„This product is perfect for pain…“
Kundenbewertungen können hilfreich sein, manchmal aber auch nicht. Nun brachten Bewertungen bei Amazon eine Verkäuferin vor Gericht. Ein Wettbewerbsverein warf ihr unlauteren Wettbewerb vor. Wer haftet für Kundenbewertungen bei Amazon?
Worum geht es?
Die Beklagte vertreibt seit längerer Zeit Kinesiologie-Tapes. Darunter sind spezielle Pflaster im Sport zu verstehen, die hochelastisch, atmungsaktiv und hautfreundlich sein sollen. Sie dehnen sich mit der Haut mit, ohne dass dadurch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werde. Anfangs hatte die Beklagte die Produkte auch damit beworben, dass sie zur Behandlung von Schmerzen geeignet seien. Dies ist jedoch nicht medizinisch nachgewiesen, sodass sie von einem eingetragenem Wettbewerbsverein 2013 abgemahnt wurde und ihm gegenüber der Unterlassung erklärte.
Jahre später stehen sich der abmahnende Wettbewerbsverein als Kläger und die Beklagte gerichtlich gegenüber. Die Beklagte bietet inzwischen ihre Produkte auch bei Amazon zum Kauf an. Zwar wirbt sie nicht mehr selbst mit einer „schmerzlindernden Wirkung“ in ihrem Angebot. Dafür finden sich in den Kundenbewertungen, die zu ihrem Produkt angezeigt werden, mehrere Aussagen, die dem Produkt eine medizinische Wirkung zuschreiben, wie etwa „schmerzlinderndes Tape!“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Schnell lässt der Schmerz nach“ oder „This product is perfect for pain…“.
Der Wettbewerbsverein fordert von der Beklagten nun die Zahlung einer Vertragsstrafe und Unterlassung. Er wirft ihr vor, dass sie sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht hätte. Zumindest hätte sie auf eine Löschung der Bewertungen hinwirken müssen. Eine Löschung lehnte Amazon allerdings auf Anfrage der Beklagten ab.
Kein Anspruch aus §§ 8 I, 3a UWG iVm § 11 I 1 Nr. 11 HWG
In den ersten Instanzen unterlag der Kläger. Das LG Essen hatte die Klage abgewiesen, ebenfalls erfolglos verblieb die Berufung vor dem zuständigen OLG für den Wettbewerbsverein. Es bestehe kein Anspruch aus §§ 8 I, 3a UWG in Verbindung mit § 11 I 1 Nr. 11 HWG.
Das UWG ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Wann der Wettbewerb „unlauter“ sein soll, ist im UWG an verschiedenen Stellen legaldefiniert. Eine Möglichkeit findet sich in § 5 I 1 UWG:
Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Ergänzend kommt im vorliegenden Fall die Regelung des § 11 I 1 Nr. 11 HWG hinzu, eine Norm aus dem Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens. Danach darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel oder andere Mittel nicht mit Äußerungen Dritter geworben werden, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Der Wettbewerbsverein beanstandete, dass die Beklagte durch die Kundenrezensionen gegen diese Normen verstoße. Dies sahen aber sowohl das LG als auch das OLG anders. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen – gesundheitsbezogenen – Angaben irreführend. Dabei würde es sich aber nicht um Werbung handeln. Zumindest wäre eine solche der Beklagten nicht zuzurechnen.
Dagegen ging der Kläger in Revision und zog vor den BGH.
BGH weist Revision zurück
Das Karlsruher Gericht hat die Revision nun zurückgewiesen und schloss sich den Ausführungen des OLG an. Die Beklagte betreffe für die Kundenbewertungen keine wettbewerbsrechtliche Haftung. Sie habe nicht mit den erhaltenen Kundenbewertungen geworben. Seitens des BGH heißt es:
Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet.
Keine Rechtspflicht zur Verhinderung
Weiter führte der BGH aus, dass für die Beklagte auch keine Pflicht bestehe, eine Irreführung durch die abgegebenen Kundenbewertungen zu verhindern. Es fehle eine sie in die Pflicht nehmende Garantenstellung. Kundenbewertungen seien auf Portalen wie Amazon vielmehr gesellschaftlich erwünscht. Die Richterinnen und Richter aus Karlsruhe unterstrichen, dass Kundenbewertungssysteme darüber hinaus einen verfassungsrechtlichen Schutz genießen würden. Das Interesse der Kunden, sich vor einem Kauf über Produkte aus verschiedenen Quellen zu informieren – dazu würden auch die Bewertungen anderer Kunden zählen – werde durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 GG geschützt. Im Ergebnis habe die Beklagte daher nicht unlauter geworben.
Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten zu diesem Thema an:
- [Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 1. Fall GG](https://jura-online.de/lernen/meinungsfreiheit-art-5-i-1-1-fall-gg/306/excursus)
- [Sonstige Kommunikationsgrundrechte, Art. 5 I 1 und 2 GG](https://jura-online.de/lernen/sonstige-kommunikations-grundrechte-art-5-i-1-u-2-gg/290/excursus)
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