A. Sachverhalt
Die 35 Jahre alte B begehrt die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die ihr im Ausgangsverfahren wegen Unwürdigkeit im Sinne des § 7 Nr. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verweigert wurde.
Im Rahmen ihres Rechtsreferendariats wurde die B im September 2010 einem Staatsanwalt zur Einzelausbildung in Strafsachen zugewiesen. Im Laufe der Station kam es zwischen beiden sowohl wegen fachlicher Belange als auch aus persönlichen Gründen mehrfach zu Auseinandersetzungen. Der ausbildende Staatsanwalt beurteilte die Beschwerdeführerin im abschließenden Stationszeugnis mit der Note „befriedigend“. Die B empfand dies als ungerecht. Ihrer Ansicht nach enthielt das Zeugnis Unwahrheiten und war Ausdruck einer Benachteiligung wegen ihres Migrationshintergrundes.
Sie wandte sich nach Erhalt der Beurteilung im Februar 2011 per E-Mail an ihren Ausbilder. Darin äußerte sie sich auszugsweise wie folgt:
„Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo.
Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out. Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht. Nun, ich beglückwünsche Sie zu diesem strahlenden Sieg, genießen Sie ihn aufrichtig, kosten Sie ihn bloß richtig aus - denn während es für mich nur ein unerhebliches Ärgernis ist (welches mich, zugegeben ziemlich in meinem Rechtsempfinden berührt), ist es für SIE der Höhepunkt Ihres Lebens. Etwas Schöneres wird Ihnen während Ihrer armseligen Existenz nie erfahren.“
In dem sich anschließenden Ermittlungsverfahren wandte sich die B im April 2011 per E-Mail an die zuständige Oberstaatsanwältin und führte darin unter anderem aus:
„Ich bestaune die Praxis der Staatsanwaltschaft A., Rechtsbrüche zu verfolgen, ohne sich selber an das Recht zu halten. Sollte das eine Frage der inneren Einstellung sein, gehören Sie nicht in den Justizdienst. Sollte das intellektuell bedingt sein, so besuchen Sie doch noch einmal eine Grundstudiumsvorlesung.“
Im April 2013 wurde B wegen Beleidigung des Staatsanwalts vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit Februar 2014.
Bereits im Juni 2012 bestand B die Zweite Juristische Staatsprüfung. Im August 2014 beantragte sie ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer abgelehnt. B habe sich mit der Beleidigung ihres Einzelausbilders und der Äußerung gegenüber der Oberstaatsanwältin während des laufenden Ermittlungsverfahrens eines Verhaltens schuldig gemacht, das sie gemäß § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig erscheinen lasse, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Die Taten ließen befürchten, dass B ihre berufliche Stellung als Rechtsanwältin nicht, wie dies geboten sei, ordnungs- und pflichtgemäß ausüben werde.
Darüber hinaus spreche auch eine frühere Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage für die Annahme ihrer Unwürdigkeit. Die Tat liege zwar schon länger zurück. Trotz Ablauf der Tilgungsfrist bestehe jedoch gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 4, Halbsatz 1, 1. Alternative des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG) ausnahmsweise kein Verwertungsverbot, weil es um die Zulassung zu einem Beruf gehe und eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit im Falle der Zulassung der B nicht ausgeschlossen werden könne.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage ist durch den Anwaltsgerichtshof abgewiesen worden. Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung beim BGH ebenfalls.
B erhebt form-und fristgerecht Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung von Art. 12 GG. Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?
B. Die Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 22.10.2017 – 1 BvR 1822/16)
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG.
B, die als natürliche Person grundrechtsfähig und damit „jedermann“ i.S.v. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG ist, wendet sich gegen den Versagungsbescheid der Rechtsanwaltskammer, das abweisende Urteil des Anwaltsgerichtshofs und den zurückweisenden Beschluss des BGH. Dabei handelt es sich um Akte der öffentlichen Gewalt – hier der Exekutive und der Judikative, die nach Art. 1 III GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind – und damit um taugliche Beschwerdegegenstände (Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG).
Die Entscheidungen betreffen B selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG, weswegen sie beschwerdebefugt ist (§ 90 I BVerfGG). Weitere ordentliche Rechtsmittel gegen den Beschluss des BGH, mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, stehen B nicht mehr zu (§ 112e S. 2 BRAO, § 124a V S. 4 VwGO). Der Rechtsweg ist damit erschöpft (§ 90 II 1 BVerfGG). Andere Möglichkeiten, den Beschluss (ggf. inzident) einer Überprüfung zu unterziehen, bestehen nicht, sodass auch der Grundsatz der Subsidiarität der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegensteht. Die Verfassungsbeschwerde ist damit zulässig.
II. Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit die angegriffenen Entscheidungen B in seinen Grundrechten oder in Art. 93 I Nr. 4a GG genannten (grundrechtsgleichen) Rechten verletzt. Das BVerfG stellt indes keine „Super-Revisionsinstanz“ dar, weswegen sein Prüfungsmaßstab auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt ist, d.h. auf die Frage, ob bei der Anwendung des einfachen Rechts der Bedeutung und Einfluss der Grundrechte verkannt wurde:
„Auslegung und Anwendung einer Norm obliegen primär den Fachgerichten und sind vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf zu überprüfen, ob Auslegungsfehler enthalten sind, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 ; 85, 248 ; 134, 242 ; stRspr). Dazu kann es im Zusammenhang mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit insbesondere dann kommen, wenn mit den entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen grundrechtliche Belange nicht in ein angemessenes Verhältnis gebracht worden sind (vgl. BVerfGE 97, 12 ; BVerfGK 6, 46 ; 10, 13 ; 10, 159 ; stRspr).“
Hier kommt eine Verletzung der **Berufsfreiheit nach Art. 12 I 1 GG**in Betracht.
1. Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 I GG
Durch die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird B die Wahl eines Berufs verwehrt, für den sie die fachlichen Voraussetzungen hat und dessen Ausübung sie als Grundlage ihrer Lebensführung anstrebt. Das stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 I 1 GG dar.
2. Rechtfertigung
Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn die Versagung verfassungsgemäß ist, also insbesondere das Grundrecht der B aus Art. 12 I 1 GG hinreichend beachtet wurde.
a. Schranke
Die Berufsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet. Art. 12 I 2 GG gestattet es dem Gesetzgeber, die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu regeln. Bei Art. 12 I GG handelt es sich um ein „einheitliches Grundrecht“, weswegen sich der Regelungsvorbehalt auch auf die Berufswahlfreiheit (Art. 12 I 1 GG) bezieht. Das BVerfG versteht den Regelungsvorbehalt im Ergebnis wie einen („normalen“) Gesetzesvorbehalt.
b. Verfassungsmäßige Gesetzesgrundlage
Das BVerfG hält § 7 Nr. 5 BRAO für verfassungskonform und damit für eine Regelung, die Eingriffe in die Berufsfreiheit grds. rechtfertigen könne, wobei sie im Lichte von Art. 12 I GG einschränkend auszulegen sei:
„§ 7 Nr. 5 BRAO begegnet als Eingriffsgrundlage keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Versagungsgrund der Unwürdigkeit lässt sich mit der hohen Bedeutung der Rechtsanwaltschaft für die Rechtspflege und ihrer damit herausgehobenen Stellung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 63, 266 ). Auch die tatbestandliche Weite der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 26, 186 ; 36, 212 ; 63, 266 ). Die Vorschrift ist vielmehr im Lichte der Berufsfreiheit einschränkend auszulegen (vgl. BVerfGE 63, 266 ). Ein Bewerber kann daher nicht allein deswegen als unwürdig im Sinne des § 7 Nr. 5 BRAO angesehen werden, weil sein Verhalten im beruflichen Umfeld oder im gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt (vgl. Schmidt-Räntsch, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 7 BRAO Rn. 33). Erforderlich ist in der Regel vielmehr, dass das von ihm gezeigte Fehlverhalten auch geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zu beeinträchtigen.“
c. Verfassungskonforme Anwendung der Gesetzesgrundlage / Verhältnismäßigkeit
Die Prüfung der verfassungskonformen Anwendung von § 7 Nr. 5 BRAO durch Rechtsanwaltskammer und Gerichte beschränkt sich auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Schon der Wortlaut von Art. 12 I GG legt nahe, dass Eingriffe in die nach Art. 12 I 1 GG „freie“ Berufswahlfreiheit nur unter strengeren Anforderungen zulässig sind als Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit, die nach Art. 12 I 2 GG „geregelt werden kann“. Das BVerfG hat diesen Gedanken konsequent fortgeführt und bekanntlich schon früh eine besondere Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung entwickelt, die heute unter dem Namen Drei-Stufen-Theorie berühmt ist:
Auf der ersten Stufe stehen reine Berufsausübungsregeln, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirken, sondern nur bestimmen, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben. Sie können durch jede vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein.
Auf der zweiten Stufe stehen Regelungen subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme, die den Zugang zum Beruf nur den in bestimmter – und zwar meist formaler – Weise qualifizierten Bewerbern freigibt (subjektive Berufszulassungsbeschränkungen). Diese können gerechtfertigt sein, wenn sie zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes erforderlich ist.
Auf der dritten und letzten Stufe stehen objektive Bedingungen für die Berufszulassung, deren Erfüllung dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen ist (objektive Berufszulassungsbeschränkungen). Im Allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl rechtfertigen können.
Das BVerfG ordnet die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auf der zweiten Stufe (subjektive Berufszulassungsbeschränkung/Berufszugangsregelung) ein:
„Als jedenfalls vorübergehendes Berufsverbot stellt die Versagung eine subjektive Berufszugangsregelung dar, die einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die ihrerseits mit den Anforderungen der Verfassung in Einklang stehen muss. Sie ist nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 13, 97 ; 44, 105 ; 63, 266 ; 97, 12 ; stRspr).“
Daher sei es erforderlich, das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden an der Integrität des Anwaltsstandes, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen:
„Zwar sind sowohl die Rechtsanwaltskammer als auch der Anwaltsgerichtshof im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Einschränkung der freien Berufswahl nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Entsprechend haben sie ausdrücklich oder jedenfalls sinngemäß als Maßstab formuliert, dass ein Bewerber nur dann als unwürdig im Sinne des § 7 Nr. 5 BRAO angesehen werden kann, wenn er ein Verhalten gezeigt habe, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblicher Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf als nicht tragbar erscheinen lasse und dass dabei das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden an der Integrität des Anwaltsstandes, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen seien (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2010 - AnwZ 117/09 -, juris, Rn. 6; Beschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ 116/09 -, juris, Rn. 8; Urteil vom 10. Oktober 2011 - AnwZ 10/10 -, juris, Rn. 13; Beschluss vom 28. März 2013 - AnwZ 40/12 -, BRAK-Mitteilungen 2013, S. 197 f.; stRspr). Schließlich tragen beide Entscheidungen auch insoweit der Bedeutung und Tragweite des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung, als sie als Maßstab erkennen lassen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Integrität des Anwaltsstandes in der Regel nur im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege von Belang sein kann.“
Nach Auffassung des BVerfG werden die angegriffenen Entscheidungen diesen Anforderungen nicht gerecht. Es sei nicht belegt, dass eine Zulassung der B zur Rechtsanwaltschaft das Interesse an einer funktionierenden Rechtspflege beinträchtigen könnte:
„(a) Keinen Bedenken begegnet die Würdigung der konkret herangezogenen für und gegen die Beschwerdeführerin sprechenden Umstände zur Beurteilung ihrer Gesamtpersönlichkeit. Der Beschwerdeführerin durfte insbesondere ihre fehlende Unrechtseinsicht vorgeworfen und entgegengehalten werden. Zwar kann ein festgestelltes Fehlverhalten nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände derart an Bedeutung verlieren, dass es der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr entgegensteht. Eine weiterhin bestehende Uneinsichtigkeit und Rechtfertigung der Tat kann sich aber gleichwohl zu Lasten eines Bewerbers auswirken, weil es sich dabei um einen für die zu erstellende Prognoseentscheidung maßgeblichen Aspekt handelt.
(b) Beide Entscheidungen lassen jedoch eine Abwägung der grundrechtlichen Belange der Beschwerdeführerin mit den ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstehenden Gemeinwohlbelangen nicht erkennen. Allein die vorgenommene Würdigung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin mit der nicht näher begründeten Schlussfolgerung, dass sie für den Anwaltsberuf nicht tragbar sei, wird dem nicht gerecht.
Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs lässt insoweit bereits eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit vermissen. Es hätte an dieser Stelle insbesondere näher ausgeführt werden müssen, dass und warum davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Zulassung als Rechtsanwältin in einer Art und Weise auftreten würde, die das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft insbesondere im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege beinträchtigen könnte, sei es, dass Gerichte Rechtsstreitigkeiten nicht mehr zielgerichtet und zweckmäßig betreiben oder aber die Rechtsuchenden eine vertrauenswürdige Rechtsberatung und Vertretung im Rechtsstreit nicht erlangen könnten (vgl. zu dieser Funktion des Rechtsanwalts Schmidt-Räntsch, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 7 BRAO Rn. 33).
Ein gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit lag - jedenfalls ohne weitere Feststellungen - auch nicht auf der Hand, so dass sich dahingehende Ausführungen hätten erübrigen können.“
III. Ergebnis
Die Versagung der Zulassung verletzt B in ihrer Berufswahlfreiheit. Ihre Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.
C. Fazit
Ein bemerkenswerter Sachverhalt, aber auch eine folgerichtige Entscheidung des BVerfG: Es ist kaum anzunehmen, dass die Verurteilung wegen Beleidigung zu einer Ausschließung aus der Anwaltschaft (§ 114 I Nr. 5 BRAO) geführt hätte, wenn B schon als Rechtsanwältin tätig gewesen wäre. Daher ist es nur folgerichtig, der B die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht zu versagen.
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