BGH zu Gebrauchtwagen und "gebrauchten" Pferden

BGH zu Gebrauchtwagen und

Wann hat ein Pferd einen Sachmangel?

Gebrauchtwagen und „gebrauchte“ Pferde haben gemeinsam, dass sie mindestens 1 PS haben. Allerdings unterscheiden sie sich im Lichte von § 434 BGB, so der BGH.

 
Worum geht es?

Das Zivilrecht umfasst eine riesige Materie und regelt unser gesamtes privatrechtliches Zusammenleben. Trotz der immens hohen Vielzahl an möglichen Fallkonstellationen gibt es aber zwei Fälle, die immer wieder auftauchen: Der Gebrauchtwagen- und der Pferdekauf. Mit letzterem hat sich der BGH jüngst beschäftigt und eine Entscheidung des OLG gerügt.

Es ging um einen Pferdekauf aus dem November 2013. Nachdem die Klägerin das Pferd auf Probe geritten hat, entschied sie sich, den 2005 geborenen Quarterhorse-Wallach vom Verkäufer zu erwerben. Dafür verlangte dieser einen Kaufpreis in Höhe von 17.000 Euro. Zusätzlich musste die Klägerin weitere 1.000 Euro für eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung zahlen – diese ist bei solch kostspieligen Tieren üblich. Bei dieser Untersuchung gab es keine Auffälligkeiten, es wurden keine Gesundheitsmängel des Tieres festgestellt.

In der darauffolgenden Zeit traten allerdings doch gesundheitliche Probleme auf. Eine andere Tierärztin diagnostizierte nun, dass das Pferd Frakturen an der Rippe hatte. Es konnte aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob diese schon zum Zeitpunkt des Kaufes vorlagen oder nicht. Von einem Gutachter wurde auch nicht ausgeschlossen, dass die Rippenfraktur zum Kaufzeitpunkt zwar geheilt, in der Folgezeit aber möglicherweise „reaktiviert“ worden seien.

Die Klägerin verlangte daraufhin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferdes.

 

Erfolgreich vor dem Berufungsgericht, aber…

Bislang hatte die Klägerin damit auch Erfolg. Die Vorinstanzen, sowohl das LG als auch das OLG Karlsruhe, gaben ihr Recht, da sie einen Sachmangel als gegeben sahen. Dieser ist in § 434 BGB geregelt.

 § 434 I 1 BGB

Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.

Danach ist Maßstab für das Vorliegen eines Sachmangels in erster Linie die Vereinbarung der Beschaffenheit der Kaufsache. Sollte eine solche Beschaffenheitsvereinbarung nicht vorliegen, muss § 434 I 2 BGB herangezogen werden. In § 434 I 2 Nr. 1 BGB wird auf den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck abgestellt, in § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf die gewöhnliche Verwendung der Kaufsache. Daneben darf § 434 I 3 BGB nicht übersehen werden, der öffentliche Äußerungen (zum Beispiel Werbung) in die berechtigten Erwartungen des Käufers an die Kaufsache miteinbezieht. 

Das OLG Karlsruhe sah in der Rippenfraktur des Pferdes eine erhebliche (Vor-)Verletzung des Pferdes, was einen Sachmangel im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB darstelle. Das gekaufte Pferd weise nicht die bei einem vergleichbaren Pferd übliche Beschaffenheit auf, die der Käufer erwarten könne. Nach Auffassung des Gerichts sei es unerheblich, ob die Verletzung folgenlos ausgeheilt sei oder nicht. Alleine der Umstand, dass das verkaufte Pferd überhaupt schon eine erhebliche Verletzung erlitten habe, stelle einen Sachmangel im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar. Daher habe die Klägerin einen Rücktrittsanspruch aus § 346 I BGB.

 

…BGH urteilt anders!

Der BGH teilt diese Auffassung der vorherigen Instanz nicht. Nach Auffassung der (höheren) Karlsruher Richter liege kein Sachmangel vor. Im Urteil heißt es:

Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheit nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche (oder vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Also: Obwohl der BGH den Terminus „Gebrauchtwagen“ nicht nutzt, erinnert die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe daran. Denn im Gebrauchtwagenhandel bleibt ein Unfallwagen ein Unfallwagen, auch wenn der Motorschaden wieder repariert wurde. Eine solche Wertung könne aber nicht auf den Pferdekauf übertragen werden. Es handele sich bei Tieren um Lebewesen, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die jeweils individuell veranlagt sind. Dies stelle einen klaren Unterschied zu Sachen dar. Der Käufer eines lebenden Tieres könne nicht erwarten, dass er ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhalte. Vielmehr sei es sogar naturgemäß nicht ungewöhnlich, dass eine Abweichung vom Idealzustand vorliege. Auf den Punkt gebracht: Zu der üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehört es nach Rechtsauffassung des BGH nicht, dass es in jeder Hinsicht der „Idealform“ entspricht.

Daher hatte die Revision des Verkäufers vor dem BGH Erfolg. 

 

Sachmangel-Prüfung beenden

Um die Sachmängel abzuschließen: Ist eine Kaufsache als solche nach § 434 I BGB mangelfrei, kann sich ein Sachmangel noch aus der unsachgemäßen Montage (§ 434 II 1 BGB) oder mangelhafter Montageanleitung (§ 434 II 2 BGB) ergeben. Diese Art von Sachmangel war zwar im obigen Fall fernliegend, wollten wir Dir aber natürlich nicht vorenthalten. In einer Klausur gilt es daher, über jeden Sachmangel nachzudenken und zu verinnerlichen: Ein Unfallwagen bleibt ein Unfallwagen, aber ein “Unfallpferd” nicht immer ein “Unfallpferd”.

Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten zu diesem Thema an:

 - **Mängel[, § 434, § 435 BGB](https://jura-online.de/lernen/maengel-434-435-bgb/63/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BGH_zum_Pferdekauf)**

 - [**Rücktritt, §§ 346 ff. BGB**](https://jura-online.de/lernen/ruecktritt-346-ff-bgb-rechtsfolgen/161/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BGH_zum_Pferdekauf)