Neue Verfassungsrichter werden gewählt - wie läuft die Wahl ab und wer kommt in Betracht?

Neue Verfassungsrichter werden gewählt - wie läuft die Wahl ab und wer kommt in Betracht?

Die Wahl wird spannend – und hochpolitisch

Freie Stellen beim BVerfG: Vier Positionen werden neu besetzt.

 

Worum geht es?

Demnächst enden die Amtszeiten zweier Richter des BVerfG. Daher müssen Bundestag und Bundesrat neue Richterinnern und Richter wählen, die für 12 Jahre nach Karlsruhe gehen. Ebenfalls müssen ein neuer Präsident und ein Vize-Präsident gewählt werden. Die Wahl wird spannend – und hochpolitisch.

 

Wie läuft die Wahl ab?

Die Wahl der Richterinnen und Richter des BVerfG sind im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geregelt. Die 16 Richterinnen und Richter des Gerichts werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt (§ 5 BVerfGG). Die Organe bestimmen auch abwechselnd den Präsidenten und seinen Vizepräsidenten (§ 9 BVerfGG). Die vom Bundesrat berufenden Richter werden direkt und mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt (§ 7 BVerfGG). Bei der Wahl durch den Bundestag ist ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Vorab muss allerdings ein Wahlausschuss aus 12 Abgeordneten gebildet werden, der dem Plenum dann einen Kandidatenvorschlag unterbreitet (§ 6 BVerfGG). Die aktuelle Wahl spielt sich hauptsächlich im Bundesrat ab. Dieser muss die Nachfolger für die Verfassungsrichter Voßkuhle und Masing bestimmen, zusätzlich den neuen Präsidenten. Für den Bundestag verbleibt die Wahl des neuen Vizepräsidenten.

Wählbar ist jede Person, die das 40. Lebensjahr vollendet und das Zweite jur. Staatsexamen (also die Befähigung zum Richteramt) hat. Eine Amtszeit beim BVerfG beträgt zwölf Jahre. Um die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter zu sichern ist eine Wiederwahl ausgeschlossen. Nach § 10 BVerfGG müssen schließlich die gewählten Richterinnen und Richter vom Bundespräsidenten ernannt werden.

 

Politische Wahl

Bei der Wahl der Besetzung des BVerfG geht es in erster Linie um eines: um Politik. Da die Wahl durch Bundestag und Bundesrat erfolgt, spielen politische Interessen eine ausschlaggebende Rolle. Derzeit besteht der Erste Senat des BVerfG aus drei CDU/CSU-Vorschlägen, drei SPD-Vorschlägen und jeweils einen Grünen- und FDP-Vorschlag. Im Zweiten Senat sitzen vier Richter, die von CDU/CSU vorgeschlagen wurden und ebenfalls vier, die auf Bestreben der SPD beruhen. Die Vorschlagsrechte sind strikt nach Parteien-Proporz aufgeteilt. Die Linken und die AfD werden dabei außen vor bleiben, da es auf ihre Stimmen bezüglich der Zwei-Drittel-Mehrheit nicht ankommen wird.

Den Grünen wurde bereits zugesagt, einen Nachfolger für den ausscheidenden Andreas Voßkuhle vorzuschlagen. Seine Amtszeit endet am 6. Mai 2020. Die Wahl seines Nachfolgers wird daher die erste sein, obwohl die Amtszeit seines Kollegen Johannes Masing fünf Wochen früher endet. Die Grünen bestehen allerdings darauf, zuerst vorschlagen zu dürfen, um sich auch wirklich durchsetzen zu können. Sie haben auch bereits einen Kandidaten, nennen ihn aber noch nicht.

 

Kritik an Präsidentschaftsvorschlag

Als neuer Präsident des BVerfG soll der aktuelle Vizepräsident Stephan Harbarth gewählt werden. Schon seit längerem scheinen sich die Fraktionsspitzen von Union, SPD, Grünen und FDP darauf geeinigt zu haben. Harbarth selbst wäre laut eigener Aussage auch bereit für das höchste Amt. Seine Personalie ist allerdings nicht unumstritten. Seit längerer Zeit wird seine Unabhängigkeit infrage gestellt, es wurden sogar Verfassungsbeschwerden eingelegt. Eine soll in Kürze entschieden werden, eine zweite wurde jüngst verworfen.

Vor seiner Ernennung zum Vizepräsidenten 2018 war Harbarth Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Bundestag. Zwar spreche grundsätzlich nichts dagegen, auch ehemalige Politiker zum Verfassungsrichter zu berufen. So waren die bereits verstorbenen Roman Herzog und Jutta Limbach vor ihren Amtszeiten ebenfalls in der Politik. Im Falle von Harbarth gibt es aber eine Besonderheit: Es gibt seit Bestehen der Bundesrepublik keinen Richter am BVerfG – geschweige denn einen Präsidenten – der mitverantwortlich für eine Norm aus dem Strafrecht war, die anschließend vom BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde. Die Rede ist von dem umstrittenen § 217 StGB (Verbot der Sterbehilfe). Die Norm wurde im Februar 2020 vom BVerfG für nichtig erklärt (wir haben darüber berichtet).

 

Übrigens

Bei Antritt ihres Amtes muss vor dem Bundespräsidenten ein Eid geleistet werden, der in § 11 BVerfGG geschrieben steht:
Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe. 

Der Eid kann auch mit einer anderen religiösen Beteuerungsformel beziehungsweise auch ohne eine solche geleistet werden.