Update im Organspende-Skandal: Arzt erhält 1,1 Millionen Euro Entschädigung

Update im Organspende-Skandal: Arzt erhält 1,1 Millionen Euro Entschädigung

Vertrag über die Tätigkeit in Jordanien (mündlich per Handschlag) glaubhaft dargelegt

Urteil im Organspendeskandal: Das LG Braunschweig hat dem im Göttinger Transplantationsskandal freigesprochenen Chirurgen eine Entschädigungssumme von rund 1,1 Millionen Euro zugesprochen, die das Land Niedersachsen an ihn zahlen muss. Der Arzt saß während des Skandals in Untersuchungshaft, weswegen er eine gut dotierte Stelle in Jordanien nicht antreten konnte.

 

Worum geht es?

Wir haben darüber berichtet: 2013 kam der frühere Leiter der Transplantationschirurgie der Uniklinik in Göttingen in Untersuchungshaft – ihm wurde in elf Fällen versuchter Totschlag sowie in drei Fällen Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Der Mann habe Patientendaten so manipuliert, dass bestimmte Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan weiter nach oben rutschten. Die Folge: Andere Patienten mussten dadurch länger auf ein notwendiges Organ warten. Dem Arzt wurde vorgeworfen, er habe ihren Tod billigend in Kauf genommen. Am Ende wurde der Angeklagte aber freigesprochen.

In einem neuen Gerichtsprozess forderte er nun vom Land Niedersachsen Schadensersatz, weil er ein lukratives Jobangebot nicht habe annehmen können. Ihm sei ein Projekt in Jordanien mit einem monatlichen Fixgehalt von 45.000 Euro angeboten worden. Diesen Verdienstausfall forderte er nun vom Land zurück. Daneben musste ein Familienangehöriger einen Kredit für die Kaution aufnehmen – auch dies ist Teil seiner Schadensersatzforderung.

 

Urteil des LG Braunschweig

Nun hat das LG Braunschweig über die Sache entschieden und verurteilte das Land Niedersachsen zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Der Anspruch auf Entschädigung entsteht dabei aus § 7 StrEG in Verbindung mit §§ 249, 252 BGB.
 § 7 I StrEG – Gesetz über die Entschädigung in Strafverfolgungsmaßnahmen

Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschafen, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

Als Vermögensschaden ist im Sinne des StrEG jede durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Beschuldigten anzusehen. Dazu zählen insbesondere auch der Verdienstausfall und der entgangene Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte erwartet werden können. Neben § 7 I StrEG regelt § 249 BGB grundlegend die Art und den Umfang des Schadensersatzes. § 252 BGB beinhaltet den entgangenen Gewinn.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass dem Kläger durch die Untersuchungshaft ein Verdienstausfall entstanden sei. Das spannende daran war insbesondere, dass der Vertrag über die Tätigkeit in Jordanien mündlich per Handschlag erfolgte. Das Gericht hatte aber keine Kosten und Mühen gescheut und die beteiligten Personen aus Jordanien für die Aufklärung des Sachverhaltes einfliegen lassen. Ein leitender Arzt einer jordanischen Klinik bestätigte die Schilderung des Angeklagten: Ja, es gab das Job-Angebot mit 50.000 US-Dollar im Monat und die Unterbringung in der Untersuchungshaft sei der einzige Grund dafür, dass der Vertrag nicht erfüllt werden konnte. Das Gericht schenkte dem Zeugen Glauben und stellte fest, dass dem Göttinger Arzt dadurch ein erstattungspflichtiger Verdienstausfall entstanden sei. Anspruch des Klägers: Zahlung auf Entschädigung in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro.

 

Freistellung von der Zinszahlung für Kaution

Daneben ging es auch um eine weitere strittige Geldsumme, die neben dem Verdienstausfall einen vergleichsweise „kleinen“ Betrag darstellt. Ein Familienangehöriger des Klägers hatte zur Zeit des Organspendeskandals einen Kredit aufnehmen müssen, um die Kautionszahlung in Höhe von 500.000 Euro begleichen zu können. Dafür seien ihm Zinsen in Höhe von 80.000 Euro entstanden. Die 7. Zivilkammer des LG Braunschweig stellte fest, dass auch Zinsen unter den Begriff des Vermögensschadens im Sinne des § 7 StrEG zu fassen sind. Der Familienangehörige müsse die Zinsen an den Darlehensgeber zahlen, wobei die Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen den Kläger habe treffen sollen. Davon stellte das Gericht den Kläger aber frei, sprich: Die Zinszahlung für die Kaution entfällt.

 

Bisherige Entschädigung: 8.500 €

Bisher hatte der Arzt eine Entschädigungszahlung in Höhe von 8.500 Euro für die Untersuchungshaft erhalten. Diese Summe ist auch in § 7 StrEG geregelt, nämlich im dritten Absatz:

 
Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

Dazu kommen nun die 1,1 Millionen Euro. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Sowohl der Arzt als auch das Land Niedersachsen können noch in die Berufung gehen.