Kammergericht zu dem vertragsimmanenten Konkurrenzschutz im Gewerbemietrecht

A. Sachverhalt

M hat von V in Berlin Räume zum Betrieb eines Friseursalons gemietet. Nachdem er anderweitig Kenntnis davon erlangt hatte, dass ab Juli 2018 ein weiterer Friseursalon von Frau H in dem Haus eröffnet werden sollte, bat er mit Mail vom 19.6.2018 an die von V beauftragte Hausverwaltung um ein Gespräch zur Klärung der Lage, “bevor der Konkurrent die Räumlichkeiten nebenan bezieht”. Ferner bat M darum, den Mietvertragsabschluss (sollte er noch nicht erfolgt sein) zu unterlassen. Am 22.6.2018 fand ein Gespräch statt, in dem der Hausverwalter erklärte, dass ein Gewerbemietvertrag mit Frau H bereits unterzeichnet sei. Mit Mail vom 22.6.2018 bat V um schriftliche Zusicherung bis zum 26.6.2018, die Besitzüberlassung an Frau H, die unter “R… Hair” Haarschnitte, Extensions, Haarfärbungen, Make Up und weitere Leistungen anbieten möchte, zu unterlassen.

 

Zu Recht?

 

B. Die Entscheidung des Kammergerichts (Beschl. v. 26.11.2018 – 8 W 58/18)

M könnte gegen V ein Anspruch auf Unterlassung der Übergabe der Räume an Frau H aus § 535 I 2 BGB zustehen.

 

Der BGH geht davon aus, dass sich aus einem Gewerbemietvertrag auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz ergeben könne. Dabei sei nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten sei:

„Bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts gehört es auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gemäß § 535 BGB, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen (sogenannter vertragsimmanenter Konkurrenzschutz, BGHZ 70, 79 ff. = NJW 1978, 585 zur Vermietung von Arztpraxisräumen; BGH Urteil vom 24. Januar 1979 - VIII ZR 56/78 - NJW 1979, 1404, 1405). Die Verpflichtung des Vermieters zum Schutz des Mieters vor Konkurrenz auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung beruht auf der Erwägung, dass es zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, dass der Vermieter den Mieter in dem vertraglich vereinbarten Gebrauch zum Betrieb des vereinbarten Geschäfts bzw. Gewerbes nicht behindert. Dabei ist der Vermieter allerdings nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist.

Zur Begründung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes für eine Arztpraxis hat der Bundesgerichtshof auf die Bedeutung des Umfelds für den Ertrag einer Arztpraxis abgestellt und ausgeführt, dass insbesondere dann, wenn eine Konkurrenz im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages im Haus oder in der Nachbarschaft noch nicht bestanden habe, die Annahme nahe liege, dass der bereits niedergelassene Arzt durch die Eröffnung einer Praxis im selben Hause erheblich beeinträchtigt werde. Deshalb gehöre es zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache, dass dem ersten Mieter auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung der Schutz vor Konkurrenz gewährt werde (BGHZ 70, 79, 84 f.).“ (BGH NJW 2013, 44)

 

Das Kammergericht konkretisiert die Generalklausel des BGH:

„Grundsätzlich setzt Konkurrenzschutz danach voraus, dass sich die Leistungen des Mieters und des Konkurrenten im “Hauptsortiment” überschneiden und an dieselben Verbraucherkreise richten (s. BGH NJW-RR 1986, 9 -juris Tz 18; OLG Düsseldorf GE 2010, 411; OLGR Bremen 2006, 371; OLG Köln ZMR 1998, 347; Senat KGR 2005, 173; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 13. Aufl., § 535 Rn 604; Ghassemi-Tabar in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, § 535 Rn 362, 364; Kraemer/Ehlert in: Bub/Treier, Handb. der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., III B Rn 2894).“

Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall eine Überschneidung des „Hauptsortiments“ vorliegt. Das Kammergericht bejaht das unter Hinweis darauf, dass auch Frau H im Kern typische Leistungen eines Friseursalons anbiete:

„Hauptleistung ist die Leistung, die den Stil des Geschäfts und das ihm eigentümliche Gepräge zumindest mitbestimmt (s. BGH NJW-RR 1986, 9, 10; WM 1968, 699, 700; LM Nr. 3 zu § 536 BGB). Es kann nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass Frau H… unmittelbare Konkurrentin des Antragstellers ist. Sie führt für ihren “Salon” die Geschäftsbezeichnung “R… Hair” und bietet primär typische Dienstleistungen eines Friseursalons an (Haarschnitt, Färben etc.). Daran ändert nichts die - zudem unsubstantiierte, nicht glaubhaft gemachte und damit als Schutzbehauptung anzusehende - Darstellung der Frau H… im anwaltlichen Schreiben vom 05.07.2018, dass das “klassische Friseurhandwerk mit Laufkundschaft” bei ihr nur eine “untergeordnete Rolle” spiele, da sie auf Beratungen und “ganzheitliche Typveränderungen” einschließlich Haar- und Wimpernverlängerungen, Haarfärben und Makeup-Beratung spezialisiert sei. Es handelt sich im Kern um typische Leistungen eines Friseursalons. So bietet auch der Antragsteller ausweislich seiner Preisliste neben der Haarpflege Färben von Wimpern und Augenbrauen und make up an. Frau H… tritt am Markt auch nicht mit einem gänzlich anderen “Konzept” als der Antragsteller auf (und wirbt nicht etwa nur um Kunden, die im Schnitt 300 EUR für eine 3 bis 5-stündige “ganzheitliche” Behandlung ausgeben wollen), sondern bietet ebenfalls das Waschen und Schneiden als klassische Leistungen des Friseurhandwerks an. Die aus den vorgelegten Anlagen ersichtlichen Preise der Frau H… und des Antragstellers rechtfertigen nicht die Annahme, dass diese sich an von vornherein getrennt zu betrachtende Verbraucherkreise richten.“

 

Als Rechtsfolge ergibt sich aus § 535 I 2 BGB ein Anspruch auf Unterlassung der Übergabe der Räume an Frau H (und bereits ein Anspruch auf Unterlassen des Abschlusses eines Mietvertrages):

„Der Vermieter, der wie vorliegend die Antragsgegnerin seine Pflicht zur Fernhaltung von Konkurrenz verletzt, ist verpflichtet, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen und eine Verstärkung des Zustands zu unterlassen (vgl. BGHZ 195, 50 Tz 47, 50). Hierzu gehört die mit einstweiliger Verfügung durchsetzbare Pflicht zur Verhinderung der Geschäftsaufnahme durch den Konkurrenten, insbesondere durch Unterlassen der Übergabe der Räume an ihn (s. OLG Hamm ZMR 1991, 295; Senat ZMR 2008, 616 und KGR 2005, 573; Sternel, Mietrecht, 4. Aufl., VII Rn 265; Ghassemi-Tabar in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, a.a.O., § 535 Rn 415).“

M steht damit gegen V ein Anspruch auf Unterlassung der Übergabe der Räume an Frau H aus § 535 I 2 BGB zu.

C. Fazit

Ergänzend sollte man noch wissen, dass der BGH sowohl in der Verletzung des vertragsimmanenten als auch des ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutzes einen Mangel der Mietsache i.S.v. §§ 536, 536a BGB sieht:

„Sowohl die Verletzung des sogenannten vertragsimmanenten als auch die des ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutzes stellen Störungen dar, die außerhalb der Mietsache liegen und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen können. …

In diesem vertragsgemäß geschuldeten Gebrauch wird der Mieter durch die Verletzung des sogenannten vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes unmittelbar beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung stellt sich für jeden Mieter, der die Sache zu dem gleichen Zweck benutzen will, als Mangel dar.“