OVG RP zu Entlassung eines Soldaten

OVG RP zu Entlassung eines Soldaten

Ist die Verweigerung des Soldaten gerechtfertigt, wenn er aus vermeintlichen Hygienegründen, Frauen nicht die Hand reichen möchte?

Ein Zeitsoldat wurde entlassen und womit? Mit Recht – zumindest das VG Koblenz und OVG Rheinland-Pfalz stuften seine Entlassung als rechtmäßig ein. Und weswegen? Der Soldat weigerte sich, Frauen die Hand zu geben. Dass dies aus „hygienischen Gründen“ sei, wollte ihm keiner so richtig glauben…  

 

Worum geht es?

Die Bundeswehr hatte einen Zeitsoldaten entlassen, der dagegen gerichtlich vorgehen wollte – vergebens. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hatte gesammelte Erkenntnisse über den Soldaten an die zuständigen Personalbeamten bei der Bundeswehr weitergegeben. Danach sei der Mann zum Islam konvertiert und befinde sich möglicherweise in einem religiös motivierten Radikalisierungsprozess. Bei einer anschließenden Befragung kam unter anderem heraus, dass er Frauen nicht die Hand gebe und dass das aber „seine Sache sei“. Daraufhin wurde er entlassen, das VG Koblenz wies seine Klage ab. Und zwar zurecht, bestätigte das OVG Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss.

 

Verstoß gegen das Soldatengesetz

Das OVG stimmte dem VG in allen Punkten zu. Die Weigerung, Frauen aus religiös motivierten Gründen nicht die Hand zu geben, stelle Verstöße gegen das Soldatengesetz (SG) dar. Namentlich handele es sich um eine Verletzung der aus § 8 SG ergebenden Pflicht zum Eintreten für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Außerdem sei das Verhalten des Soldaten mit der aus § 17 II SG folgenden Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar. Die §§ 8, 17 II SG seien wesentliche Vorschriften der Bundeswehr, führte das OVG aus:

 

Beide Pflichten sind dem militärischen Kernbereich zuzuordnen, da sie unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr betreffen.

Somit waren nach Ansicht der Gerichte die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 55 V SG gegeben, wonach ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden kann, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleib bei der Bundeswehr die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

 

Vermeintliche Hygienegründe seien bloße Schutzbehauptung

Der Soldat versuchte noch, sich und sein Verhalten mit der Behauptung zu schützen, er gebe Frauen aus „Hygienegründen“ nicht die Hand. Das VG und auch das OVG sahen darin wegen seiner konsequenten Hinwendung zum Islam jedoch nur eine Art Schutzbehauptung. Vielmehr erkenne der Soldat die Gleichstellung von Mann und Frau nach Art. 3 II 1 GG nicht an. Dieser Widerspruch zu unserem Menschenbild und zu unserer Werteordnung sei gleichzeitig eine Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 8 SG.

 

Art. 3 II 1 GG*/span>

Männer und Frauen sind gleichberechtigt.***

Art. 3 II GG ist ein Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Eine benachteiligende oder bevorzugende Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts ist danach untersagt. Zwar sind in Art. 3 II GG Männer und Frauen nebeneinander genannt, wonach man annehmen könnte, es ginge für beide um die gleiche Betroffenheit von Geschlechterdiskriminierung. Männer sind natürlich auch geschützt; rechtspolitisch fußt Art. 3 II GG aber auf der uralten, verwurzelten Benachteiligung von Frauen. Seine Aufnahme war damals also eine große (lang umstrittene) Errungenschaft der Mütter des Grundgesetzes.

 

Verletzung militärischer Dienstpflichten

Zurück nach Rheinland-Pfalz: Neben diesem Widerspruch zu Art. 3 II GG sei ein Verstoß des Zeitsoldaten gegen die Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Sinne des § 17 II SG gegeben. Eine Begrüßung per Handschlag wird zwar nicht explizit vorgeschrieben, doch in dem Verhalten des Soldaten sei dennoch hinreichend zu erkennen, dass er Kameradinnen nicht ausreichend respektieren würde. Dies stelle eine Gefährdung des militärischen Zusammenhalts dar, was sich auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auswirken könnte. Auch bezweifelte das OVG, ob der Soldat mit einer solchen Einstellung überhaupt in der Lage sei, den Auftrag der Bundeswehr zu erfüllen und dabei insbesondere auch für die Soldatinnen an seiner Seite einzustehen. Summa summarum: Es blieb bei der Entlassung des Zeitsoldaten. 

 

Der MAD

Zum Schluss noch kurz etwas zum MAD, der in der juristischen Ausbildung mit Sicherheit nicht im Rampenlicht steht. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei ihm um unseren dritten Nachrichtendienst neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst. Er findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 87a GG und ist auch dazu da, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu beschützen. Die Aufgaben des MAD – die seit 1990 gesetzlich geregelt sind – sind dem Wortlaut nach fast identisch mit denen der Verfassungsschutzbehörden. Allerdings gibt es eine immens wichtige Einschränkung in § 1 I 2. Hs. MAD-Gesetz. Hier wird nämlich verlangt, dass die Bestrebungen und Tätigkeiten, über die der MAD Informationen sammeln und auch auswerten darf, sich gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung richten müssen. Dadurch zählt der Militärische Abschirmdienst als Teil der Streitkräfte. 

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 - [**Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 I GG**](https://jura-online.de/lernen/allgemeiner-gleichheitssatz-art-3-i-gg/309/excursus?utm_campaign=Wusstest_du_OVG_RP_zu_Entlassung_eines_Soldaten)