A. Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Miete für eine am Arbeitsort in C angemietete Wohnung zu erstatten.
Der Kläger war bei der Beklagten auf Grund Anstellungsvertrags vom 2. Mai 2002 seit dem 6. Mai 2002 als Büroleiter/K, C, beschäftigt. Sein Lebenspartner war bei der Beklagten seit dem 6. Mai 2002 als Produktionsleiter/K, C, tätig. Der Kläger bewohnte mit ihm eine gemeinsame Wohnung in C. Mieter dieser Wohnung war der Kläger. Die monatliche Miete betrug 22. 550, 00 RMB (= 2.301,91 Euro).
Der Kläger übersandte der Beklagten monatlich eine Excel-Tabelle mit einer Aufstellung des monatlichen Budgets. Darin waren auch die Kosten für die Miete der von ihm und seinem Lebenspartner genutzten Wohnung sowie die Kosten für Mieten anderer Mitarbeiter enthalten. Die Beklagte erstattete diese Aufwendungen monatlich.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Lebenspartners des Klägers fristlos. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (- 9 Sa 1637/05 -) stellte durch Urteil vom 12. Januar 2007 fest, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendete. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete auf Grund fristgerechter Kündigung der Beklagten vom 12. August 2005 mit Ablauf des 31. März 2006.
Die Beklagte verweigert die Erstattung der Miete für die Monate Juli 2005 bis März 2006 unter Berufung auf § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags der Parteien vom 2. Mai 2002. Darin heißt es:
“… Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis. …”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 305b BGB habe die Vereinbarung der Parteien über die Mieterstattung Vorrang vor der Schriftformklausel in
§ 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags. Im Übrigen sei die Schriftformklausel nach § 307 I 1 BGB unwirksam.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.717,19 Euro netto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.301,91 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2005, 1. Januar, 1. Februar, 1. März und 1. April 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vertraglich vereinbarte doppelte Schriftformklausel stehe dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegen. Es bestehe auch keine vorrangige Individualabrede iSv. § 305b BGB. Die Schriftformklausel benachteilige den Kläger auch nicht unangemessen iSv. § 307 I 1 BGB.
B. Worum geht es?
Im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht die Reichweite der in § 13 des Anstellungsvertrages enthaltenen „doppelten Schriftformklausel“.
Zunächst bestätigt das BAG die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach zwischen den Parteien eine betriebliche Übung auf Erstattung der Miete entstanden ist:
„Der Kläger nahm seit Beginn des Arbeitsverhältnisses die Miete für die von ihm in C gemietete Wohnung in das monatliche Budget auf. Die Beklagte ersetzte diese Aufwendungen monatlich, ohne einen Vorbehalt zu erklären. Ebenso verfuhr sie hinsichtlich der Mieten ihrer anderen in C tätigen Arbeitnehmer. Dieses über einen längeren Zeitraum regelmäßig wiederholte, vorbehaltlose Verhalten der Beklagten durfte der Kläger dahingehend verstehen, die Mieten sollten auf Dauer erstattet werden. Der Kläger durfte dieses Verhalten als Vertragsangebot werten und nahm es stillschweigend durch vorbehaltlose Entgegennahme der Erstattungsleistungen an. Der Zugang der Annahme gegenüber der Beklagten war entbehrlich, § 151 Satz 1 BGB.“
Die beklagte Arbeitgeberin wendet nun ein, dass diese betriebliche Übung im Verhältnis zum Kläger keine Wirkung entfalten könne, weil die vertraglich vereinbarte doppelte Schriftformklausel dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegenstehe. Das BAG hatte nun folgende Frage zu beantworten:
„Steht eine doppelte Schriftformklausel dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegen?“
C. Wie hat das BAG entschieden?
Das BAG bejaht im Fall „doppelte Schriftformklausel“ (Urt. v. 20. 5. 2008 – 9 AZR 382/07) eine Bindung der Beklagten an die betriebliche Übung. Zwar habe nach § 125 Satz 2 BGB der Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Formvorschrift im Zweifel die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Die formularmäßige Schriftformklausel halte jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 I BGB nicht stand.
Zunächst führt das BAG aus, dass eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, nicht verhindere, dass eine betriebliche Übung entstehe:
„Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben (Senat 17. Juli 2007 – 9 AZR 819/06 – Rn. 25, EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben. Ein vereinbartes Schriftformerfordernis kann deshalb auch durch eine formfreie betriebliche Übung abbedungen werden (BAG 28. Oktober 1987 – 5 AZR 518/85 – AP AVR § 7 Caritasverband Nr. 1 = EzA BGB § 125 Nr. 10, zu III 2 der Gründe).“
Anders sei dies allerdings bei einer Schriftformklausel, die – wie hier § 13 des Arbeitsvertrags – nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibe, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstelle. Voraussetzung sei allerdings, dass es sich um eine konstitutive Schriftformklausel handele:
„Eine solche doppelte Schriftformklausel kann regelmäßig nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden (BGH 2. Juni 1976 – VIII ZR 97/74 – BGHZ 66, 378, für Vereinbarungen unter Kaufleuten; BFH 31. Juli 1991 – I S 1/91 – BFHE 165, 256, für einen GmbH-Geschäftsführervertrag). An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt gem. § 125 Satz 2 BGB zur Nichtigkeit der Änderungsabrede (MünchKommBGB/Förschler 3. Aufl. Bd. 1 § 125 Rn. 77). Durch die doppelte Schriftformklausel kann deshalb verhindert werden, dass eine betriebliche Übung entsteht. Das hat der Senat bereits entschieden (24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c bb (3) der Gründe). Hieran ist festzuhalten.
c) Die Unwirksamkeit nicht formwahrender Änderungen des Arbeitsvertrags gem. § 125 Satz 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Parteien eine konstitutive Schriftformklausel vereinbart haben. Bei einer solchen Klausel sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam. Dient die Einhaltung der Form dagegen nur Beweiszwecken, handelt es sich um eine deklaratorische Schriftformklausel. Die gegen eine solche Klausel verstoßende Abrede ist nicht nichtig (vgl. zur Unterscheidung zwischen konstitutiver und deklaratorischer Bedeutung von Schriftformerfordernissen in Tarifverträgen: BAG 1. Dezember 2004 – 7 AZR 135/04 – BAGE 113, 64, zu I 4 b bb der Gründe; 5. Juni 2002 – 7 AZR 205/01 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195, zu I 3 der Gründe). Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein konstitutives oder nur ein deklaratorisches Schriftformerfordernis vereinbart ist. Führt die Auslegung der vertraglichen Schriftformklausel zu keinem Ergebnis, so greift die Vermutung des § 125 Satz 2 BGB ein, wonach das rechtsgeschäftliche Formerfordernis im Zweifel konstitutive Bedeutung hat (MünchKommBGB/Förschler § 125 Rn. 76).“
Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht ein konstitutives Schriftformerfordernis angenommen:
„Dies folgt schon aus dem unzweifelhaften Wortlaut der Klausel. Danach sollen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags “nur wirksam” sein, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Die Klausel bestimmt damit selbst als Rechtsfolge ihrer Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der formlosen Vereinbarung. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die Schriftform auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis erforderlich sein soll. Gerade durch die Verwendung einer doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Parteien einerseits auf die Wirksamkeit der Schriftformklausel besonderen Wert legen, andererseits ein Verstoß auch zur Unwirksamkeit der Änderungsabrede führen soll (Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c bb (3) der Gründe).“
Bei der vereinbarten doppelten Schriftformklausel handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 BGB. Und grundsätzlich setze sich das Prinzip des Vorrangs individueller Vertragsabreden nach § 305b BGB auch gegenüber wirksamen konstitutiven Schriftformklauseln durch. Allerdings gelte der Vorrang von Individualabreden nicht für die betriebliche Übung:
„Sie ist keine Individualabrede. Durch das einseitige Verhalten gegenüber allen Arbeitnehmern entsteht zugunsten einer Vielzahl von Arbeitnehmern eine betriebliche Übung und damit keine individuell ausgehandelte Verpflichtung (Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c cc der Gründe). Die betriebliche Übung begründet zwar einen vertraglichen Anspruch. Dieser entsteht jedoch nicht auf Grund einer individuell ausgehandelten Abrede zwischen den Arbeitsvertragsparteien, sondern kollektivrechtlich. Eine Individualabrede liegt aber nur vor, wenn eine Klausel nicht gestellt, sondern ausgehandelt wurde, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Der Inhalt der betrieblichen Übung wird nicht ausgehandelt, sondern einseitig durch das Verhalten des Arbeitgebers bestimmt und somit gestellt. Eine betriebliche Übung setzt sich daher nicht nach § 305b BGB durch (Ulrici BB 2005, 1902, 1903).“
Dennoch hindere die doppelte Schriftformklausel die Bindung der beklagten Arbeitgeberin nicht, weil sie nach § 307 I BGB unwirksam sei:
„Schriftformklauseln sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran zu messen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des die Klausel verwendenden Arbeitgebers “unangemessen benachteiligen”. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (Senat 18. März 2008 – 9 AZR 186/07 – Rn. 19, EzA-SD 2008 Nr. 16, 7; 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – Rn. 23, BAGE 118, 36). …
Die Klausel in § 13 des Anstellungsvertrags, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ebenso der Schriftform bedürfen wie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis, erfasst nicht nur Änderungen und Ergänzungen durch betriebliche Übungen. Vielmehr werden von der Klausel auch ausdrückliche, mündliche Abreden erfasst. Jedenfalls soweit die Wirksamkeit ausdrücklicher, mündlicher Abreden ausgeschlossen wird, ist die Klausel unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie über die Rechtslage täuscht. Dass die Klausel teilweise – soweit dadurch das Entstehen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung verhindert werden soll – nicht unangemessen sein könnte, führt nicht zu ihrer Teilwirksamkeit. Vielmehr gilt nach ganz überwiegender Auffassung für den Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen das aus § 306 Abs. 2 BGB abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BGH 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109, zu II 3 der Gründe; 6. April 2005 – VIII ZR 27/04 – NJW 2005, 1574, zu II 3 der Gründe). Dieses Verbot gilt auch im Bereich des Arbeitsrechts (BAG 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, zu II 6 der Gründe). Ansonsten könnte der Verwender gefahrlos beliebige Klauseln vereinbaren. Der Vertragspartner würde über die Reichweite der Klausel getäuscht. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liefe leer (Reinecke DB 2002, 583, 586).“
Somit ist die Schriftformklausel im Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam und steht dem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen.
D. Fazit
Einfache und doppelte Schriftformklauseln spielen in der Vertragspraxis eine große Rolle. Grund genug, sich mit ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen näher zu befassen.
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