OLG Frankfurt a.M.: Rücktritt wegen Sachmangels nur nach zweitem fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch?

A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)

 

K aus Kiel erwarb am 12.9.2017 von der in München ansässigen Händlerin B einen Neuwagen der Marke Toyota zu einem Kaufpreis von 20.000 Euro. Mit Schreiben vom 14.5.2018 rügte K verschiedene Mängel der Lackierung des Fahrzeuges an der Motorhaube, der A-Säule und am Heckdeckel und setzte der B zur Nachbesserung eine Frist bis zum 30.5.2018.

Mit Schreiben vom 28.5.2018 meldete sich der Rechtsanwalt der B und bot an, dass der K einen örtlichen Vertragshändler seiner Wahl für die Besichtigung und Nachbesserung aufsuchen solle. Ferner fragte er an, ob der K auch Garantieansprüche geltend mache.

Nach weiterer Korrespondenz, in der der K klarstellte, ausschließlich Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, verbrachte K nach einer Terminvereinbarung das Fahrzeug am 3.7.2018 zur Untersuchung zum örtlichen Vertragshändler. Im Anschluss daran vereinbarten K und der Vertragshändler einen Termin zur Durchführung der Nachbesserung, die dann vom 14.8. bis 21.8.2019 stattfand. Einige Tage nach Abholung rügte K, dass die Mängel nicht vollständig beseitigt und die (teilweise) Neulackierung nicht fachgerecht ausgeführt sei. Zu einem bei einer weiteren Vorstellung des Fahrzeuges vereinbarten Termin zur Nacharbeit erschien K nicht. Mit Schriftsatz vom 24.9.2018 erklärte der K sodann den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 Euro.

Zu Recht?

 

B. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.(Urt. v. 14.11.2019 – 16 U 42/19)

K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 Euro aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 BGB zustehen.

 

I. Zwischen K und B bestand ein Kaufvertrag.

II. K hat den Rücktritt gemäß § 349 BGB erklärt.

III. Zudem müsste K ein Rücktrittsrecht zustehen. Das könnte sich aus §§ 437 Nr. 2, 323 BGB ergeben.

1. Dann müsste das Fahrzeug bei Gefahrübergang einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB aufgewiesen haben. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 I 1 BGB haben die Parteien insoweit nicht getroffen. Die fehlerhafte Lackierung stellt aber eine Beschaffenheit dar, die bei Fahrzeugen nicht üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten muss. Daher ist das Fahrzeug mangelhaft im Sinne von § 434 I 2 Nr. 2 BGB.

 

2. Des Weiteren müsste K erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben (§ 323 BGB). Mit Schreiben vom 14.5.2018 hat K eine Frist bis zum Ablauf des 30.5.2018 gesetzt. Fraglich ist, ob diese Fristsetzung deswegen erfolglos geblieben ist, weil B bis zum 30.5.2018 keine Nachbesserung vorgenommen hat.

Das OLG geht davon aus, dass diese Fristsetzung nicht schon am 30.5.2018 erfolglos verstrichen sei. Zwar sei der Nacherfüllungserfolg nicht bis zum 30.5.2018 eingetreten. Darauf komme es aber nicht an. Vielmehr verweist der Senat darauf, dass in dem Antwortschreiben der B vom 28.5.2018 eine ausreichende erste Leistungshandlung zu sehen sei:

„Zum einen ist es für eine Nacherfüllung innerhalb der vom Gläubiger gesetzten Frist nicht erforderlich, dass der Nacherfüllungserfolg innerhalb der Frist eintritt. Nach ganz überwiegend vertretener Ansicht ist es ausreichend, wenn die Leistungshandlung innerhalb der Frist vorgenommen wird. Daran fehlt es beispielsweise, wenn der Schuldner sich innerhalb der gesetzten Frist überhaupt nicht bei dem Gläubiger - mit einem Angebot der Nacherfüllung oder dem Wunsch nach einer Terminvereinbarung - meldet. So war es hier jedoch nicht. Der Beklagtenvertreter hat den Klägervertreter unter Bezug auf das Mängelrügeschreiben und für die Marke1 Deutschland Niederlassung und auf Bitte der Beklagten zur weiteren Veranlassung bereits am 28.5.2018 (Anlage B 3 und Vollmacht vom 28.5.2018, Anlage B 5) angeschrieben und dem Kläger - wegen der räumlichen Entfernung zur Beklagten - vorgeschlagen, die Herstellergarantie in Anspruch zu nehmen und das Fahrzeug bei einem Marke1 Vertragshändler in seiner Nähe vorzustellen. Mit dem Angebot der Beklagten und Marke1 Deutschland vom 28.5.2019, auf welches der Kläger nach weiterer Korrespondenz eingegangen ist und das Fahrzeug zur Untersuchung zur Marke1 Center GmbH verbracht hat, ist eine erste Leistungshandlung von der Beklagten noch innerhalb der gesetzten Frist vorgenommen worden. Zwar ist das Angebot zur Untersuchung des Fahrzeugs noch keine unmittelbare Nachbesserungsmaßnahme. Der Verkäufer hat jedoch vor einer Nachbesserung das Recht, den Kaufgegenstand auf den behaupteten Mangel zu untersuchen. Die Untersuchung ist insofern ein erster notwendiger Schritt der Nacherfüllung (so auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rz. 967-969 m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als der Kläger die behaupteten Mängel der Lackierung der Beklagten in dem Anwaltsschreiben vom 14.5.2018 nach sieben Monaten überhaupt erstmals mitgeteilt hat und die Beklagte innerhalb der Frist bei lebensnaher Betrachtung zunächst einmal nur eine Untersuchung vornehmen konnte.“

Jedenfalls aber habe K „freiwillig“ der B eine Fristverlängerung gewährt:

„Selbst wenn man der vorgenannten Sichtweise, dass eine erste Leistungshandlung bereits innerhalb der Frist vorgenommen worden sei, nicht folgen will und die (erste) Nachbesserungshandlung erst mit der Untersuchung am 3.7.2018 oder gar mit den Reparaturmaßnahmen vom 14. - 21.8.2018 ansetzt, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Es trifft dann zwar zu, dass die - bis zum 30.5.2018 gesetzte - Frist an sich ohne Nacherfüllungserfolg abgelaufen ist. Gleichwohl kann jedoch nicht außer Acht bleiben, dass der Kläger der Beklagten trotz des Ablaufs der Frist „freiwillig“ eine Nachbesserungsmöglichkeit eingeräumt hat. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Käufer unabhängig vom Ausgang des eingeräumten Nachbesserungsversuchs auf das mit Ablauf der Frist entstandene Rücktrittsrecht zurückgreifen könnte. Nimmt der Käufer nach Fristablauf sein Rücktrittsrecht nicht wahr und räumt dem Verkäufer freiwillig eine Nachbesserungsmöglichkeit ein, so befinden sich beide in der rechtlichen Lage wie vor Fristablauf.“

Möglicherweise ist die Nacherfüllungsfrist aber dadurch erfolglos im Sinne von § 323 I BGB abgelaufen, dass die in der Zeit vom 14. – 21.8.2018 durchgeführte Reparaturmaßnahme nicht zu einer vollständigen Mängelbeseitigung geführt hat. Das kann indes nur dann gelten, wenn B als Verkäuferin nicht ohnehin ein (weiteres) Recht zur (zweimaligen) Nachbesserung hat. Dann hätte K den für B tätig gewordenen Vertragshändler oder der B selbst eine weitere Möglichkeit einräumen müssen, die weiterhin vorhandenen Mängel zu beseitigen.

Die Vorinstanz hatte ein solches Recht auf „zweimalige Nachbesserung“ aus § 440 S. 2 BGB hergeleitet. Dem tritt das OLG entgegen:

„Der Kläger beruft sich insofern zu Recht auf eine in Literatur und Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung, die darauf hinweist, dass die Regelung des § 440 S. 2 BGB nur für den Fall gilt, dass noch eine Frist zu setzen ist. Die Vorschrift des § 440 BGB erweitert ihrem Wortlaut nach allein die Tatbestände einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung über § 281 Abs. 2 BGB und § 323 Abs. 2 BGB hinaus. Sie sieht in S. 1 weitere Fälle vor, in denen eine erfolglose Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht Voraussetzung eines Rücktritts ist. S. 2 der Vorschrift definiert allein den Begriff des Fehlschlagens im Sinne von S. 1, 2. Alt der Vorschrift, wonach es keiner Fristsetzung bedarf, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Aus Wortlaut und systematischer Stellung des § 440 S. 2 BGB ergibt sich deshalb nicht (zwingend), dass auch bei gesetzter Frist diese erst dann erfolglos geblieben ist, wenn zwei Nachbesserungsversuche nicht zum Erfolg geführt haben.“

Aus diesem Befund werde von einem Teil in Rechtsprechung und Literatur der Schluss gezogen, dem Verkäufer werde durch die Regelung des § 440 S. 2 BGB nicht generell ein Recht zur „zweimaligen Nachbesserung“ eingeräumt:

„Auf die Vorschrift komme es nur an, wenn es an der grundsätzlich erforderlichen Bestimmung einer Frist zur Nacherfüllung fehle. Sei, wie im vorliegenden Fall, eine Frist zur Nachbesserung gesetzt worden und habe die daraufhin erfolgte Nachbesserungsmaßnahme nicht zum Erfolg geführt, so müsse der Käufer dem Verkäufer vor einem Rücktritt keine zweite Nachbesserungsmöglichkeit einräumen (OLG Saarbücken, Urteil vom 9.9.2010 - 8 U 367/09, BeckRS 2010, 28141; Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl., § 440 Rz. 1; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 865 und Rz. 960 f.; Woitkewitsch MDR 2004, 862 ff.).“

Das OLG sieht es anders und bejaht in diesem Fall ein Recht zur „zweimaligen Nachbesserung“. Nach § 323 I ist Voraussetzung für einen Rücktritt, dass die dem Schuldner gesetzte Frist zur Nacherfüllung „erfolglos“ geblieben ist. Diese Norm sei dahin auszulegen, dass die auf eine Fristsetzung hin durch Nachbesserung unternommene Nacherfüllung in der Regel erst dann „erfolglos“ geblieben sei, wenn der Mangel auch nach zweimaligem Nachbesserungsversuch nicht beseitigt worden sei.

Das ergebe sich zunächst aus der Wertung des § 440 S. 2 BGB:

„Bei einer vorgenommenen oder begonnenen Nachbesserung, die den Erfolg nicht erreicht, ist jedenfalls für Kaufverträge der Regelung des § 440 S. 2 BGB die Wertung zu entnehmen, dass von der Erfolglosigkeit der (begonnenen) Nachbesserung in der Regel erst nach zwei Versuchen auszugehen ist. „Erfolglos“ in § 323 Abs. 1 BGB ist für kaufrechtliche Mängel im gleichen Sinne zu verstehen wie „fehlgeschlagen“ in § 440 S. 2 BGB.“

Zudem komme es sonst zu einem Wertungswiderspruch:

„Es ist kein hinreichender Grund dafür ersichtlich, warum dem Verkäufer, der ohne Fristsetzung eine Nachbesserung unternimmt, in der Regel zwei Versuche eingeräumt werden, demjenigen aber, der auf Fristsetzung hin tätig wird, nur ein Nachbesserungsversuch zustehen soll. Ob der Verkäufer lediglich zur Beseitigung des Mangels aufgefordert wird oder ob ihm zusätzlich eine Frist gesetzt wird, hat nämlich allein der Käufer in der Hand. Zwar mag es sein, dass dann, wenn die Mängelbeseitigungsaufforderung zusätzlich mit einer Frist verbunden wird, die gewünschte Beseitigung ernstlicher erscheint. Gleichwohl kann nicht generell angenommen werden, dass die Bemühungen des Verkäufers zur Beseitigung des Mangels in diesem Fall anders gestaltet sind und allein deshalb ein Erfolg der Nachbesserung mit größerer Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Denn die Fristsetzung zielt in erster Linie auf eine zeitliche Komponente. Sie macht deutlich, dass der Käufer die Mangelbeseitigung in überschaubarer Zeit erwartet.“

Hinzukomme, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Fristsetzung im Sinne von § 323 I BGB nicht die Setzung eines bestimmten Endtermins voraussetze. Vielmehr genüge es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht:

“Die Grenze zwischen schlichter Mangelbeseitigungsaufforderung und Fristsetzung zur Nachbesserung ist deshalb nicht scharf zu ziehen, sondern hängt davon ab, wie dringend der Käufer sein Nachbesserungsverlangen im Einzelfall formuliert. Es erscheint nicht sachgerecht, wenn davon anhängt, ob dem Verkäufer nach nicht (vollständig) gelungener Nachbesserung eine zweite Möglichkeit zur Nachbesserung einzuräumen ist oder nicht. Stellt man an eine der Setzung eines Endtermins gleichkommenden dringende Aufforderung nur geringe Anforderungen, so verbleibt im Übrigen für die Regelung des § 440 S. 2 BGB nur ein schmaler Anwendungsbereich.“

Für diese Auslegung spreche schließlich auch die Interessenlage:

„Denn der Schuldner, der einen ersten Nachbesserungsversuch unternommen hat, wird - anders als meist bei einer Pflichtverletzung, die in bloßer Nichtleistung besteht - dafür in der Regel Mittel aufgewendet haben, die nutzlos würden, obwohl möglicherweise nur noch ein geringer Aufwand erforderlich ist, um die Nachbesserung zum Erfolg zu führen.“

 

3. Damit hat K der B zwar eine angemessene Frist gesetzt, jedoch ist diese Frist nicht erfolglos abgelaufen. Vielmehr hätte K der B einen zweiten Nachbesserungsversuch ermöglichen müssen.

 

IV. Ergebnis

K steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu.

 

D. Fazit

Das OLG Frankfurt fügt dem “Autokauf” eine weitere prüfungsverdächtige Fallkonstellation hinzu. Die Examensrelevanz dieser Entscheidung im Besonderen und des Kauf- bzw. Mängelgewährleistungsrechts im Allgemeinen muss nicht weiter betont werden.

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