Rechtliche Aspekte des Ibiza-Skandals

Rechtliche Aspekte des Ibiza-Skandals

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs?

Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung und nur knapp eine Woche vor der Europawahl stürzt ein von den Redaktionen des Spiegel und der Süddeutschen Zeitung veröffentlichtes Video Österreich in eine Krise. Neben der durchaus interessanten Frage, wie die österreichische Bevölkerung mit dem Skandalvideo in naher Zukunft umgehen wird, wirft der Fall vor allem auch juristische Fragen auf, die insbesondere für zeitnah anstehende mündliche Prüfungen von Relevanz sein dürften.

 

Worum geht es?

Zu sehen ist unter anderem der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch amtierende Vizekanzler Österreichs und sein Parteichef der FPÖ Heinz-Christian Strache, die sich in einer Villa auf Ibiza Ende Juli 2017 mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen über die (politische) Zukunft Österreichs unterhalten. In den auf den Videoaufnahmen gezeigten Gesprächen – die übrigens über mehrere Stunden gehen sollen und von denen die Redaktionen jeweils nur einzelne Abschnitte veröffentlichten – geht es im Kern darum, dass die russische Frau die Partei FPÖ mit ihrem Vermögen im Austausch für staatliche (Bau-)Aufträge finanzieren soll. Darüber hinaus ist der Kauf von großen Anteilen der sogenannten Kronen-Zeitung (größte Tageszeitung Österreichs) im Gespräch, wodurch mit Hilfe von gezielter Berichterstattung Einfluss auf Österreichs Politik ausgeübt werden soll. Es wird weiter über eine mögliche Parteiunterstützung gesprochen, die in Form eines gemeinnützigen Vereins „am Rechnungshof vorbei“ vorgenommen werden soll. Laut Strache und Gudenus wurde die Partei schon in der Vergangenheit so von einigen Unterstützern finanziert.

Wer hinter dem Video steckt, ist bislang ungeklärt und auch die Russin und ihr Begleiter sind auf dem Video nicht zu erkennen. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus legten nach der Veröffentlichung alle Ämter nieder, während die ÖVP die Regierungskoalition mit der FPÖ aufkündigte. Im September 2019 soll es Neuwahlen in Österreich geben. Doch wie ordnet man den Fall juristisch ein? Österreichische Politiker, die in Spanien heimlich gefilmt und dessen Aufnahmen von deutschen Redaktionen in Deutschland veröffentlicht wurden – wo ist der Fall rechtlich zu verorten und wer kann sich gegebenenfalls wie strafbar gemacht haben?  

Rechtliche Einordnung

Um den Fall juristisch aufarbeiten zu können, ist es wichtig, zwischen der Erstellung des Videos und der anschließenden Veröffentlichung zu unterscheiden. Würde sich herausstellen, wer die Verantwortlichen für die Videoaufnahmen sind, könnte – neben zivilrechtlichen Abwehransprüchen – eine Strafbarkeit gemäß § 201 a I Nr. 1 StGB in Betracht kommen. Dieser regelt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Ob die Aufnahmen allerdings den höchstpersönlichen Lebensbereich der gezeigten Personen betreffen, dürfte insbesondere wegen der politischen Themen fraglich sein. Das Tatbestandsmerkmal der “Höchstpersönlichkeit” scheint sich hier nicht zu erfüllen, da sie – hier auch im Wege der Grundrechtskollision der Presse- und Meinungsfreiheit – eng auszulegen ist und den unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung meint. Es müsste bei den Aufnahmen also einen inhaltlichen Bezug zu den besonders geschützten Themenbereichen der Sexualität, des Gesundheitszustandes oder zu der inneren Gedanken- und Gefühlswelt der gefilmten Personen geben. Die veröffentlichten Gespräche betreffen aber lediglich geschäftliche und politische Themen, mithin keine privaten Lebensbereiche der sogenannten Intimsphäre. Das Video soll allerdings insgesamt sechs Stunden lang sein – veröffentlicht wurden jedoch nur etwa sechs Minuten, sodass die Einschätzung hier lediglich auf diesen sechs Minuten erfolgen kann.  

Mögliche Strafbarkeit der Redaktionen

Bei der Frage um die Veröffentlichung durch die Redaktionen wird es juristisch hingegen deutlich interessanter. Denn: In dem Fall treffen – wie so oft, wenn es um eine Person des öffentlichen Lebens und die Presse geht – das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG und die Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 Var. 1 GG aufeinander. Es stellt sich nunmehr die Frage, zu welchem Ergebnis eine rechtliche Abwägung zwischen diesen beiden Rechten im konkreten Fall um das Strache-Video kommt.

Ausgangspunkt dürfte sein, dass grundsätzlich die Verbreitung von durch Pressemitarbeiter rechtswidrig erlangten Bild- und Tonaufnahmen nicht zulässig ist und sich der oder die Gezeigte generell gegen die Veröffentlichung wehren kann. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt diesen Grundsatz in seiner Rechtsprechung aber dann, wenn die Veröffentlichung für die öffentliche Meinungsbildung von erheblicher Bedeutung ist. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Wallraff-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1984. Dort hatte sich der „Aufklärungs-Reporter“ Günter Wallraff als freier Mitarbeiter in die Redaktion der „Bild“-Zeitung „geschlichen“ und Material über die redaktionelle Arbeit der Zeitung gesammelt, welches er später in einem Buch veröffentlichte. Im Leitsatz des Urteils heißt es:

 

„In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung einseitig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und für die Rechtsordnung nach sich ziehen.”

 

Zunächst ist klarzustellen, dass die Redaktionen des Spiegels und der Süddeutschen Zeitung angeben, das Video zugespielt bekommen und keine Verantwortung bzgl. der Aufnahme des Videos zu haben. Nach umfangreicher Echtheitsprüfung haben sich nach eigenen Angaben beide Redaktionen dazu entschlossen, jeweils Abschnitte des Videomaterials zu veröffentlichen. Persönliche Gespräche und Abschnitte in denen unter anderem auch abwertend über andere Personen gesprochen werde, seien dabei bewusst nicht veröffentlicht worden.

 

Und wo spielt der Fall nun rechtlich?

Auf dieser Grundlage scheint eine rechtliche Abwägung zwischen Pressefreiheit und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht eindeutig zugunsten der Pressefreiheit auszufallen. Dass der österreichische Vizekanzler einer illegalen Parteienfinanzierung Tür und Tor öffnen möchte, kann nur als äußerst relevant für die öffentliche Meinungsbildung eingeordnet werden. Die Veröffentlichung des Videos durch die beiden Redaktionen wird deshalb wohl als rechtlich zulässig bewertet werden müssen.

Aber wieso reden wir eigentlich über deutsche Normen, wenn es sich hier um österreichische Politiker handelt, die zudem auch noch in Spanien heimlich gefilmt wurden? Einschlägig ist hier trotzdem deutsches Recht, da die Aufnahmen in Deutschland und durch deutsche Redaktionen verbreitet wurden. Weitere Informationen über den Beschaffungsort gibt es bisher nicht.