OLG Oldenburg: Rücktritt von einem Kaufvertrag über ein "schwieriges" Pferd?

A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)

K ist US-amerikanische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in New York. B ist wohnhaft in Deutschland, Salzbergen.

K begann, nachdem sie bereits als Kind geritten war, im Jahre 2010 im Alter von 58 Jahren Reitunterricht zu nehmen. Auf Empfehlung ihres Trainers erwarb sie im Jahre 2011 vom B ein fünfjähriges und ein sechsjähriges Pferd. Das jüngere Pferd konnte von der K als Reitanfängerin nicht geritten werden. Das ältere Pferd konnte wegen gesundheitlicher Probleme nur eingeschränkt geritten werden.

Im Juli 2012 beabsichtigte die K den Erwerb eines neuen Pferdes. Sie suchte ein braves bzw. umgängliches und leichtrittiges sowie lektionssicheres Pferd, das für sie als Reiterin mit geringen Erfahrungen bzw. als Lehrpferd („schoolmaster“) geeignet sein sollte. B erklärte sich bereit, ein Pferd mit einem solchen Anforderungsprofil für die Klägerin zu suchen.

Im Sommer 2012 stellte ihr der B einen achtjährigen Holsteiner vor, dessen Erwerb für sie als Reitanfängerin nicht in Frage kam. Bei einem weiteren Besuch der K in Deutschland im März 2013 stellte der B ihr unter anderem das neunjährige Pferd C für einen Kaufpreis von 55.000 € vor. Die K ritt das Pferd bei den Voreigentümern, der Zuchtgemeinschaft Z, dreimal zur Probe, wobei das Pferd beim Aufsitzen jeweils festgehalten worden ist. Auch ihr Trainer ritt das Pferd zur Probe. Die K entschied sich, das Pferd zu kaufen.

Die Parteien vereinbarten, dass das Pferd C zum Hof der mit der K befreundeten Familie F geliefert werden sollte, die einen Ausbildungsstall für Pferde betreiben. C sollte von Dr. X zunächst weiter ausgebildet werden, wofür diese eine Vergütung von 1.000 € erhalten sollte.

Mit E-Mail an den B vom 25.4.2013 bestätigte die K, dass sie das Pferd zum Kaufpreis von 55.000 € kaufen wolle und bat ihn um die Mitteilung seiner Bankdaten.

Nachdem B mit E-Mail vom 29.4.2013 seine Bankdaten mitgeteilt hatte, überwies die K am 30.4.2013 einen Betrag von insgesamt 56.000 € auf das von B angegebene Konto. B leitete einen Teilbetrag von 1.000 € vereinbarungsgemäß an Dr. X weiter.

Am 07.5.2013 lieferte B das Pferd auf dem Hof der Familie F ab. Am selben oder am folgenden Tag begann zunächst der im Ausbildungsstall tätige Bereiter D mit dem Pferd umzugehen, es zu longieren und zu reiten. Im Anschluss versuchte Dr. X, das Pferd zu reiten. Dabei kam es jeweils aufgrund des Verhaltens des Pferdes zu Schwierigkeiten.

Am 9.5.2013 entschied sich die Klägerin nach Rücksprache mit Dr. X, dass sie am Kauf des Pferdes nicht festhalten wollte. Am 16.5.2013 übersandte die K dem B eine Email, die folgenden Inhalt hatte:

„Ich habe gestern mit Dr. X über C  gesprochen und die Situation geschildert. C ist schon im Umgang kein sicheres Pferd für mich. Ich kann kein Pferd kaufen, das nicht logiert werden kann. Ich habe nicht die Möglichkeiten, ein solches Pferd selbständig zu handhaben und es gibt sehr viele Situationen, wo ich beim Reiten auf mich allein gestellt bin, ohne Hilfe. Niemand hatte mir zuvor diese Probleme von C geschildert und wenn ich es vor meiner Reise nach Deutschland gewusst hätte, dass das Pferd überhaupt nicht longiert werden kann, hätte ich es von Anfang an als nicht in Betracht kommend zurückgewiesen. Ich bin eine Amateurreiterin, die ein Pferd kaufen will als Lehrpferd, geeignet für einen Amateurreiter. Selbst wenn die geschilderten Probleme mit C  durch einen Profi in den Griff zu kriegen sind, kann ich für mich nicht das Risiko in Kauf nehmen, von einem Pferd verletzt zu werden, das ich aufgrund seiner Eigenschaften nicht kontrollieren kann. Es tut mir leid, C muss zurück. Ich werde das Pferd nicht nehmen. Meine Bankdaten mit der Rücküberweisung des Kaufpreises teile ich dir nachstehend mit.“

 

In der Folgezeit zahlte der Beklagte den Kaufpreis nicht zurück. K verlangt nun von B die Rückzahlung von 55.000 Euro. Zu Recht?

Bearbeitervermerk: Es gilt deutsches Recht. Verjährung ist nicht zu prüfen.

 

B. Die Entscheidung des OLG Oldenburg (Urt. v. 1.2.2018 –1 U 51/16)

K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 55.000 Euro aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 BGB zustehen.

 

I. Kaufvertrag

Die Parteien sind durch einen Kaufvertrag über das Pferd C zu einem Kaufpreis in Höhe von 55.000 Euro verbunden. In dem Mailverkehr aus April 2013 liegen Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB):

„Eine Einigung über den Erwerb des Pferdes könnte bereits durch mündliche Erklärungen nach der Besichtigung des Pferdes bzw. den durchgeführten Proberitten seitens der Klägerin im März bzw. April 2013 zustande gekommen sein. Jedenfalls aber ergibt sich ein Vertragsschluss daraus, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit E-Mail vom 25.04.2013 (Anlage K 1) bestätigte, dass sie beabsichtige, das Pferd für den vereinbarten Kaufpreis von 55.000 € zu erwerben, und sie daraufhin am 30.04.2013 – nachdem der Beklagte auf ihre Bitte hin mit Email vom 29.04.2013 (Anlage K 2) seine Kontoverbindung mitgeteilt hatte – den genannten Kaufpreis an den Beklagten überwiesen hat. Spätestens mit der Zahlung des Kaufpreises hat die Klägerin ein Angebot über den Erwerb des Pferdes angenommen. Der Beklagte hat den Kaufpreis unstreitig erhalten und das Pferd vereinbarungsgemäß am 07.05.2013 zum Hof der Familie ….. geliefert.  „

 

II. Mangelhaftigkeit der Kaufsache

Fraglich ist, ob das Pferd mangelhaft ist (vgl. Einleitungssatz von § 437 BGB). Hier könnte ein Sachmangel im Sinne von §§ 434, 90a BGB bestehen. Gemäß § 434 I 1 BGB, der nach § 90a S. 3 BGB auf Tiere entsprechend anwendbar ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang (in der Regel die Übergabe, s. § 446 BGB) die vereinbarte Beschaffenheit hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kaufsache mangelhaft ist, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Für eine Beschaffenheitsvereinbarung in diesem Sinne müssten sich K und B über eine bestimmte Beschaffenheit des Pferdes geeinigt haben (§§ 145 ff. BGB).

Das OLG bejaht einen Sachmangel im Sinne von § 434 I 1 BGB:

„Die Parteien haben eine Beschaffenheitsvereinbarung übereinstimmend jedenfalls dahin vorgetragen, dass es sich um ein braves bzw. umgängliches und leichtrittiges sowie lektionssicheres Pferd handeln sollte, das für die Klägerin als Reiterin mit geringen Erfahrungen bzw. als Lehrpferd geeignet sein sollte. In ihrer jeweiligen Anhörung vor dem Senat haben die Parteien dies übereinstimmend bestätigt.

Das Pferd entsprach dieser Beschaffenheitsvereinbarung bei Gefahrübergang nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei C….. nicht um ein umgängliches, leichtrittiges Pferd handelte, das für einen Reiter mit geringen Erfahrungen geeignet ist. Das Pferd setzt im Umgang vielmehr besondere Erfahrungen voraus und lässt sich insbesondere nicht bzw. nur ungern longieren und einen Reiter nicht ohne Weiteres aufsteigen.“

 

III. Fristsetzung

Grundsätzlich ist nach § 323 I BGB ein Rücktritt nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer zuvor erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) gesetzt hat. Eine solche Fristsetzung lag hier nicht vor. Möglicherweise war die Fristsetzung aber entbehrlich.

Fraglich ist, ob sich die Entbehrlichkeit aus § 323 II Nr. 1 BGB ergibt. Der BGH stellt hier hohe Anforderungen und verlangt, dass es sich um „das letzte Wort“ handeln müsse. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen In dem Bestreiten des Mangels durch B liegt daher noch keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 323 II Nr. 1 BGB.

Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung könnte sich aber aus § 326 V BGB(*) ergeben. Dann müsste der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 439 BGB wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) ausgeschlossen sein. Das OLG verweist hier darauf, dass eine Nachbesserung von vornherein ausscheide und eine Nachlieferung bei einem Stückkauf über ein Pferd nur ausnahmsweise möglich sei:

„Einer Rückabwicklung des Kaufvertrages steht nicht entgegen, dass die Klägerin ohne weitere Fristsetzung zur Nacherfüllung zurückgetreten ist, da dem Beklagten eine Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB unmöglich war (§ 275 Abs. 1 BGB). Eine hier allein in Betracht kommende Lieferung einer Ersatzsache scheidet bereits deshalb aus, weil nicht dargelegt oder erkennbar war, dass das Pferd nach dem Willen der Beteiligten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses austauschbar sein sollte (vgl. dazu OLG Frankfurt ZGS 2011, 284). Dagegen spricht bereits, dass sowohl die Klägerin als auch ihr Trainer das Pferd wiederholt zur Probe ritten und zu diesem Zweck aus den USA nach Deutschland reisen mussten.“

 

IV. Rücktrittserklärung

Die nach § 349 BGB erforderliche Rücktrittserklärung der K – vertreten durch seinen Rechtsanwalt – liegt in Form der Mail vom 16.5.2013 vor. Dabei genügt der erkennbare Wille der K (§§ 133, 157 BGB), an dem Vertrag nicht festhalten zu wollen; das Wort „Rücktritt“ muss nicht gebraucht werden.

 

V. Ausschlussgründe

Der Senat verneint einen Ausschluss nach § 442 I BGB:

„Der Klägerin ist es nicht nach § 442 Abs. 1 BGB verwehrt, sich auf den Sachmangel zu berufen. Selbst wenn sie - wie der Beklagte behauptet - während des Probereitens erfahren haben sollte, dass sich das Pferd beim Aufsteigen ängstlich verhält bzw. etwas schreckhaft reagiert, wenn man versucht, sich auf dem Pferd die Jacke auszuziehen, ist gleichwohl nicht davon auszugehen, dass ihr der Sachmangel bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Es ist nicht erkennbar, dass sie allein aufgrund einer (unterstellten) Kenntnis der genannten Umstände darauf hätte schließen müssen, dass das Pferd im Umgang für einen Anfänger bzw. einen Reiter mit geringer Erfahrung insgesamt nicht geeignet ist.“

 

VI. Gegenrechte des B

B kann seinerseits die Herausgabe und Rückübereignung des Pferdes verlangen (§ 346 I BGB); beide Ansprüche sind daher Zug-um-Zug zu erfüllen (§§ 348, 320, 322 BGB).

C. Fazit

Kaufrecht. Pferd. Alles drin, was Prüfungsämter lieben.

  • In einer früheren Version hieß es an dieser Stelle “§ 323 VI BGB”. Es handelt sich hier aber um den § 326 V BGB. Korrigiert am 12.05.2019, 21:36 Uhr.