Freital-Prozess: Lange Haftstrafen für rechtsextreme Terrorgruppe

Freital-Prozess: Lange Haftstrafen für rechtsextreme Terrorgruppe

“Das waren bürgerkriegsähnliche Zustände”

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat im Prozess gegen die rechtsextreme “Gruppe Freital” hohe Haftstrafen verhängt und sendet damit ein deutliches Signal. Erstmals wurden Flüchtlingsgegner für eine Serie an Anschlägen auf Asylunterkünfte als Terrorgruppe verurteilt.

 

Worum geht es?

Es lässt etwas schicksalshaft  - ja fast schon ironisch - anmuten, dass die Mitglieder der  “Gruppe Freital” nun ausgerechnet in den Räumen verurteilt wurden, die ursprünglich für jene geplant waren, die sie vor ihrer Festnahme zu bekämpfen versuchten. Der Umbau des Speiseraums einer Flüchtlingsunterkunft zum Hochsicherheitssaal des OLG Dresden hatte mehr als fünf Millionen Euro gekostet und war eigens für diesen Prozess in Auftrag gegeben worden. Abgetrennt hinter Plexisglasscheiben nahmen die sieben Männer und eine Frau ihr Urteil entgegen.

Die Angeklagten mussten sich für fünf Sprengstoffanschläge verantworten, die sie zwischen Juli und November 2015 in Sachsen verübt haben sollen. Ein Jahr lang wurde darüber verhandelt. Das Gericht kam schließlich zu der Überzeugung, dass die Mitglieder der Gruppe an den Fenstern zweier Flüchtlingsunterkünfte in Freital - einem Dresdner Vorort - selbstgebaute Bomben zündeten, das Fahrzeug des Linken-Fraktionschefs Michael Richter in die Luft sprengten und dessen Parteibüro zerstörten. Es sei nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass bei diesen Anschlägen niemand schwer verletzt oder getötet wurde.
 
(Rechts-) Terrorismus oder kriminelle Vereinigung?

“Bloß ein paar Jugendliche, die ein wenig über die Stränge geschlagen haben”, versuchte die Verteidigung die Taten zu verharmlosen. Das Gericht trat dem jedoch deutlich entgegen und führte hierzu aus, dass keine der Taten von spontanem Charakter gewesen sei oder sonst etwas Jugendhaftes an sich gehabt habe. Ein Kreis von möglichen Anschlagszielen sei deutlich zu erkennen, in dem die Gruppe “ein Klima der Angst und Repressionen” habe schaffen wollen und es ihr Ziel gewesen sei, Ausländer aus Deutschland zu vertreiben. Der Richter empfand den Anstieg der Brutalität im Zeitraum von nur drei Monaten als bemerkenswert: “Es stellt sich die Frage, zu welchen Anschlägen es gekommen wäre, hätte es keine Festnahme im November 2015 gegeben”. Den Mitgliedern der rechtsextremen Gruppe sei die Gefahr für Leib und Leben nicht nur bewusst gewesen, sie sei vielmehr in Kauf genommen worden. Die aus illegalen Böllern zusammengebauten Splitterbomben seien teils 130-fach stärker gewesen als Silvesterfeuerwerk.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die Gruppe die Voraussetzungen des § 129a StGB erfüllt habe und über die bloße Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB hinausgehe: Die Angeklagten hätten sich fest und konspirativ organisiert, mit zwei Rädelsführern und in einem verschlüsselten Chat. Des Weiteren habe die Gruppe einen “tief verwurzelten Fremdenhass” geteilt, sie haben ihre Taten genau geplant und wussten um die potenziell tödliche Wirkung der gebauten Sprengsätze.

Bei der Festsetzung des Strafmaßes hatte der Senat zunächst vom Strafrahmen des schwersten begangenen Deliktes auszugehen - hier des versuchten Mordes, der aufgrund der Strafmilderung wegen Versuchs mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren bis zu 15 Jahren (§§ 211, 49 StGB) zu bestrafen ist. Für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB), die - wie hier - durch schwere Straftaten die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, im Falle der Rädelsführerschaft von drei bis zu zehn Jahren vor. Für die weiteren verwirklichten Delikte, wie das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung, versuchte gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung, kämen noch weitere auszusprechenden Strafen hinzu.
 
Ein Achtungszeichen gegen rechtes Gedankengut

Die beiden 29 und 26 Jahre alten Rädelsführer der Gruppe wurden unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchten Mordes zu Freiheitsstrafen von zehn beziehungsweise neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Vier weitere Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und achteinhalb Jahren verurteilt - ein zur Tatzeit 18-Jähriger erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren. Das Gericht hielt sich damit nur knapp unter dem von der Bundesanwaltschaft geforderten Strafmaß und strahlt damit eine gewisse Zäsur aus: Die Zeiten, in denen solche Anschlagsserien als Bagatellen geahndet wurden, scheinen damit vorbei zu sein. “Rassistische Gewalt und rechter Terror wurden heute deutlich beim Namen genannt und bestraft”, fassten die Bundestagsabgeordneten der Grünen Monika Lazar und Irene Mihalic das Urteil zusammen - der Prozess habe gezeigt, “wie stark die gewaltbereite rechte Szene vernetzt ist und welche dramatischen Folgen dies für das friedliche Zusammenleben in Deutschland hat”.
 
Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Urteil des OLG ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Am Mittwoch wurde außerdem bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden aktuell gegen zehn weitere Beschuldigte ermitteln würde, die im Zusammenhang mit der “Gruppe Freital” stünden - zwei von ihnen sollen auch an dem Sprengstoffanschlag auf das Fahrzeug des Freitaler Linken-Politikers beteiligt gewesen sein.

 

OLG Dresden, Urteil vom 07.03.2018, Az: 4 St 1/16