BGH: “demnächst” ist “demnächst” – ist doch klar
„Mach‘ ich demnächst“. Mit dieser eher unbestimmten Zeitangabe kann man im Alltag noch ganz gut zurechtkommen. Im Zivilprozess bedarf es aber Klarheit. Was bedeutet „demnächst“ im Rechtsstreit? Der BGH verrät es uns.
Worum geht es?
Der BGH hat sich mit der Auslegung des Begriffs „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO beschäftigt. Anlass dafür gab ein Rechtsstreit, bei dem eine Frist entscheidend war. Der spätere Kläger hatte am 15.02.2017 beim LG Klage gegen einen Gesellschafterbeschluss vom 04.01.2017 eingelegt. In dem der Gesellschaft zugrunde liegenden Vertrag war bestimmt, dass man gegen einen Gesellschafterbeschluss nur innerhalb von sechs Wochen vorgehen könne.
Das Gericht stellte nach Eingang der Klage eine erste Kostenrechnung in Höhe von 100.000 Euro auf, die auf der Klageschrift basierte und die von dem Kläger binnen einer Woche auch bezahlt wurde. In der Folge setzte das Gericht den Streitwert aber auf 500.000 Euro fest. Da sich der Streitwert erhöhte, musste demzufolge auch die Differenz beglichen werden. Eine diesbezügliche Kostenrechnung vom 14.03.2017 ging dem Klägervertreter am 16.03.2017 zu. Am 11.04.2017 zahlte der Kläger schließlich den fehlenden Differenzbetrag ein, woraufhin die Klage dem Beklagten zugestellt wurde.
Erstinstanzlich gewann der Kläger die Rechtssache vor dem Landgericht. Dagegen legte die Beklagte allerdings Berufung vor dem OLG ein, welches die Klage abgewiesen hat. Die höhere Instanz ist davon ausgegangen, der Anspruch sei verjährt, da die Klage nicht „demnächst“ zugestellt worden sei.
Was bedeutet „demnächst“?
Das OLG führte aus, dass dem Kläger für die Zahlung des endgültigen Vorschusses eine Woche einzuräumen sei. Diese Frist sei aber bereits am 21.03.2017 abgelaufen, die Zahlung am 11.04.2017 sei deutlich zu spät gewesen – zu spät für ein „demnächst“.
Im Alltag kann „demnächst“ als Zeitangabe ganz nützlich sein: Man kündigt etwas an, aber legt sich nicht richtig fest, man tut es eben „demnächst“. Spannend ist, dass das Zivilprozessrecht auch eine Frist kennt, die mit „demnächst“ bestimmt wird. Dabei geht es um § 167 ZPO, worin die Rückwirkung von Zustellungen geregelt wird.
§ 167 – Rückwirkung der Zustellung
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Die Vorschrift aus dem Zivilprozessrecht bezieht Rechtswirkungen, die mit der Zustellung herbeigeführt werden sollen, auf den Zeitpunkt der Erklärung oder des Antrags zurück. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Dauer eines Zustellungsverfahrens nicht von den Parteien beeinflusst werden kann. Sollte eine Verzögerung auftreten, dürfe diese die Parteien nicht unangemessen belasten. Daher wirken Zustellungen zurück, wenn sie „demnächst“ erfolgt sind.
Nun streiten sich die Juristen über die Bedeutung des Wortes „demnächst“. Zunächst muss festgehalten werden, dass der Begriff nicht allein zeitlich zu verstehen sei. Vielmehr müsse für eine Bestimmung auch eine Wertung erfolgen – schließlich geht es darum, die Verzögerung der Zustellung nicht der Partei anzulasten.
Vorliegend musste sich das OLG also fragen, ob der Kläger letztlich schnell genug den Gerichtskostenvorschuss gezahlt hatte oder nicht. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es zu spät war. Daher sei die Zustellung gerade nicht mehr „demnächst“ erfolgt.
BGH stellt auf Gesamtsituation ab
Der BGH hat das Urteil aber nun aufgehoben und die Sache zurück an das LG verwiesen. Das Gericht in Karlsruhe legte das Merkmal „demnächst“ nämlich anders aus:
Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat.
Die vorzunehmende Wertung könne also auch noch das Merkmal „demnächst“ erfüllen, wenn es sich um eine längere Frist gehandelt habe. Die Zustellung würde aber nicht mehr den Anforderungen des § 167 ZPO entsprechen, so der BGH, wenn die Partei nachlässig – auch leicht fahrlässig – zu einer Zustellungsverzögerung beitrug. Sollte so wie hier eine Verzögerung vorliegen, würde diese aber bis zu 14 Tagen lediglich als geringfügig gelten. Solche seien nach Rechtsauffassung des BGH hinzunehmen und daher im Einklang mit § 167 ZPO.
Nun muss man nochmal die Daten betrachten: Die Kostenrechnung ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.03.2017 zu. Die Rechnung musste geprüft werden und wurde dann an den Kläger direkt weitergeleitet. Dies sei keine Verzögerung, sondern ein normaler Ablauf. Der BGH setzte für diesen Vorgang 3 Werktage an und stellte fest, dass die Frist für die Zahlung des Vorschusses demzufolge erst am 21.03.2017 begann. Für die Zahlung müsse nun eine ausreichende Frist zur Bereitstellung und Einzahlung des Vorschusses zuzubilligen sein.
Der Partei ist […] nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewirkung der Einzahlung in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zuzugestehen.
Damit lief die Frist für die Zahlung des Vorschusses frühestens am 28.03.2017 ab. Nun kommen aber noch die 14 Tage ins Spiel, die nach Auffassung des BGH bloß eine geringfügige Verzögerung darstellen. Da der Kostenvorschuss letztlich am 11.04.2017 gezahlt wurde, betrug die dem Kläger zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klage nicht mehr als 14 Tage – sie erfolgte „demnächst“.
BGH II ZR 281/18
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- [Verfahrensgrundsätze der ZPO](https://jura-online.de/lernen/verfahrensgrundsaetze-der-zpo/3066/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BGH_Was_Hei%C3%9Ft_demn%C3%A4chst_im_sinne_des_%C2%A7_167_ZPO)
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