A. Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts ließen sich die beiden Angeklagten von französischen Rennplätzen aus die Ergebnisse bestimmter einzelner Pferderennen sogleich nach deren Ende durch ihren Partner Josef M. fernmündlich mitteilen. Sie setzten dann sofort in Berliner Wettbüros, denen zwar der Beginn dieses Rennens schon bekannt war, das amtliche Ergebnis aber erst wenige Minuten später zuging, auf die erfolgreichen Pferde und gewannen dadurch Geld.
B. Worum geht es?
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage der Angeklagten wegen (gemeinschaftlichen) Betruges (§ 263 StGB). Der objektive Tatbestand setzt zunächst eine Täuschung über Tatsachen voraus. Diese kann ausdrücklich, konkludent (stillschweigend) oder durch Unterlassen erfolgen. Letzteres setzt indes eine Offenbarungspflicht (§ 13 StGB) voraus, die hier indes nicht aus dem Spielvertrag herzuleiten sei:
„Eine Rechtspflicht zur Offenbarung mag im umgekehrten Falle der Buchmacher deshalb haben, weil er vom amtlichen Ergebnis des Rennens benachrichtigt wird, weil der Kunde dies weiß und sich auf die Mitteilung des Buchmachers verläßt. Diese Frage hat der Senat indessen nicht zu entscheiden. Bei dem Kunden fehlt es jedenfalls an solchen Umständen, die eine Offenbarungspflicht begründen könnten. Der Spielvertrag allein erzeugt sie nicht.“
Da die Angeklagten auch nicht ausdrücklich erklärt haben, dass sie den Ausgang der Rennen noch nicht kennen würden, kommt eine konkludente Täuschung nur dann in Betracht, wenn man dem Abschließen der Wette einen entsprechenden Erklärungsgehalt beimessen würde. Der BGH hatte damit folgende Frage zu beantworten:
„Erklärt ein Spieler, der in einem Wettbüro eine Wette über ein auswärtiges Rennen eingeht, das schon begonnen hat (“Spätwette”), damit, das Ergebnis dieses Rennens noch nicht zu kennen?“
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH verneint im Spätwetten-Fall (Urt. v. 20.6.1961 – 5 StR 184/61 (BGHSt 16, 120 ff.)) eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betruges. Ein Spieler, der in einem Wettbüro eine Wette über ein auswärtiges Rennen eingeht, das schon begonnen hat (“Spätwette”), erkläre damit allein nicht, das Ergebnis dieses Rennens noch nicht zu kennen. Wenn er es kennt, habe er auch keine Offenbarungspflicht.
Zunächst stellt der BGH dar, dass das Reichsgericht in einem ähnlichen Falle die Verurteilung wegen Betruges mit folgender Begründung gebilligt habe (RGSt 62, 415):
„Rennwetten seien Spielverträge, bei denen der Gewinnfall von einem noch Ungewissen Ereignis, nämlich von dem Ausgange des Rennens, für die Spieler also von einem Zufall abhänge. Die noch mögliche Spekulation auf den Zufall sei Beweggrund und Inhalt der Rennwette. Daß der Gewinnfall noch ungewiß sei, gehöre daher zum beiderseits stillschweigend anerkannten Vertragsinhalt jeder Rennwette. Daraus folge, “daß beide Teile sich stillschweigend ein entsprechendes Wissen bezüglich jener Ungewißheit zusichern”.“
Dem tritt der Senat indes entgegen:
„Diese Folgerung trifft nicht zu, wie die Revision des Angeklagten G. mit Recht ausführt. Denn wenn die Rennwette, wie es die Regel ist, vor dem Beginn des Rennens geschlossen wird, können beide Parteien seinen künftigen Ausgang nicht kennen. Sie haben keinen Anlaß, sich diese selbstverständliche Unkenntnis gegenseitig zuzusichern. Für die Annahme einer solchen stillschweigenden Erklärung ist, wenn das Rennen noch bevorsteht, kein Raum. Der Satz, sie sei Inhalt jeder Rennwette, stimmt also nicht. Darum trifft auch der Schluß nicht zu, den das Reichsgericht aus dieser unrichtigen Voraussetzung für eine bestimmte Art von Rennwetten zieht: wer eine Wette über ein soeben durchgeführtes Rennen (Spätwette) eingehe, erkläre damit dem anderen Teile stillschweigend, das Ergebnis noch nicht zu kennen.
Die Annahme einer solchen stillschweigenden Erklärung laßt sich auch nicht auf andere Weise rechtfertigen. Sie ist vielmehr eine willkürliche Konstruktion. In Wahrheit erklärt der Spieler dem Buchmacher nichts Falsches über seine Kenntnis, sondern verschweigt sie ihm nur.“
D. Fazit
Welchen Erklärungswert hat das Eingehen einer Wette? Eine Frage, die der BGH im Spätwetten-Fall recht restriktiv beantwortet und deswegen die Angeklagten, die den Gegenstand der Wette nicht manipuliert, sondern sich einen Informationsvorsprung zunutze gemacht haben, freigesprochen hat. In den nächsten Wochen werden wir weitere Entscheidungen zu dem Thema vorstellen, die zu anderen Ergebnissen kommen.
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