A. Sachverhalt
Der am 5. September 1950 geborene Beklagte flog nach Erwerb eines entsprechenden Flugscheins am 27. August 1968 mit einer Linienmaschine der Klägerin von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit den Transitpassagieren das Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugscheins für diese Strecke gewesen wäre. In New York wurde ihm die Einreise in die USA verweigert, weil er kein Visum hatte. Die Klägerin ließ ihn daraufhin eine Zahlungsverpflichtungserklärung über 256 US-Dollar unterzeichnen, stellte ihm einen Flugschein für die Rückreise aus und beförderte ihn noch am selben Tag mit einer ihrer Linienmaschinen nach München. Die Mutter des Beklagten, seine gesetzliche Vertreterin, hat die Genehmigung für Rechtsgeschäfte, die der Beklagte mit der Klägerin geschlossen hat, verweigert.
Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung der tariflichen Flugpreise für die Strecken Hamburg/New York = 1.188 DM und New York/München = 1.024 DM.
B. Worum geht es?
In der letzten Woche hatten wir in Teil 1 die Ansprüche der Klägerin auf Vergütung für den Hinflug dargestellt; der BGH hatte einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB bejaht. Nunmehr stellt sich die Frage, ob der Klägerin auch ein Anspruch auf Zahlung des Flugpreises für den Rückflug zusteht.Der BGH hatte damit die folgende Frage zu beantworten:
Steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Zahlung des Flugpreises für den Rückflug zu?
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH bejaht im Flugreise-Fall (Urt. v. 7.1.1971 – VII ZR 9/70 (BGHZ 55, 128 ff.)) auch einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung des Flugpreises für den Rückflug (Strecke New York/München) nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
Als Anspruchsgrundlage kommen §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB i.V.m. § 1835 III BGB analog in Betracht (echte berechtigte GoA).Zunächst bejaht der BGH, dass es sich bei dem Rückflug um ein aus Sicht der klagenden Fluggesellschaft objektiv fremdes Geschäft handele, weswegen ihr Fremdgeschäftsführungswille (vgl. Umkehrschluss zu § 687 I BGB) objektiv vermutet werde:
„Die Rückbeförderung des Beklagten, dessen Sache es an sich war, nach seinem erfolglosen Versuch, in die USA einzureisen, selbst für seine Rückkehr nach Deutschland zu sorgen, war für die Klägerin ein objektiv fremdes Geschäft. Damit wird ihr Wille, dieses Geschäft für den Beklagten wenigstens mitzubesorgen, vermutet (BGHZ 40, 28, 31). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht zu widerlegen vermocht. Wenn sich die Klägerin irrig zur Rückbeförderung des Beklagten diesem gegenüber verpflichtet gehalten haben sollte, so steht das ihrer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen (BGHZ 39, 87, 90; BGHZ 37, 258, 263). Auch der Umstand, daß sie damit eigene Belange wahrgenommen oder in Erfüllung eigener öffentlichrechtlicher oder anderweitiger privatrechtlicher Pflichten tätig geworden ist, hindert nicht die Annahme, daß sie zugleich ein Geschäft des Beklagten besorgt hat (BGHZ 54, 157, 160; 40, 28, 30 jeweils mit weiteren Nachweisen). Dagegen bringt die Revision nichts vor.“
Zudem handele es sich auch um eine berechtigte GoA, weil die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB vorgelegen haben:
„Sie meint jedoch zu Unrecht, es habe objektiv nicht dem Interesse des Beklagten entsprochen, daß die Klägerin für seine umgehende Rückkehr nach Deutschland in einem ihrer Flugzeuge sorgte. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß der Beklagte auf diese Weise sonst unvermeidlichen Schwierigkeiten wegen seiner versuchten illegalen Einreise in die USA und einer etwaigen zwangsweisen Rückbeförderung durch die amerikanischen Einwanderungsbehörden entgangen ist. Damit ist das objektive Interesse des Beklagten an seinem Rückflug mit einer Maschine der Klägerin hinreichend dargetan.c) Zutreffend hat das Berufungsgericht aber auch den mutmaßlichen Willen der Mutter des Beklagten bejaht, mit dessen Rückbeförderung durch die Klägerin einverstanden zu sein. Dabei befindet es sich im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats, wenn es mangels anderer Anhaltspunkte als mutmaßlich den Willen ansieht, der dem wohlverstandenen Interesse des Beklagten entsprach (BGHZ 47, 370, 374).Die Revision macht insoweit geltend, die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, daß der Mutter des Beklagten gerade daran gelegen gewesen sei, ihren Sohn mit einer Linienmaschine der Klägerin zurückzuerhalten. Eine Schiffsreise sei ebenso gut möglich und dazuhin billiger gewesen.Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin durfte annehmen, daß die Mutter des Beklagten das nach den gegebenen Umständen jeweils Beste für ihren Sohn im Auge hatte. Der Beklagte war aber gar nicht in der Lage, von sich aus die Heimreise nach Deutschland mit dem Schiff anzutreten, sondern wäre sämtlichen mit einer vorherigen Internierung verbundenen Gefahren ausgesetzt gewesen, wenn ihn die Klägerin nicht sofort wieder mit nach Deutschland genommen hätte. Diese Lösung war die nach den damaligen Verhältnissen seinem richtig verstandenen Wohl am besten entsprechende, auch wenn die Flugkosten für ihn relativ hoch, keineswegs jedoch untragbar waren.“
D. Fazit
Der Flugreise-Fall – ein Klassiker, den man kennen muss!
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