Falschparker-Fälle sind schon lange beliebtes Prüfungsthema
Nun hat das OLG Frankfurt ein Urteil gefällt, das dem Prüfer einen weiteren Ansatzpunkt geben kann: Leiharbeiter als Hilfspolizisten im Einklang mit staatlichem Gewaltmonopol?
Worum geht es?
Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil zu Beginn des Jahres gegen die Stadt und für einen Falschparker entschieden. In der Stadt stand ein Autofahrer im Parkverbot und bekam dafür ein Knöllchen – soweit, so gut. Allerdings wird der Knackpunkt in diesem Fall die Frage sein, wer das Knöllchen ausgestellt hat. Den Verstoß hatte nämlich ein „Stadtpolizist“ festgestellt, der der Stadt durch eine private Leiharbeitsfirma überlassen wurde. Der Verkehr wächst stetig, sodass auch das Falschparken häufiger auftritt. Im Kampf gegen das rechtswidrige Abstellen werden die Behörden seit einiger Zeit zunehmend von solchen Leiharbeitern privater Dienstleister unterstützt. Und auch die haben schon alle Hände voll zu tun: Allein im Jahr 2018 wurden in Frankfurt 700.000 Parkverstöße festgestellt, wofür die Stadt mehr als zehn Millionen Euro einforderte.
Ein kleiner Bestandteil dieses Millionenbetrags sollten die 15 Euro werden, um die es im vorliegenden Fall ging. Der Autofahrer akzeptierte sein Verwarngeld aber nicht und zog vor Gericht. Das Amtsgericht bestätigte noch die Geldbuße erstinstanzlich. Nun hat das OLG zu seinen Gunsten entschieden und erklärte die Praxis der Stadt Frankfurt für rechtswidrig.
Verkehrsüberwachung als hoheitliche Aufgabe
Das Gericht führte aus, dass private Dienstleister in Frankfurt gar nicht dazu ermächtigt seien, Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Die Verkehrsüberwachung gehöre zum hoheitlichen Funktionsbereich des Staates, sodass die Einhaltung dieser Ordnung auch unter hoheitlichem Überwachungsvorbehalt stehe:
Nur der Staat als Hoheitsträger hat das Recht, gemeindlichen Verkehrsraum zu organisieren, in seiner Funktion zu bestimmen und den einzelnen Verkehrsteilnehmern im Rahmen dieser Funktionsbestimmung zur Benutzung zuzuweisen.
Die Aufgabe sei somit der Polizei vorbehalten und Ausfluss des Gewaltmonopols des Staates. Dieses sei tief im Rechtsstaatsprinz verankert.
Keine Ermächtigungsnorm
Eventuell könnte es aber eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage geben. Organe der Exekutive bekommen die ihr eingeräumte Macht von der Legislative übertragen. Dadurch dürfen sie diese wiederum nur an Dritte – also auch Leiharbeiter – weitergeben, wenn sie dazu ermächtigt worden sind. Es müsste also eine Ermächtigungsnorm vorliegen, die die Praxis der Stadt Frankfurt legitimierte. Die Stadt verwies auf § 99 HSOG:
§ 99 I HSOG – Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte
Zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Gefahrenabwehr oder zur hilfsweisen Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben können Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte bestellt werden.
Weiter in der Norm werden ihnen die Befugnisse eines Polizeivollzugsbeamten eingeräumt, wobei diese im Einzelnen vertraglich beschränkt werden.
Auf den ersten Blick könnte man daher meinen, § 99 HSOG diene als Ermächtigungsgrundlage. Allerdings müssen Ermächtigungsnormen, die Exekutivgewalt an Dritte weitergeben, klar und eindeutig bestimmt sein. Es müsse deutlich sein, was übertragen werde, wieso es übertragen werde, wie es übertragen werde und auch wie es kontrolliert werde. Das OLG Frankfurt wies exemplarisch auf § 27c II LuftVG hin, wodurch die Flugsicherung auch durch Dritte geregelt werden kann.
§ 99 HSOG wurde seitens des Gerichts aber so ausgelegt, dass für die „Stadtpolizei“ bloß eigene Bedienstete der jeweils nachgeordneten Behörde bestellt werden können. Dies sei bei Leiharbeiten von privaten Unternehmen aber gerade nicht der Fall.
Leere Hülle in Uniform
Im Urteil heißt es weiter, dass durch das Vorgehen der Stadt nach Außen der täuschende Schein der Rechtsstaatlichkeit erweckt wurde:
Die Stadt hat […] bewusst eine „leere Hülle in Uniform“ geschaffen, die ausschließlich dazu dient, nach Außen den täuschenden Schein der Rechtsstaatlichkeit aufzubauen und den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln.
Dies sei gesetzeswidrig gewesen. Die Folge: Es greife nun ein absolutes Beweisverwertungsverbot im Falle des Falschparkers – die Beobachtung und Feststellung des „Stadtpolizisten“ als Beweiserhebung dürfen nicht verwendet werden, da sie rechtswidrig durchgeführt worden seien. Frankfurt muss nun aber nicht nur auf die 15 Euro verzichten, sondern vielleicht auch auf viel mehr. Wer in den letzten Jahren rechtswidrig ein Knöllchen von den Leiharbeitern in Uniform bekommen hat, kann möglicherweise sein Geld zurückfordern. Seitens des Verkehrsdezernats heißt es:
Es ist nicht vorherzusagen, was da auf die Stadt zukommt.
Natürlich sind nicht alle vergangenen Strafzettel von Hilfspolizisten rechtswidrig, sondern eben nur von diesen, die als Leiharbeiter angestellt waren. 120 Hilfspolizisten gibt es in Frankfurt, die als städtische Angestellte Falschparker aufschrieben – das ist gesetzeskonform. Nur die Knöllchen der 30 Leiharbeiter könnten für die Stadt Ärger bedeuten.
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- [Rechtsstaatsprinzip](https://jura-online.de/lernen/rechtsstaatsprinzip/238/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_OLG_Frankfurt_zu_Verkehrsueberwachung_Staatsgewalt_durch_Private)
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