Plastikfolie als “Schutzwaffe” gegen Pfefferspray?
Man nehme: Ein Gummiband, ein Stückchen Plastikfolie und das BVerfG. Ein Demonstrant legt gegen seine Verurteilung zu einer Geldstrafe Verfassungsbeschwerde ein. Mehrere Instanzen sahen in seiner Verwendung von Plastikfolie vor dem Gesicht eine verbotene Schutzwaffe gegen Pfefferspray..
Worum geht es?
Es geht um eine Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei, die schon ein paar Jahre zurückliegt: 2015 gab es größere Demonstrationen in Frankfurt am Main gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Stimmung war angespannt, es kam zu mehreren Ausschreitungen. Die Polizei sah sich gezwungen, Pfefferspray einzusetzen. Als die Polizei im Anschluss die Videoaufnahmen von der Demonstration auswertete, fiel ihr etwas auf, das nun vom BVerfG bewertet werden muss: Ein Stück Plastikfolie, die ein Demonstrant mit einem Gummiband an seinem Kopf befestigte und vor seinem Gesicht trug. Folien wie diese wurden vielfach an die Aktivisten verteilt, um sich vor dem Pfefferspray zu schützen.
Diese Folie stellt nach Auffassung mittlerweile mehrerer Instanzen einen Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot dar. Der Demonstrant, der durch die Polizei identifiziert werden konnte, wurde im Mai 2017 zu einer Geldstrafe in Höhe von 300 Euro verurteilt, was durch das Frankfurter Landgericht im März 2019 bestätigt wurde. Nun erhebt er Verfassungsbeschwerde.
Was sind Schutzwaffen?
Schutzwaffen werden in § 17a VersammlG geregelt. Im ersten Absatz der Norm heißt es:
Es ist verboten, bei öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.
Bei einer Versammlung darf sich nur ohne Waffen versammelt werden. Das bestimmt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Art. 8 I GG. Der Gesetzgeber sah es aber als notwendig an, den Waffenbegriff durch das Versammlungsgesetz zu konkretisieren – auch in passiver Hinsicht. Denn Schutzwaffen und Schutzgegenstände fallen nicht unter das Gebot der Waffenlosigkeit – trotz ihrer sprachlichen Bezeichnung sind sie nämlich gerade keine Waffen im Sinne des Art. 8 I GG.
Unter den Begriff „Schutzwaffe“ fallen daher keine Waffen im technischen Sinn, sondern vielmehr andere Gegenstände, die zur Verteidigung gegen Angriffe dienen. Dazu gehören insbesondere Schutzschilde, Gasmasken oder Körper-Panzerungen. Es wird deutlich: Plastikfolie fällt irgendwie nicht unter den Begriff Schutzwaffe.
Plastikfolie = Schutzgegenstand?
Es geht eher um die Frage, ob Plastikfolie ein Gegenstand ist, der als Schutzwaffe geeignet und dazu auch bestimmt ist, Maßnahmen der Polizei abzuwehren, was einzelfallbezogen bewertet werden muss. Üblich sind zum Beispiel Holzlatten oder Motorradhelme, die unter die Begrifflichkeit zu fassen sind. Solche Gegenstände werden immer dadurch zu tatbestandsmäßigen Schutzgegenständen, wenn der Täter sie auch zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen der Polizei einsetzt.
Vorinstanzen sind sich einig
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht in Frankfurt bewerteten den Einsatz der Plastikfolie als Schutzwaffe. Der Demonstrant hätte damit die Absicht gehabt, die Maßnahmen der Polizei – den Einsatz von Pfefferspray – abzuwehren. Es handele sich somit um einen Schutzgegenstand im Sinne des § 17a VersammlG.
Der Demonstrant und sein Rechtsbeistand bewerten die Rechtslage anders und legen deshalb auch Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Sie stützen sich dabei auf die Versammlungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Plastikfolie diente lediglich dazu, seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, betonte der Strafverteidiger. Er wies daraufhin, dass Pfefferspray bei Demonstrationen häufig widerrechtlich eingesetzt werde und es so zu ernsthaften Schäden kommen könne. Dabei bezieht er sich auf eine Zeugenaussage einer Polizistin, wonach mit Pfefferspray nur auf den Brustbereich gezielt werden dürfe, um die Atemwege zu reizen. Sollte Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht werden, sei dies ein illegaler Einsatz der Waffe. Deshalb könne Plastikfolie vor den Augen überhaupt nicht als Schutzgegenstand gegen polizeiliche Maßnahmen dienen, da diese polizeiliche Maßnahme eben nicht rechtmäßig sei.
Fazit
Obwohl Plastikfolien bei Versammlungen „aus der Mode gekommen sind“, erhofft sich der Demonstrant Erfolg. Für Klausursteller dürfte die Entscheidung des BVerfG spannend werden, da sie nochmal einen anderen Ansatzpunkt bietet, um die Versammlungsfreiheit abzuprüfen. Friedlich und ohne Waffen – und ohne Schutzwaffen.
Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten zu diesem Thema an:
- [**Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG**](https://jura-online.de/lernen/versammlungsfreiheit-art-8-gg/302/excursus?utm_campaign=BVerfG_zu_Schutzwaffenverbot).
- [**Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 23, 90 ff. BVerfGG**](https://jura-online.de/lernen/verfassungsbeschwerde-art-93-i-nr-4a-gg-13-nr-8a-23-90-ff-bverfgg/855/excursus?utm_campaign=BVerfG_zu_Schutzwaffenverbot).
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