VG München entzieht Co-Trainer der deutschen Biathlon-Nationalmannschaft die Waffenbesitzkarte
Biathlon – ein harter Sport. Die Kombination aus Kraft, Ausdauer und Präzision fasziniert jeden Winter tausende von Fans, die am Rand der Strecke den Sportlern beim Laufen und Schießen zujubeln. Ein Anhänger des Sports hat zurzeit aber keinen Grund zum Jubel – der ehemalige Biathlon-Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Ihm wurde seine waffenrechtliche Erlaubnis entzogen, sein Gewehr wurde ihm abgenommen. Grund: Er habe den Anschein erweckt, der Reichsbürgerideologie nahezustehen.
Worum geht es?
Reichsbürger werden vom Verfassungsschutz als eine „organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene, zersplitterte und vielschichtige Szene“ bezeichnet.
Was Reichsbürger verbindet? Ihre fundamentale Ablehnung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, inklusive der bestehenden Rechtsordnung. Die Bundesrepublik existiere nicht und sei vielmehr eine Firma, nämlich die BRD-GmbH. Geschäftsführerin? Angela Merkel. Und wir seien alle bloß ihr Personal, denn wir besitzen ja einen Personalausweis. Logisch, oder? Nicht wirklich. Aber gefährlich, denn im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2017 heißt es unter anderem:
Die Szene weist eine hohe Affinität zu Waffen auf. […] Reichsbürger […] sind bereit, ihre Waffen für schwerste Gewalttaten einzusetzen.
Der ehemalige Co-Trainer hatte gegen die Entziehung seiner Waffenbesitzkarte Klage eingereicht und sein Biathlongewehr zurückgefordert. Das VG München bestätigte aber nun die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns und wies die Klage ab. Die waffenrechtliche Erlaubnis wurde ihm entzogen, weil er durch diverse Schreiben im Jahr 2016 den Anschein erweckt hatte, der Reichsbürgerbewegung bzw. deren Ideologie nahezustehenDas ist aber kein Einzelfall. Seit 2017 sind allein beim VG München um die 70 Klagen von Waffenbesitzern eingegangen, die aufgrund des Reichsbürger-Verdachts nun waffenlos sind. „Klassiker“ für die Annahme, dass die Waffenfans als Reichsbürger einzustufen sind, sind dem VG München zufolge Angaben bei Behörden, die sich auf Gesetze aus 1913 beziehen oder es wird neben der deutschen, eine weitere (nicht existente) Staatsangehörigkeit angegeben – „Königreich Bayern“, zum Beispiel.
Waffenbesitz obliegt den Zuverlässigen
Dreh- und Angelpunkt im Waffenrecht (und somit auch in potentiellen Verwaltungsrechtsklausuren) ist § 5 WaffG. Die Norm regelt die Zuverlässigkeit, die die waffenrechtliche Erlaubnisvoraussetzung darstellt. Die Zuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der über den vorhandenen Negativkatalog hinaus erweitert werden kann. Wenn die Behörde nun die Waffenerlaubnis entziehen möchte, hangelt sie sich durch folgende Paragraphen: § 45 II 1 WaffG bestimmt, dass die Erlaubnis zu widerrufen ist, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nun muss § 4 I Nr. 2 WaffG herangezogen werden – die Erlaubnis ist zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt. Und gerade die Unzuverlässigkeit bei Anhängern der Reichsbürgerbewegung wurde schon vermehrt von den Verwaltungsgerichten festgestellt. Personen, die dieser verfassungsfeindlichen Bewegung zuzuordnen sind, können nach Ansicht aktueller Rechtsprechung keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die geltenden Normen im Waffenrecht beachten (weil sie diese ja gerade nicht anerkennen!). Dazu zählt insbesondere der sorgsame Umgang mit den Waffen und der Munition.
Abstreitung des Klägers erfolglos, denn der Verdacht genügt
Der Kläger versucht seit der Entziehung zu belegen, dass er nichts mit der ihm vorgeworfenen Szene zu tun habe. Eine potentielle Reichsbürgernähe wurde aber anscheinend durch die reichsbügertypischen Angaben des Klägers bei der Behörde deutlich genug. Er bezeichnete das Landratsamt Traunstein als privatwirtschaftliches Unternehmen und er selbst würde aus dem „Königreich Bayern“ kommen. Seine Versuche trafen aber nicht ins Schwarze, sie hatten keine Auswirkung auf das Urteil – die Distanzierung von der Reichsbürger-Ideologie blieb erfolglos. Sein aktueller Standpunkt kann aber relevant für die behördliche Entscheidung sein, wenn es irgendwann um die Frage geht, ob der ehemalige Biathlet eine neue Waffenerlaubnis beantragen darf.
Ob und inwieweit sich der Kläger seither vom Reichsbürgergedankengut distanziert habe, sei für die gerichtliche Entscheidung nicht maßgebend, da es allein auf den Zeitpunkt der behördlich ausgesprochenen Entziehung ankommt.
Darüber hinaus ist eine förmliche oder tatsächliche Mitgliedschaft gar nicht notwendig, um die Entziehung auf die Reichsbürgernähe zu stützen. Grund für die Unzuverlässigkeit sei, dass diese Personen der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgen und somit die Rechtsordnung in der Bundesrepublik – inklusive WaffG – nicht als verbindlich anerkennen.
Waffenrecht in der Klausur
Waffenrecht kann Prüfungsstoff sein – insbesondere, wenn der Prüfer den Schwerpunkt auf das allgemeine Verwaltungsrecht legt. Denn hier lässt sich herausfinden, ob der Umgang mit unbekannten Normen gelingt und ob Du imstande bist, unbestimmte Rechtsbegriffe wie die „Zuverlässigkeit“ sachverhaltsgerecht anzuwenden und auszulegen. Im Waffenrecht kommt dabei unterstützend der Katalog aus § 5 WaffG ins Spiel. In den Fällen des Abs. 1 wird die Unzuverlässigkeit unwiderlegbar vermutet. Abs. 2 der Norm enthält einen Katalog von sog. Regelunzuverlässigkeitstatbeständen, die eine widerlegbare Vermutung normieren – hier könnte also ein Gegenbeweis gelingen. Im Falle eines potentiellen Reichsbürgers wird die Unzuverlässigkeit mit § 5 I Nr. 2 begründet werden können: Die Nähe zum Reichsbürgertum ist eine Tatsache, die die Annahme rechtfertigt, dass Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet und nicht sachgemäß behandelt und verwahrt werden.
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