BVerfG besetzt Richterposten neu

BVerfG besetzt Richterposten neu

Auch Mecklenburg-Vorpommern wählt neue (Landes)-Verfassungsrichter: Umstrittene Personalie

Freie Stellen beim BVerfG werden besetzt: Stephan Harbarth wird Präsident des höchsten deutschen Gerichts, eine Frankfurter Rechtsprofessorin ist neu dabei. Die SPD streitet noch um einen Kandidaten für den Ersten Senat. Außerdem sorgt eine neue Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern für Aufsehen, die der „Antikapitalistischen Linken“ angehören soll.

Worum geht es?

Die Wahlen für die freigewordenen Richterposten am BVerfG wurden nachgeholt. Eigentlich strebte man die Wahl schon im März an, doch das Coronavirus sorgte für Verzögerungen. Die wichtigste Personalie am höchsten deutschen Gericht ist aber nun geklärt: Stephan Harbarth wird der Nachfolger vom Präsidenten Andreas Voßkuhle. Außerdem musste Voßkuhles freiwerdende Richterstelle im Zweiten Senat neu besetzt werden. Seine Nachfolgerin ist Astrid Wallrabenstein, eine Frankfurter Rechtsprofessorin, die von den Grünen vorgeschlagen wurde.

Doch nicht nur am BVerfG werden Richterposten neu besetzt. Auch am Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern wurde neu gewählt, eine der zukünftigen Verfassungsrichterinnen ist umstritten.

 

Harbarth neuer Präsident, Wallrabenstein neu dabei

Stephan Harbarth ist neuer Präsident des BVerfG. Er wurde vom Bundesrat einstimmig zum Nachfolger von Voßkuhle gewählt, dessen Amtszeit nach zwölf Jahren in Karlsruhe endet. Die Wahl Harbarths war absehbar: Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass der Vizepräsident die Nachfolge des Präsidenten antritt. Der ehemalige CDU-Politiker ist außerdem Vorsitzender des Ersten Senats und Honorarprofessor an der Universität Heidelberg.

Die Personalie Harbarth ist nicht unumstritten. Bereits sein Amtsantritt wurde vereinzelt kritisiert. Durch sein ehemaliges Mandat im Bundestag und seine Mitgliedschaft im CDU-Bundesvorstand wurde befürchtet, er habe eine zu große Nähe zu Politik und Wirtschaft. Der ehemalige Anwalt war zudem Partner einer großen Wirtschaftskanzlei, Harbarth vertrat somit große Industrieunternehmen. Sein Lebenslauf stimmt andere wiederum positiv: Gerade seine Erfahrungen als Anwalt und Politiker würden das BVerfG bereichern, dessen Stellen oft mit Professoren besetzt werden.

Außerdem ist Astrid Wallrabenstein neu am höchsten deutschen Gericht dabei. Der Bundesrat hat sie einstimmig gewählt. Sie hat seit 2010 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt im Sozialrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt inne. Nun muss sie nur noch vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ernannt werden.

Wie alle anderen 15 Verfassungsrichter ist ihre Amtszeit auf zwölf Jahre begrenzt. Um überhaupt gewählt zu werden, müssen die Kandidaten mindestens 40 Jahre alt sein, die Befähigung zum Richteramt haben und zum Bundestag wählbar sein. Die BVerfG-Richter werden grundsätzlich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit wechselweise entweder vom Bundestag oder vom Bundesrat gewählt, die Kandidaten werden von den Parteien vorgeschlagen.

 

Streit bei der SPD

Da die Wahl politisch geprägt ist, wählen die Parteien ihre Kandidaten sorgfältig aus. Bei der SPD ist man sich derzeit noch uneinig. Die Stelle im Ersten Senat von Johannes Masing muss neu besetzt werden, den Sozialdemokraten steht das Vorschlagsrecht zu. Einen gemeinsamen Kurs hat man in der SPD aber noch nicht gefunden, die Ministerpräsidenten streiten sich um Kandidaten. So würde Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke gerne Jes Möller am BVerfG sehen. Der ehemalige Sozialrichter wäre damit der erste Verfassungsrichter aus Ostdeutschland. In Rheinland-Pfalz hingegen setzt man auf den ehemaligen OVG-Richter Lars Brocker, andere SPD-Politiker machen sich hingegen für den Professor Martin Eifert stark. Die Wahl musste deshalb schon mehrfach verschoben werden, gewählt wird nun voraussichtlich am 5. Juni.

 

Umstrittene Personalie in Mecklenburg-Vorpommern

Von Karlsruhe nach Greifswald: Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurden Richterstellen neu besetzt. Der Landtag hat die Wahl der neuen Richterinnen und Richter für das Landesverfassungsgericht beendet. Unter den Nachfolgern befindet sich auch die ehemalige Landtagsabgeordnete der Linken, Barbara Borchardt. Die Diplom-Juristin schaffte die Wahl im zweiten Anlauf, nachdem sie zunächst an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit scheiterte. 

Ihre Wahl sorgt für Aufsehen, denn sie ist Mitglied der Antikapitalistischen Linken (AKL). Dabei handelt es sich um eine Gruppierung der Linken, die beim Verfassungsschutz 2018 unter der Kategorie „Linksextremismus“ geführt wurde. Die Gruppierung fordere nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ und strebe einen „Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen“ an. Borchardt möchte laut eigener Aussage Mitglied der AKL bleiben. Sie sehe keinen Konflikt zwischen ihrer Mitgliedschaft und ihrem neuen Amt als Verfassungsrichterin, schließlich stünden die Ziele der AKL nicht im Gegensatz zum Grundgesetz, indem eine ausdrückliche kapitalistische Grundordnung nicht vorgesehen sei.

Dies sehen manche anders. So kritisierte CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer die Wahl, Borchardt schade damit dem Ansehen des Verfassungsgerichts:

Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern müsse ihre Rolle bei der Wahl aufarbeiten.

Eckhardt Rehberg, ein aus demselben Bundesland stammender CDU-Bundestagsabgeordneter, fand hingegen nüchterne Worte und betonte, dass es am Ende immer eine Entscheidung eines jeden Abgeordneten sei: 

Die Besetzung des Landesverfassungsgerichts ist als Gesamtpaket zu sehen. Dazu war eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag aus SPD, CDU und Linken nötig.

Wahl der Landesverfassungsrichter

Die Wahl der Landesverfassungsrichter ist in den jeweiligen Landesverfassungen geregelt, vor allem aber in den entsprechenden Gesetzen über das jeweilige Landesverfassungsgericht und deren Geschäftsordnungen. Eine Gemeinsamkeit im föderalistischen System besteht darin, dass die Richter durch den jeweiligen Landtag auf Zeit gewählt werden, zum Großteil mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Ansonsten finden sich aber auch Unterschiede, beispielsweise bei den Vorschlägen der Kandidaten. In Mecklenburg-Vorpommern erfolgt der Vorschlag durch einen eigenen Ausschuss des Landtages. In Sachsen beispielsweise sind die Staatsregierung und das Landtagspräsidium zu einem Vorschlag berechtigt. Interessant ist auch, dass neben Berufsrichtern sowohl Personen mit als auch ohne eine Befähigung zum Richteramt gewählt werden können. Lediglich der Präsident, der Vizepräsident und zwei der weiteren Mitglieder sowie vier Stellvertreter müssen nach § 2 LVerfGG M-V die Befähigung zum Richteramt besitzen. Barbara Borchardt hat ihre juristische Ausbildung nach dem 1. Staatsexamen beendet. Wer genau Richterin oder Richter am Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern werden kann, wird in § 3 I LVerfGG M-V normiert:
§ 3 I LVerfGG M-V: Wählbarkeit

Zum Mitglied des Landesverfassungsgerichts kann gewählt werden, wer das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Wählbarkeit zum Landtag besitzt […]. Die Mitglieder sollen im öffentlichen Leben erfahrene Personen des allgemeinen Vertrauens und für das Amt besonders geeignet sein. […]

Die Landesverfassungsgerichte, die teilweise auch Staatsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof genannt werden, sind für die Klärung landesverfassungsrechtlicher Sachverhalte zuständig. Da sie relativ selten angerufen werden, sind die Richter in der Regel dort nicht ausschließlich tätig, sondern nehmen das Amt – meist ehrenamtlich – zusätzlich wahr.

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