BVerfG steht vor schwierigen Rechtsfragen

BVerfG steht vor schwierigen Rechtsfragen

Streit vor dem Bundesverfassungsgericht um den Facebook-Account der Partei “Der III. Weg”

Im Zusammenhang mit der Europawahl ergaben sich so einige Streitigkeiten zwischen den beteiligten Parteien und der medialen Welt. Vor einigen Wochen berichteten wir in diesem Zusammenhang zum Beispiel über den Streit um die Ausstrahlung eines NPD-Wahlwerbespots beim Zweiten Deutschen Rundfunk. Darüber hinaus entschied das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Tagen im Eilverfahren über die Sperrung des Facebook-Accounts der Partei „Der III. Weg“ und verdonnerte das Facebook-Unternehmen, den Account der Partei zumindest bis zum Feststehen des endgültigen Wahlergebnisses der Europawahl freizuschalten. Im weiteren Verfahren wird sich das Bundesverfassungsgericht möglicherweise zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten in einer spannenden Konstellation äußern, weshalb wir empfehlen, den Fall unbedingt im Blick zu behalten.

 

Worum geht es?

Konkret geht es um einen Facebook-Eintrag der Partei aus dem Januar 2019, der zu einem Beitrag auf der Homepage der Partei führt, in dem es unter anderem heißt:

„Im Zwickauer Stadtteil Neuplanitz gibt es zahlreiche Menschen, die man landläufig wohl als sozial und finanziell abgehängt bezeichnen würde. Während nach und nach immer mehr art- und kulturfremde Asylanten in Wohnungen in den dortigen Plattenbauten einquartiert wurden, die mitunter ihrer Dankbarkeit mit Gewalt und Kriminalität Ausdruck verleihen, haben nicht wenige Deutsche im Viertel kaum Perspektiven (…)“

Dieser Eintrag veranlasste das Facebook-Unternehmen dazu, die Sichtbarkeit des Beitrages einzuschränken und den Account der Partei dahingehend zu beschränken, als dass die Funktion für das Veröffentlichen von Beiträgen für 30 Tage gesperrt wurde. Als Begründung führte das Unternehmen an, dass der Beitrag als „Hassrede“ qualifiziert werden könne und somit gegen die Gemeinschaftsstandards verstoße. Auf den daraufhin unter Berufung auf die Meinungsfreiheit eingelegten Einspruch der Partei, löschte Facebook den Account der Partei vollständig.

Die Partei stellte daraufhin einen Antrag auf Eilrechtsschutz beim zuständigen Landgericht mit dem Begehren das Facebook-Unternehmen dazu zu verpflichten, den Partei-Account zu entsperren und wie gewohnt nutzbar zu machen sowie es zu unterlassen, die Sichtbarkeit des Beitrages zu beschränken. Der Antrag blieb jedoch beim Landgericht ohne Erfolg, und auch die gegen die Ablehnung eingereichte sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Die Partei wandte sich sodann im Eilverfahren an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

 

Keine Schaffung vollendeter Tatsachen im einstweiligen Rechtsschutz

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte zunächst klar, was die Besonderheit des einstweiligen Rechtsschutzes ist. Die Richter führten dazu aus, dass die „Schaffung vollendeter Tatsachen“ im Eilrechtsschutz grundsätzlich verhindert werden müsse und eine einstweilige Anordnung unter anderem die Aufgabe habe, „Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten“. Deshalb müssen – soweit die Hauptsache weder offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist – verfassungsrechtliche Abwägungen bei der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz zunächst außen vor bleiben. In einer Klausur wäre es im Zusammenhang übrigens besonders wichtig, das Stichwort der „Vorwegnahme der Hauptsache“ fallen zu lassen. Das bedeutet konkret, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich eine Folgenabwägung vornimmt, sobald der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache ungewiss ist. Die Folgenabwägung bezieht sich dabei auf die Folgen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, im Nachhinein die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache allerdings Erfolg hat und die Folgen, die sich daraus ergeben, wenn die einstweilige Anordnung zwar erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde als Hauptsache selbst aber keinen Erfolg verbuchen kann.  

Facebook ist kein Träger staatlicher Gewalt

Besonders interessant an dem vorliegenden Fall ist, dass kein typischer Fall eines Grundrechtseingriffes vorliegt. Denn: Facebook ist auch trotz seiner überragenden Marktstellung in der Bundesrepublik Deutschland kein Träger staatlicher Gewalt. Die Grundrechte als Abwehrrechte gelten allerdings grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Staat und Privatpersonen. Eine Ausnahme kann sich über die sogenannte mittelbare Drittwirkung von Grundrechten ergeben. Aber auch die Kammer merkt an:

„Für das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen sozialer Netzwerke und ihren Nutzern sind die Rechtsbeziehungen verfassungsrechtlich insoweit noch ungeklärt.”

Weiter heißt es:

„Auch ergibt sich aus den angegriffenen Entscheidungen nicht mit hinreichender Gewissheit, dass dem beanstandeten Beitrag bei Beachtung grundrechtlicher Maßstäbe ein strafbarer Inhalt entnommen werden muss und sich die Sperrung des Beitrages sowie des Nutzerkontos bereits hieraus rechtfertigen.”

Für die Kammer steht deshalb fest: In der Hauptsache sind so einige verfassungsrechtliche Fragen zu klären, die sich nicht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes beantworten lassen. Die Hauptsache ist deshalb nicht offensichtlich unbegründet, weshalb es entscheidend auf die oben beschriebene Folgenabwägung ankommt.  

Facebooks Privatautonomie nicht berührt

Für die Partei „Der III. Weg“ kam es – insbesondere im Vorfeld der Europawahl – entscheidend auf die Nutzung des sozialen Netzwerkes Facebook mit rund 30 Millionen Nutzern in Deutschland und der damit einhergehenden Vereinfachung der Wahlwerbung an. Dem steht die Privatautonomie des Facebook-Unternehmens gegenüber, in die mit einer Verpflichtung zur Entsperrung des Accounts der Partei eingegriffen würde. Bezüglich der Folgenabwägung wurden die Richter in Karlsruhe jedoch deutlich:

„Ihre Privatautonomie wird nur insoweit tangiert, als ihr eine Loslösung von der ursprünglich freiwillig eingegangenen Vertragsbeziehung vorläufig verwehrt wird. Sie wird dadurch nicht dazu verpflichtet, rechtswidrige oder gegen ihre Nutzungsbestimmungen verstoßende Beiträge ungeprüft vorhalten und verbreiten zu müssen”.

Das Recht des Unternehmens, Beiträge wegen eines Regelverstoßes zu löschen, bliebe in diesem Zusammenhang unberührt. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht die einstweilige Anordnung mit dem Inhalt erlassen, dass das Unternehmen den Account der Partei «bis zur Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vorläufig zu entsperren” habe.

Wir dürfen gespannt sein – gegebenenfalls erwartet uns noch ein Paukenschlag aus Karlsruhe.