OVG NRW: Rechtsverletzung durch straßenrechtliche Widmung?

A. Sachverhalt

K ist Anlieger des Lofotenweges in Düsseldorf. Die zuständige Behörde widmet den Lofotenweg für den allgemeinen Verkehr. K gelangt über ein Privatgrundstück auf der gegenüberliegenden Seite auf sein Hausgrundstück. Er hat am Lofotenweg kein Erschließungsinteresse, vielmehr nutzt er das Grundstück nur zur Lagerung für gewerbliche Zwecke. K erhebt deswegen Anfechtungsklage gegen die Widmung.

Ist die Anfechtungsklage des K begründet?

B. Die Entscheidung des OVG NRW (Beschl. v. 15.10.2017 – 11 A 2438-16)

Eine Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO nur dann begründet, wenn der Verwaltungsakt – seine Rechtswidrigkeit unterstellt – Grundrechte des Klägers oder eine einfache gesetzliche Norm verletzt, die den Kläger als Teil eines normativ hinreichend deutlich abgegrenzten Personenkreises gerade auch vor dem betreffenden Verwaltungsakt schützen will (Schutznormtheorie).

Nach Ansicht des OVG sei die für eine Widmung maßgebliche Bestimmung des § 6 I und III StrWG NRW keine Vorschrift, die dem Anlieger der zu widmenden Straße subjektive Rechte vermittele. Es gehe ausschließlich um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe:

„Unbeschadet dessen, dass bei einer Widmung die Interessen der Eigentümer der an eine Straßenfläche grenzenden Grundstücke im Rahmen der behördlichen Entscheidung in aller Regel mit berücksichtigt werden, nimmt die Beklagte bei der Widmung ausschließlich eine öffentliche Aufgabe wahr, bei der sie sich nicht von individuellen Belangen einzelner, sondern von übergeordneten straßenrechtlichen Erwägungen zu leiten lassen hat. Es entspricht daher der ganz überwiegenden Auffassung, dass dem Einzelnen, vorbehaltlich anderweitiger Bindungen, kein im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzendes Recht auf eine Widmung eines wie auch immer gearteten Widmungsbegehrens zusteht.“

Auch sei der Kläger nicht in seinem Anliegergebrauch verletzt:

„Der Anliegergebrauch vermittelt keine aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Rechtsposition. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich nach dem einschlägigen Straßenrecht, das insoweit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums am Anliegergrundstück bestimmt. Der Anliegergebrauch nach § 14a StrWG NRW reicht grundsätzlich nur soweit, wie die angemessene Nutzung des Grundstücks eine Benutzung der Straße erfordert. Gewährleistet sind danach vor allem der Zugang zur Straße und die Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße her. Diese Zugänglichkeit ist bei einem Grundstück im Regelfall dann gegeben, wenn das Grundstück auch mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. § 14a StrWG NRW garantiert allerdings nur eine genügende Verbindung mit der Anliegerstraße und deren Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Die Gewährleistung der Zugänglichkeit umfasst hingegen keine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung der Straße und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße. Sie vermittelt auch keinen Anspruch auf die Beibehaltung vorteilhafter Verkehrsverbindungen sowie der Bequemlichkeit und Leichtigkeit des Zugangs.
Gemessen an diesen Maßgaben werden die Rechte des Klägers als Anlieger der gewidmeten Straße durch die Widmung nicht berührt. Denn zunächst bleibt die Zufahrtsmöglichkeit zu seinem Grundstück über die andere Grundstücksseite erhalten. Dass der Kläger, der den nunmehr gewidmeten Teilbereich des Flurstücks 93 nach Aktenlage auch als Zuwegung für sein Grundstück nutzt, durch die streitbefangene Widmung Einbußen dergestalt hinnehmen müsste, dass er sein Grundstück über die gewidmete Straße nun nicht mehr erreichen könnte, ist fernliegend. Durch die streitbefangene Widmung erhält der Kläger mithin lediglich eine weitere Möglichkeit, sein Grundstück - und zwar über eine öffentliche Straße - anzufahren.“

Schließlich bestehe kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch (vgl. Art. 20 III GG):

„Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Klägers, dass jeder Bürger Anspruch auf ein gesetzeskonformes Verhalten der Verwaltung habe und dass ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG vorliege, weil kein öffentliches Verkehrsbedürfnis für die Widmung bestanden habe. Mit diesem Vortrag vermag der Kläger keine (subjektive) Rechtsverletzung zu begründen. Ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch, wie ihn der Kläger mit diesem Einwand sinngemäß geltend macht, steht ihm nicht zu. Vielmehr hätte seine gegen die Widmung gerichtete Klage nur dann Erfolg, wenn er durch diese in seinen subjektiven Rechten verletzt wäre. Das ist - wie sich aus den oben genannten Gründen ergibt - aber nicht der Fall.“

C. Fazit

Eine lehrreiche Entscheidung, um die bekannte und klausurrelevante Schutznormtheorie in eher unbekannter Umgebung (Straßen- und Wegerecht) durchzuexerzieren.