‘Fack Ju Göhte’ – der Name ist Programm
Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hatte es abgelehnt, den Filmtitel ‚Fack Ju Göhte‘ markenrechtlich zu schützen. Der Generalanwalt des EuGH bewertet die Rechtsfrage aber anders und spricht eine Empfehlung aus. Er schlägt dem Gerichtshof vor, die bisher ergangenen Urteile in der Rechtssache aufzuheben.
Worum geht es?
Vorhang auf für das (Unions-)Markenrecht: Die Produktionsfirma der deutschen Kinokomödie ‚Fack Ju Göhte‘ wollte den Filmtitel beim EUIPO als Unionsmarke anmelden.
Eine Unionsmarke ist ein Kennzeichenrecht für Waren oder Dienstleistungen. Sie ist ein registriertes Schutzrecht mit gemeinschaftsweiter Geltung. Mit der Eintragung erwirbt der Inhaber ein ausschließliches Recht an dem Zeichen.
Aber: Die Anmeldung wurde zurückgewiesen. Das EUIPO stützte ihre Entscheidung zum Nachteil der Produktionsfirma auf Art. 7 Abs. 1 lit. f (EG) Nr. 207/2009, denn es war der Auffassung, dass ‚Fack Ju Göhte‘ als Wortzeichen gegen die guten Sitten verstoßen würde.
Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 lautet:
Absolute Eintragungshindernisse:
(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind
*…f) Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen;…*
Gründe für die Ablehnung
Als die Produktionsfirma Beschwerde gegen die Ablehnung einlegte, hatte sie auch vor der Beschwerdekammer keinen Erfolg – Zurückweisung! Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass sich die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen zwar an den Allgemeinverbraucher, aber auch Kinder und Jugendliche richten würden. Dabei würde der Filmtitel aufgrund der Phonetik so wahrgenommen werden, dass ‚Fack ju‘ zu ‚fuck you‘ wird. Das sei ein geschmackloser Ausdruck mit anstößigem und vulgärem Charakter. Durch die Hinzuziehung des Wortes ‚Göhte‘ würde auf den Schriftsteller von Goethe abgestellt werden, der somit posthum in herabwürdigender Weise verunglimpft werde. Alles in allem würde der Filmtitel einen Verstoß gegen die „guten Sitten“ darstellen und wäre somit nicht für eine Eintragung als Unionsmarke geeignet. Und:
Der Umstand, dass mehrere Millionen Menschen die ‚Fack Ju Göhte‘-Filme gesehen haben, bedeute nicht, dass die Verbraucher nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.
Die Rechtsbeistände seitens ‚Fack Ju Göhte‘ argumentierten in den letzten Jahren erfolglos dagegen. ‚Fack‘ und ‚ju‘ bilden nach ihrem Dafürhalten sehr wohl genug Abstand zur Redewendung ‚fuck you‘ – das Anmeldezeichen stelle in seiner Gesamtheit ein per se kennzeichnungskräftiges Mehrwortzeichen dar, das originell und prägnant sei und einen offensichtlichen, für die relevanten Verkehrskreise ohne Weiteres erkennbaren satirischen, scherzhaften und verspielten Gehalt aufweise.
Um die Bemühungen deutlich zu machen, dass ‚Fack Ju Göhte‘ scherzhaft gemeint und auf einen Schulfrust von Schülern hinweise und von jugendlichem Slang geprägt sei, konnte das Gericht – bisweilen – nicht überzeugen. Denn: Laut Gericht sei es nicht erwiesen, dass die in Frage stehenden Zeichen (also der Titel ‚Fack Ju Göhte‘) wirklich als ein Scherz aufgefasst werden.
Die Einschätzung des Generalanwalts: Öffentliche Ordnung vs. die guten Sitten
Nun hat sich der Generalanwalt des EuGH der Sache angenommen und eine Empfehlung ausgesprochen. Er schlägt vor, die vorherigen Entscheidungen aufzuheben. Er bemängelt in erster Linie, dass die Voraussetzung des Verstoßes gegen die guten Sitten nicht getrennt von einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung geprüft wurde und so gewisser Kontext unberücksichtigt blieb, der für eine Entscheidung in der Rechtssache aber relevant sei.
In den Gerichtsverfahren wurde der Filmtitel ‚Fack Ju Göhte‘ speziell im Hinblick auf die guten Sitten im Gegensatz zur öffentlichen Ordnung geprüft. Das Gericht stellte aber auch fest, dass die beiden Rechtsbegriffe verschiedene Begriffe seien, dabei aber Überschneidungspunkte haben. Deswegen sei das EUIPO nicht verpflichtet gewesen, sie auch getrennt zu prüfen. Dem widerspricht der Generalanwalt:
Aus der Tatsache, dass sich beide Begriffe in manchen Fällen überschneiden können, folgt nicht, dass keine Verpflichtung besteht, sie auseinanderzuhalten. Am wichtigsten ist jedoch, dass, wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt, der begriffliche Unterschied zwischen ihnen bei ihrer jeweiligen Prüfung darauf Auswirkungen hat, was genau und wie es zu bewerten ist.
Die öffentliche Ordnung beschreibt einen normativen Bezugsrahmen von Werten und Zielen, der von der maßgebenden öffentlichen Stelle festgelegt wird. Es besteht also eine öffentliche Regulierungsautoriät; der Inhalt einer öffentlichen Ordnung kann sich durch offizielle Quellen, wie zum Beispiel Gesetze, objektiv feststellen lassen.
Die guten Sitten hingegen beziehen sich auf Werte und Überzeugungen, an denen eine bestimmte Gesellschaft festhält. Der Unterschied zur öffentlichen Ordnung ist, dass sie nicht von „ganz oben“ entwickelt werden, sondern sich aus der Mitte der Gesellschaft im Laufe der Zeit entwickeln. Ihre Feststellung verläuft anders als die der öffentlichen Ordnung:
Ihre Feststellung erfordert zumindest eine gewisse empirische Einschätzung dessen, was die maßgebende Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als akzeptablen Verhaltenskodex ansieht.
Der Generalanwalt kritisiert in seiner Empfehlung, dass sich das EUIPO bzgl. des Eintragungshindernis auf die guten Sitten beruft, ohne triftig genug einen Verstoß begründen zu können. Die Behörde beurteile das Wortzeichen isoliert und ausschließlich, ohne die Wahrnehmung in der Gesellschaft zu berücksichtigen und einen möglichen Kontext miteinzubeziehen. Die Filmproduktion machte in den verschiedenen Gerichtsverfahren oft genug darauf aufmerksam, dass ‚Fack Ju Göhte‘ im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich in den Kinos lief. Dafür sei der Titel auch ordnungsgemäß genehmigt und darüber hinaus auch für Jugendliche freigegeben worden. Als „i-Tüpfelchen“ auf der Argumentationsliste lässt sich
schließlich anführen, dass sogar das Goethe-Institut den Film ‚Fack Ju Göhte‘ in sein Lehrprogramm mit aufgenommen hat. Der Generalanwalt stellt fest, dass zwar keines der angeführten Argumente für sich allein entscheidend sei und dass wirtschaftlicher Erfolg nicht die Eintragung einer Marke beeinflussen dürfe. Es sind in der Summe aber starke Nachweise für die Wahrnehmung der Gesellschaft in Bezug auf die guten Sitten – dies hätte vom EUIPO stärker berücksichtigt werden müssen.
Aus diesen Gründen stuft der Generalanwalt die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 lit. f (EG) Nr. 207/2009 durch das Gericht als rechtsfehlerhaft ein. Hintergrundelemente, die für eine Beurteilung, ob die potentielle Unionsmarke mit den guten Sitten vereinbar sei oder nicht, wurden unberücksichtigt gelassen. Deshalb empfiehlt es sich, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Und weil wir jetzt so lange – mehr oder weniger – über ihn gesprochen haben: Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen; darum scheint es eine Torheit, sie wieder durch Worte vermitteln zu wollen. Zitat von Johann Wolfgang von Goethe.
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