Streitpunkt: Kausalität
Ein Heilpraktiker behandelte mehrere krebskranke Patienten, die allesamt an einem Hirninfarkt starben. Sie wurden von ihm mit demselben Zellgift BP-3 behandelt. Deshalb musste sich der 61-jährige Mann vor dem LG Krefeld verantworten.
Worum geht es?
Ein Heilpraktiker am Niederrhein musste sich kürzlich vor dem Krefelder Landgericht verantworten, weil im Jahr 2016 drei seiner Patienten innerhalb eines kurzen Zeitraumes starben und alle drei auf die gleiche Art und Weise von ihm behandelt wurden. Nun wurde er der fahrlässigen Tötung in drei Fällen für schuldig befunden – seine zweijährige Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
In den meisten Strafrechts-Klausuren, in denen die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB geprüft werden muss, wird der Schwerpunkt auf der Verletzung der Sorgfaltspflicht und dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang liegen. In dem vorliegenden Fall wird sich aber schon „vorher“ gestritten – die Verteidigung des Angeklagten hatte einen Freispruch gefordert, da die Kausalität zwischen Therapie und dem Tod nicht nachgewiesen sei. Für eine Strafbarkeit muss die Handlung des Täters den Tod verursacht haben.
Die Kausalität wird im Sinne der „conditio sine qua non-Formel“ bereits dann bejaht, wenn die Handlung äquivalente Bedingung für den Erfolg (also den Tod des Opfers) wurde. Das ist der Fall, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.
Der Rechtsbeistand des Heilpraktikers bezweifelte die Kausalität: Die Opfer seien schwer krebskrank gewesen und hätten im Vorfeld eine klassische Chemotherapie abgelehnt. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass sich die Opfer darüber im Klaren waren, dass sie sich bei einem Heilpraktiker auf eine experimentelle Therapie mit erheblichen Risiken einlassen würden. Ein Nachweis, dass die angewandte Behandlung des Angeklagten den Tod ursächlich herbeigeführt habe, bestünde nicht. Hintergrund: Heilpraktiker sind strikt von Ärzten und Psychotherapeuten zu unterscheiden, da für den Beruf des Heilpraktikers keine Ausbildung vorgeschrieben ist und dieser die Heilkunde ohne Approbation ausüben kann.
Das LG Krefeld beurteilte die Sachlage aber anders. Das Gericht sah die erforderliche Kausalität darin, dass der Tod der drei Patienten deutlich im Zusammenhang zu den verabreichten Infusionen stehen würde. Die Infusionen des hochwirksamen Zellgifts sollen zu den Hirninfarkten und schließlich zum Tode geführt haben. Eine andere Erklärung als das verabreichte Mittel gebe es nicht.
Staatsanwalt und Gericht sehen mehrfache Verletzung der Sorgfaltspflichten
Dem Angeklagten wurden von dem LG Krefeld schwere Verletzungen der Sorgfaltspflicht vorgeworfen – auch die Staatsanwalt war davon überzeugt, dass der Heilpraktiker bei der Behandlung mit dem Zellgift „alle Pflichten missachtet“ und somit grob fahrlässig gehandelt habe.
Um eine Verletzung der Sorgfaltspflicht feststellen zu können, gilt es zu fragen, ob der (vermeintliche) Täter die Sorgfalt angewendet hat, die von einem besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelnden zu erwarten ist.
Bei bzw. vor der Behandlung der Opfer habe der Heilpraktiker die Identität der gelieferten Substanzen nicht überprüft und die Infusionsflaschen unzureichend für eine angemessene Verwendung beschriftet. Die Behandlung mit dem Zellgift wurde darüber hinaus lediglich mangelhaft dokumentiert. Besonders schwerwiegend kritisierte der Staatsanwalt im Prozess, dass der Angeklagte seinen Patienten eine bis zu sechsfach tödliche Überdosis verabreicht haben soll. Deshalb liege in dem Fall auch der erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang vor. Mit dem Begriff wird ein Zusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem Eintritt des Erfolges verlangt – und zwar so, dass der Erfolg seinen Grund gerade in der Sorgfaltspflichtverletzung haben muss.
Der Heilpraktiker wandte ein, dass er bei der Dosierung des Mittels immer gleich vorgegangen sei, auch bei den drei Opfern. Zudem beteuerte er, dass er den Stoff in der Zeit vor dem Unglück mit gutem Erfolg verwendet habe. Deshalb vermutete er, dass der Wirkstoff in anderer Qualität als sonst an ihn geliefert wurde. Dies ließ sich aber nicht mehr klären – die Flaschen mit dem Wirkstoff wurden von ihm selbst bereits entsorgt.
Heilpraktiker dürfen keine verschreibungspflichtigen Medikamente verwenden
Letztendlich wurde dem Angeklagten zugute gehalten, dass er bisweilen nicht vorbestraft war. Außerdem bedauerte er die Vorfälle und wirkte an der Aufklärung mit. Dennoch wurde aufgrund des Urteils erneut der Beruf des Heilpraktikers kritisiert, hier von dem Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein. Er erklärte, dass Krebstherapien nicht in die Hände von Heilpraktikern gehörten. Zurzeit gibt es dazu keine gesetzliche Regelung. Kritiker bemängeln insbesondere, dass Heilpraktiker primär Behandlungsmethoden anwenden, die in ihrer Wirksamkeit nicht bestätigt sind. Ein Heilpraktiker darf keine verschreibungspflichtigen Medikamente verwenden – gerade bei schwerwiegenden Erkrankungen, wie im vorliegenden Fall die Krebserkrankung, kann ein Verzicht auf solch wirkende Medikamente gefährlich werden. Aus diesen Gründen wird vermehrt eine Novellierung des Heilpraktikergesetz gefordert.
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