR 172/09, NJW 2011, 594 Rn. 26 f.) herangezogen werden, um über konkurrierende deliktische Ansprüche zu einer fiktiven Abrechnung zu gelangen.“

Damit steht K gegen B ein Anspruch auf Zahlung von 12.312,90 Euro aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB zu.

 

C. Fazit

Der V. Zivilsenat stellt sich mit recht deutlichen Worten gegen die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats und fragt an, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalten wolle. Die Antwort des VII. Zivilsenats dürfen wir mit Spannung erwarten. Sollte der VII. Zivilsenat an seiner Rechtsprechung festhalten wollen, bahnt sich möglicherweise die (klärende) Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen an (§ 132 GVG). Es bleibt spannend - wir werden weiter berichten!

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen