Organspende-Skandal: Freigesprochener Arzt fordert Schadensersatz in Millionenhöhe

Organspende-Skandal: Freigesprochener Arzt fordert Schadensersatz in Millionenhöhe

Der Arzt fordert vom Land Niedersachsen 1,2 Millionen Euro – erhalten hat er bisher 8.500 Euro

Wer dachte, dass der berühmte Organspende-Skandal sein Ende fand, hat sich geirrt. Zumindest in zivilrechtlicher Hinsicht: Denn der freigesprochene Arzt fordert nun Schadensersatz in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Aufgrund der damaligen Untersuchungshaft habe er ein Jobangebot in Jordanien nicht annehmen können, welches ihm 45.000 Euro im Monat eingebracht hätte.

Worum geht es?

Doch worum ging es bei dem Skandal eigentlich? 2013 kam der frühere Leiter der Transplantationschirurgie der Uniklinik Göttingen in Untersuchungshaft. Ihm wurde in elf Fällen versuchter Totschlag sowie in drei Fällen Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Anklage führte aus, dass der Mediziner gegenüber der Organverteilungsstelle Eurotransplant systematisch Patientendaten derart manipuliert habe, dass bestimmte Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan weiter nach oben rutschten. Die Folge: Andere Patienten mussten dadurch länger auf ein notwendiges Organ warten. Dadurch habe der Arzt ihren Tod billigend in Kauf genommen.

Nach einem langwierigen Prozess wurde der Arzt aber vom LG Göttingen freigesprochen. Auch die Revision der Staatsanwalt hatte keinen Erfolg, der BGH bestätigte 2017 das Urteil. Das Handeln des Arztes sei zwar zweifelsohne moralisch verwerflich, hieß es damals, es habe aber kein Tötungsvorsatz festgestellt werden können.

“Der Angeklagte habe begründet darauf vertraut, dass etwa „übersprungene“ Patienten keinen gesundheitlichen Schaden erleiden oder gar versterben würden.“

Schadensersatzforderung in Höhe von 1,2 Millionen Euro

Nun steht der Arzt wieder vor Gericht, allerdings als Kläger. Er fordert vom Land Niedersachsen Schadensersatz in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Diese Summe soll sich wie folgt zusammensetzen: 

Zum einen bringt der Mediziner vor, dass er 500.000 Euro Kaution hinterlegen musste. Dadurch wurde seine Untersuchungshaft, in der er wegen Fluchtgefahr saß, nach elf Monaten außer Vollzug gesetzt. Für die Bereitstellung des Geldes musste seine Familie ein Darlehen aufnehmen, für das ca. 80.000 Euro Zinsen zu zahlen seien. Am Freitag erklärte das Gericht zwar, dass Aufwendungen für die Bereitstellung einer Kaution grundsätzlich ersetzt werden können; fraglich sei aber, ob der Mediziner selbst den Schaden habe, da das Darlehen von seinem Bruder aufgenommen wurde.

Der viel größere „Brocken“ sei aber, dass der Mediziner nach seinen Angaben durch die Untersuchungshaft ein lukratives Jobangebot aus Jordanien nicht annehmen konnte. Ihm sei ein Projekt mit einem monatlichen Fixgehalt von 45.000 Euro angeboten worden. Diesen Verdienstausfall fordert er nun vom Land zurück.

  • 7 I StrEG – Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen*

Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

Als Vermögensschaden ist im Sinne des StrEG jede durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Beschuldigten anzusehen. Dazu zählen insbesondere auch der Verdienstausfall und der entgangene Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte erwartet werden können. Berechnet wird der Vermögensschaden mit der Differenzhypothese: Die Vermögenslage wird also mit einer hypothetischen Vermögenslage verglichen, die ohne das schädigende Ereignis vorläge.

Spannend: Der Richter des LG erkundigte sich zu Beginn des Schadensersatzprozesses, wieso es keinen schriftlichen Vertrag mit der Klinik in Jordanien gebe. Darauf antwortete der Mediziner, dass die Vereinbarung mündlich per Handschlag getroffen worden sei. Um diese Aussage zu bestätigen, wurde extra der Geschäftspartner aus Jordanien eingeflogen. Warum das Gericht der Sache etwas skeptisch gegenübersteht: Arzt und Geschäftspartner aus Jordanien sind seit über 20 Jahren befreundet.

 

Bisherige Entschädigung: 8.500 Euro

Bisher hat der Arzt eine Entschädigungszahlung in Höhe von 8.500 Euro für die Untersuchungshaft erhalten. Diese Summe ist auch in § 7 StrEG geregelt, nämlich im dritten Absatz:
Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

Ob zu den 8.500 Euro jetzt noch 1,2 Millionen Euro hinzukommen oder nicht, muss das LG Braunschweig entscheiden.