BVerfG: Ist die Pflichtmitgliedschaft in der IHK verfassungskonform?

A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)

Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sind nach § 3 I IHKG als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert, an die Kammermitglieder Beiträge zahlen müssen. § 2 I IHKG regelt eine sogenannte Pflichtmitgliedschaft. Danach gehören zu einer IHK, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten.
 
Die Bestimmungen über die Beitragsbemessung sind im Laufe der Jahre mehrfach modifiziert und die Beiträge in den letzten Jahren auch abgesenkt worden. Der Kammerbeitrag dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit; er ist verwendungsneutral, also nicht auf bestimmte Einzelaufgaben bezogen. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Beiträge ist § 3 III IHKG in Verbindung mit der nach § 3 II 1 IHKG zu erlassenden Beitragsordnung. Sie wird nach § 4 I 2 Nr. 2 IHKG von der Vollversammlung beschlossen und bedarf der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nach § 11 II Nr. 3 IHKG. Der Beitrag setzt sich nach § 3 III 1 IHKG aus einem Grundbeitrag und einer Umlage zusammen. Dazu enthält das Gesetz weitere Maßgaben. So kann der Grundbeitrag nach § 3 III 2 IHKG gestaffelt werden, was auch regelmäßig geschieht; er richtet sich nach der Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes. Die Umlage wird nach § 3III 6 IHKG prozentual für den jeweiligen Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb nach dem Einkommensteuergesetz im Veranlagungszeitraum bestimmt. Wer einen bestimmten Ertrag oder Gewinn unterschreitet, ist nach § 3 III 3 und 4 IHKG von der Beitragspflicht freigestellt oder befreit.
 
Die B-GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und betreibt in Memmingen und damit im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK Schwaben) einen Vertrieb von Sonderaufbauten für Nutzfahrzeuge. Sie wird zur Gewerbesteuer veranlagt.
 
Mit Bescheid vom 27. Februar 2009 veranlagte die IHK Schwaben die B-GmbH für das Jahr 2006 zu einem Kammerbeitrag von 0 €, für das Jahr 2007 von 178,50 € abzüglich bereits gezahlter 153 € und für das Jahr 2009 von 163,80 €, insgesamt 189,30 €. Ihre gegen den Beitragsbescheid erhobene Klage war ebenso wie der Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Verwaltungsgerichtshof und die anschließende Anhörungsrüge erfolglos.
 
Mit der frist- und formgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich B unmittelbar gegen die Heranziehung zu Beiträgen der Industrie- und Handelskammer und insoweit gegen den Bescheid der IHK, gegen das Urteil in erster Instanz und gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Berufung, sowie mittelbar gegen die Bestimmungen des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern, welche sie der Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer unterwerfen und ihr die Verpflichtung auferlegen, durch Beiträge an der Deckung der Kosten der Kammertätigkeit mitzuwirken. Sie rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 I, Art. 5 I und Art. 9 I GG.
 
Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?
 
Bearbeitervermerk: Gehen Sie davon aus, dass das IHKG formell verfassungskonform ist.
 
B. Die Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12)
 
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.  

I. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG. Als inländische juristische Person ist die B-GmbH auch grundrechtsfähig (Art. 19 III GG) und damit „jedermann“ im Sinne von Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG. Sie wendet sich gegen den Beitragsbescheid, gerichtliche Entscheidungen sowie – mittelbar – ein formelles Gesetz (IHKG) und damit jeweils gegen Akte der öffentlichen Gewalt, die nach Art. 1 III GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Es handelt sich dabei um taugliche Beschwerdegegenstände (Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG).
 
Die B-GmbH müsste zudem selbst, selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten oder den in Art. 93 I Nr. 4a GG genannten grundrechtsgleichen Rechten verletzt sein. Das BVerfG bejaht die Beschwerdebefugnis (§ 90 I BVerfGG) im Hinblick auf Art. 2 I GG und Art. 9 I GG und stellt dabei darauf ab, dass die Pflichtmitgliedschaft (§ 2 I IHKG) die Grundlage für die Beitragspflicht (§ 3 II IHKG) und damit für den Beitragsbescheid sei. Die verfassungsrechtliche Prüfung des angegriffenen Beitragsbescheides orientiere sich daher an der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft:

„Die Beschwerdeführerinnen können sich als juristische Personen des Privatrechts gegen eine mögliche Verletzung in ihren Grundrechten durch eine Beitragsbelastung, die auf einer Pflichtmitgliedschaft beruht, mit der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen. Sie können eine Verletzung von Grundrechten geltend machen, weil sie zu einem Pflichtmitgliedsbeitrag herangezogen werden. Das gilt unabhängig davon, ob dies dem Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) oder der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zuzuordnen ist (dazu unten C I, II; Rn. 78 ff.). Beide Grundrechte sind ihrem Wesen nach insoweit auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG). Hier setzt die Erhebung eines Beitrags, gegen den sich die Beschwerdeführerinnen in den Ausgangsverfahren wehren, die Pflichtmitgliedschaft in Gestalt der Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 1 IHKG voraus. Gesetzlich angeordnet ist die Pflichtmitgliedschaft der juristischen Person des Privatrechts als Gewerbebetrieb; der Beitragsbescheid stützt sich damit auch auf § 3 Abs. 2 und 3 IHKG in Verbindung mit der Beitragsordnung der jeweiligen Kammer. Die Beitragsbescheide und die sie bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen sind daher nur dann mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu vereinbaren, wenn auch die Pflichtmitgliedschaft verfassungsgemäß ist.“
 
Soweit die B hingegen eine Verletzung der in Art. 5 I GG geschützten Meinungsfreiheit rüge, sei die Verfassungsbeschwere hingegen unzulässig:

„Die Verfassungsbeschwerden richten sich im Ausgangspunkt gegen Beitragsbescheide. Ungeachtet der Frage der Zurechenbarkeit von Äußerungen, die im Namen einer Kammer abgegeben werden, wird kein konkreter Sachverhalt geschildert, wodurch ein Gewerbebetrieb als Mitglied der Industrie- und Handelskammer beeinträchtigt sein könnte. Kommt es zu Konflikten um Äußerungen einer Kammer, steht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen; hier kann auch im Eilrechtsschutz etwaigen Überschreitungen der Kompetenzen einzelner Kammerorgane entgegengetreten werden.“

Nachdem der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil abgelehnt wurde, ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden (§ 124a V 4 VwGO), so dass der Rechtsweg gegen den Beitragsbescheid erschöpft ist (§ 90 II 1 BVerfGG). Auch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht der Zulässigkeit nicht entgegen, nachdem auch eine Anhörungsrüge der B (§ 152a VwGO) zurückgewiesen wurde.  

II. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit der Beitragsbescheid und die angegriffenen Entscheidungen B in ihren Grundrechten oder in Art. 93 I Nr. 4a GG genannten (grundrechtsgleichen) Rechten verletzen. Das BVerfG stellt indes keine „Super-Revisionsinstanz“ dar, weswegen sein Prüfungsmaßstab – soweit sich die B auch gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen wendet – auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt ist, d.h. auf die Frage, ob bei der Anwendung des einfachen Rechts der Bedeutung und Einfluss der Grundrechte verkannt wurde. Solches setzt voraus, dass die Strafgerichte bei der Auslegung und Anwendung der Straftatbestände, hier der Beleidigung nach § 185 StGB, entweder die Grundrechte ganz übersehen oder sie zwar gesehen, aber in ihrer Bedeutung und Tragweite falsch gewürdigt haben. Spezifisches Verfassungsrecht ist also nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung – am einfachen Recht gemessen – objektiv fehlerhaft ist. Vielmehr muss der Fehler gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1964 hat das BVerfG insoweit ausgeführt hat (sogenannte Heck’sche Formel):

„Freilich sind die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts nicht immer allgemein klar abzustecken; dem richterlichen Ermessen muß ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ermöglicht. Allgemein wird sich sagen lassen, daß die normalen Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts so lange der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen sind, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind. Eine Grundrechtswidrigkeit liegt noch nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hierzu zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen „Richtigkeit“ (in dem allgemeinen Sinne von „Sachgemäßheit“ oder „Billigkeit“) sich streiten läßt, insbesondere wenn bei einer dem Richter durch gesetzliche Generalklauseln aufgetragenen Abwägung widerstreitender Interessen die von ihm vorgenommene Wertung fragwürdig sein mag, weil sie den Interessen der einen oder der anderen Seite zu viel oder zu wenig Gewicht beigelegt hat.“ (Beschl. v. 10.06.1964 – 1 BvR 37/63)

 
Hier könnten der Beitragsbescheid, die angegriffenen Entscheidungen und – mittelbar – die gesetzliche Beitragspflicht, die ihrerseits auf der Pflichtmitgliedschaft beruht, sowohl Art. 9 I GG als auch Art. 2 I GG verletzen.  

1. Artikel 9 I GG

In Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung geht das BVerfG davon aus, dass eine Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht dem Schutzbereich von Art. 9 I GG unterfalle. Die Vereinigungsfreiheit ziele auf freiwillige Zusammenschlüsse zu frei gewählten Zwecken, während eine gesetzlich angeordnete Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruhe:

„Im Hinblick auf die der Beitragspflicht zugrunde liegende, durch § 2 Abs. 1 IHKG angeordnete Pflichtmitgliedschaft ist der Schutzbereich des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG nicht eröffnet (anders Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Aufl. 1999, Rn. 414; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 270 ff. und in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 88 ff. (Dezember 2015); Bauer, in: Dreier, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 9 Rn. 47; Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 9 Rn. 22 ff.; Rinken, in: Wassermann, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Rn. 57 f.; Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, 1986, S. 143 ff.; Schöbener, VerwArch 91 (2000), S. 374 ). Das spezielle Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG garantiert die Freiheit, sich aus privater Initiative unabhängig vom Staat mit anderen zu Vereinigungen zusammenzuschließen, sie zu gründen oder ihnen fernzubleiben (vgl. BVerfGE 38, 281 ). Die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG zielt auf freiwillige Zusammenschlüsse zu frei gewählten Zwecken. Eine gesetzlich angeordnete Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft beruht hingegen auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte öffentliche Aufgaben auch unter kollektiver Mitwirkung privater Akteure zu erledigen (vgl. BVerfGE 10, 89 ; 38, 281 ; vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 29). In Art. 9 GG findet dagegen das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung zu selbst definierten Zwecken seinen grundrechtlichen Niederschlag (vgl. BVerfGE 38, 281 ; 50, 290 ; zur Koalitionsfreiheit BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 u.a. -, www.bverfg.de, Rn. 132). Das beide Zusammenschlüsse verbindende Element ist zwar das Kollektiv, doch unterliegen Zweck und Gehalt nach Art. 9 GG der Selbstbestimmung, was die Vereinigung erheblich von einer gesetzlich geschaffenen Körperschaft unterscheidet. Art. 9 Abs. 1 GG enthält insbesondere das Recht, in einer Distanz zum Staat und zu politischen Parteien eigene Vereinigungen zu gründen oder ihnen fernzubleiben. Das weitere Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, ergibt sich demgegenüber aus Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 38, 281 ; unten C II 1 Rn. 81).“

 
Diese restriktive Auslegung entspreche auch der Entstehungsgeschichte:

„Dieses Verständnis von Art. 9 Abs. 1 GG wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Schon im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee wurde der Vorschlag abgelehnt, die grundrechtliche Garantie der Vereinigungsfreiheit um eine Regelung zu ergänzen, dass niemand gezwungen werden dürfe, sich einer Vereinigung anzuschließen. Es sollte insbesondere auch künftig möglich sein, Angehörige bestimmter Berufe in öffentlich-rechtlichen Organisationen verpflichtend zusammenzufassen (vgl. Deutscher Bundestag/Bundesarchiv , Der Parlamentarische Rat. 1948-1949. Akten und Protokolle, Bd. 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, bearbeitet von Peter Bucher, 1981, Dok. Nr. 14, S. 514 f., sowie bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 31). Der Parlamentarische Rat befasste sich mit der Reichweite von Art. 9 Abs. 1 GG in Kenntnis der damals schon lange bestehenden Kammern und ähnlicher Körperschaften. Er wollte diese mit dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nicht abschaffen. Maßgeblich war der Unterschied zwischen der freiwilligen Bildung einer Vereinigung im Unterschied zur Bindung an öffentlich-rechtliche Körperschaften: So betonte das Mitglied des Parlamentarischen Rates Zinn, dass sich der Staat in Bildung und Organisation freiwilliger Zusammenschlüsse nicht einmischen dürfe, während er durch Gesetz mit öffentlich-rechtlichen Vereinigungen auch Institutionen schaffen könne, für die der zwangsweise Zusammenschluss wesentlich sei (Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, S. 570). Das Mitglied des Rates Seebohm führte ausdrücklich aus, der Grundsatz der Freiwilligkeit gelte „nach altem Brauch“ bei Industrie- und Handelskammern nicht, weshalb speziellere Regeln zum Vereinigungszwang in Art. 9 GG nicht gefordert seien; die Frage der Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft bleibe ohne spezielle Regelung der freien Entwicklung überlassen (Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, S. 570). Insofern unterscheidet sich Art. 9 Abs. 1 GG von der Vereinigungsfreiheit in anderen Verfassungen (vgl. StGH Liechtenstein, Urteil vom 29. November 2004 - StGH 2003/48 -, S. 48 ff.).“

 
Eine Verletzung von Art. 9 I GG scheidet demnach aus.  

2. Artikel 2 I GG

Möglicherweise verletzen die Beitragsbescheide, die ihre Grundlage letztlich in der Pflichtmitgliedschaft haben, die B in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG.  

a. Eingriff in den Schutzbereich

Das BVerfG bejaht einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG. Dieser liege nicht erst in der Beitragspflicht, sondern bereits in der Pflichtmitgliedschaft:

„Aus Art. 2 Abs. 1 GG erwächst das Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden (vgl. BVerfGE 10, 89 ; 38, 281 ). Die mit einer Pflichtmitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Verband einhergehende Beitragspflicht schränkt die wirtschaftlichen Voraussetzungen individuell selbstbestimmter Betätigungsfreiheit ein (für die Beitragspflicht in der Sozialversicherung vgl. BVerfGE 97, 271 ; 115, 25 ). Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG schützt insofern auch davor, durch die Staatsgewalt mit einem finanziellen Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist (vgl. BVerfGE 19, 206 ; 97, 332 ; stRspr).
 
Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2 und 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind Eingriffe in die nach Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Freiheit. Bereits die Pflichtmitgliedschaft als solche ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder eingriffsneutral.“

 

b. Rechtfertigung

Dieser Eingriff müsste gerechtfertigt sein. Art. 2 I GG enthält eine sogenannte Schrankentrias. Eingriffe sind danach gerechtfertigt, wenn das Verhalten des Betroffenen die Rechte anderer verletzt, gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Sittengesetz verstößt. Unter „verfassungsmäßiger Ordnung“ versteht man dabei die Gesamtheit aller Normen, die formell oder materiell mit der Verfassung in Einklang stehen, also verfassungsgemäße Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen.
 
Zu prüfen ist also, ob die maßgeblichen Vorschriften in § 3 II IHKG, auf denen die Beitragspflicht beruht, zur „verfassungsmäßigen Ordnung“ iSv Art. 2 I GG zählt. Das BVerfG stellt dabei auf die der Beitragspflicht zugrunde liegende Pflichtmitgliedschaft (§ 2 I IHKG) ab und sieht die Beitragspflicht damit – aus verfassungsrechtlicher Perspektive – als unselbstständigen Annex zur Pflichtmitgliedschaft. Damit ist – die formelle Verfassungsmäßigkeit des IHKG ist nach dem Bearbeitervermerk zu unterstellen – die materielle Verfassungsmäßigkeit von § 2 I IHKG zu prüfen.
 
Das BVerfG prüft die Verhältnismäßigkeit (dazu aa.) und die Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip (dazu bb.).  

aa. Verhältnismäßigkeit

Fraglich ist, ob die Pflichtmitgliedschaft verhältnismäßig ist.  

(1) Verfolgung eines legitimen Zwecks

Die Pflichtmitgliedschaft müsste auf einem legitimen Zweck beruhen, wobei es im Kontext von öffentlich-rechtlichen Körperschaften insoweit darum geht, dass die Kammern „legitime öffentliche Aufgaben“ erfüllen müssten.
Zunächst stellt das BVerfG die allgemeinen Anforderungen dar, die an diese legitimen öffentlichen Aufgaben und deren Ermittlung zu stellen seien; es komme auf die gesetzlichen Aufgabenzuweisungen an:

„Zu den legitimen öffentlichen Aufgaben gehören Aufgaben, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss (vgl. BVerfGE 38, 281 ). Dabei kommt dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu (so auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 37); er verfügt bei der Auswahl der Aufgaben, die der Selbstverwaltung übertragen werden sollen, über einen weiten Entscheidungsspielraum.
 
Der Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Selbstverwaltungskörperschaft verfolgt, ist aus den gesetzlichen Aufgabenzuweisungen zu ermitteln. Soweit gesetzlich mehrere Aufgaben zugewiesen werden, müssen diese nicht nur pauschal insgesamt, sondern auch je für sich einem legitimen Zweck dienen. Insofern sind die Aufgaben der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat und der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet zu unterscheiden (vgl. BVerfGE 15, 235 ). Die Verbindung zwischen unterschiedlichen Aufgaben kann allerdings dazu beitragen, die jeweils andere zu legitimieren, wenn gerade der Koppelung eine eigene Funktion zukommt. Diese kann darin liegen, Wissen ebenso wie wechselseitige Unterstützung zur Verfügung zu stellen und damit auch zu entlasten, also eine kostengünstigere Erfüllung von Aufgaben zu ermöglichen.“

 
Das BVerfG stellt danach maßgeblich auf § 1 I IHKG ab, wonach die Kammer „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“ hat:

„Die wesentliche Zwecksetzung der Industrie- und Handelskammern ergibt sich aus § 1 Abs. 1 IHKG. Danach hat die Kammer „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“. Es obliegt ihr „insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“ Nach § 1 Abs. 5 IHKG sollen keine sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Interessen wahrgenommen werden, um einen Konflikt mit den Koalitionen von vornherein zu vermeiden (vgl. BTDrucks 2/2380, S. 2).
 
Das in § 1 Abs. 1 IHKG vorgegebene „Gesamtinteresse“ der gewerblichen Wirtschaft im Bezirk ist das unternehmerische Interesse. Zwar kritisierte die Opposition im Gesetzgebungsverfahren die hier im Unterschied zur Handwerksordnung fehlende Arbeitnehmerbeteiligung; es sei „unmöglich“, Unternehmern oder Unternehmenszusammenschlüssen öffentlich-rechtlichen Charakter zu geben und die ansonsten auch an der Wirtschaft Beteiligten davon auszuschließen, weshalb eine Interessenvertretung der Unternehmen privatrechtlich erfolgen solle (vgl. BT, Stenographische Protokolle, 2. Deutscher Bundestag, 167. Sitzung, 26. Oktober 1956, S. 9221 , 9237 Eine Mehrheit entschied sich damals aber für das öffentlich-rechtliche Modell ohne Beteiligung der Beschäftigten.
 
Die Industrie- und Handelskammern sind nach § 1 Abs. 1 IHKG gefordert, die „wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“. Der Gesetzgeber verlangt eine Bündelung unterschiedlicher Positionen in den Kammern, sowohl durch deren Unabhängigkeit als auch durch die Vollständigkeit der Information, da gerade mit der Pflichtmitgliedschaft die Möglichkeit besteht, auf die Auffassung aller zurückzugreifen (vgl. BVerfGE 15, 235 ). Die Industrie- und Handelskammer ist damit zwar eine unternehmerische, aber keine bloß ausgewählte oder einseitige oder gar andere ausschließende Interessenvertretung. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen aller Mitglieder im Bezirk durch eine selbstverwaltete Vertretung zusammenzuführen und dabei alle in einem Bezirk relevanten Vorstellungen zu Gehör zu bringen.“

 
Die gesetzliche Aufgabenzuweisung nach § 1 I IHKG sei eine „legitime öffentliche Aufgabe“:

„Die Industrie- und Handelskammern sind nach § 1 Abs. 1 IHKG auf die Vertretung aller im Bezirk vorhandenen wirtschaftspolitischen Perspektiven verpflichtet. Soweit die Beschwerdeführerinnen behaupten, ein Gesamtinteresse lasse sich gar nicht feststellen, da die Unternehmen keine homogene Gruppe seien, liegt dem ein Missverständnis zugrunde. Ziel ist nicht die Artikulation einer einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 IHKG verdeutlicht vielmehr, dass das Gesamtinteresse in diesem Sinne durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen ermittelt und weitergegeben werden muss.
 
Nach § 1 Abs. 1 IHKG ist es weitere Aufgabe der Kammern, „durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten“. Auch dies stößt verfassungsrechtlich nicht auf Bedenken. Vielmehr schließt diese Aufgabe an die Ermittlung des Gesamtinteresses der Mitglieder an, baut also auf deren Wissen auf und übersetzt dies in die für die Mitglieder relevanten Bereiche. Das setzt die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen (vgl. BVerfGE 107, 59 ) in Unterstützung und Beratung insbesondere der Mitglieder um. Die Organisation bestimmter Wirtschaftssubjekte in einer Selbstverwaltungskörperschaft soll und kann verfassungsrechtlich legitim Sachverstand und Interessen bündeln und eröffnet die Möglichkeit, diese insgesamt und nicht als Interessenverband oder Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG und nicht übergreifend als politische Partei in den wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozess einzubringen (vgl. BVerfGE 15, 235 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 39). Das bedeutet keine Pflicht zum Bericht an Behörden, sondern eröffnet die Möglichkeit der selbstverwalteten Mitsprache in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten.
 
Die in § 1 Abs. 1 IHKG des Weiteren vorgegebene, historisch überkommene Aufgabe der Wahrung von „Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns“ beschränkt sich heute im Wesentlichen auf die Bekämpfung von unlauterem Wettbewerb und Korruption. Dazu gehört das in § 1 Abs. 1 IHKG genannte Aufklärungs- und Informationshandeln. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG hat die Industrie- und Handelskammer auch einen eigenen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen wettbewerbswidriges Verhalten. Dies entlastet die Mitglieder davon, selbst gegen wettbewerbswidrig handelnde Konkurrenzunternehmen vorgehen zu müssen. Die Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 IHKG begegnet damit insgesamt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Darüber hinaus bestehen keine öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnisse; insbesondere fehlt es anders als in den berufsständischen Kammern an einer Ehrengerichtsbarkeit. Notfalls können sich die Mitglieder gegen Aufgabenüberschreitungen der Kammer vor den Fachgerichten wehren.“

 
Auch die übrigen Aufgabenzuweisungen in § 1 II-IV IHKG stellten legitime Zwecke dar:

„Auch gegen die Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 2 IHKG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Norm beschreibt seit 1969 unverändert Aufgaben der Wirtschaftsförderung und Berufsbildung, die als solche weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss (vgl. auch die Bewertung in BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 39).
 
Ausgehend von § 1 Abs. 3 bis Abs. 4 IHKG wurden den Industrie- und Handelskammern daneben eine Vielzahl von Wirtschaftsverwaltungsaufgaben spezialgesetzlich übertragen. Sie entstammen zwar der ordnungsrechtlichen Funktion des Wirtschaftsverwaltungsrechts, sind aber nicht mit gewerbeaufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen verbunden: Es handelt sich insbesondere um die Ausstellung von Bescheinigungen und die Prüfung von Sachkunde in einer Vielzahl von Gewerbezweigen. Diese Aufgaben sind nicht der unmittelbaren Staatsverwaltung vorbehalten und können daher den insoweit sachnahen Kammern übertragen werden. Sie bringen dort die Expertise der Wirtschaft in die Bewältigung solcher Aufgaben ein.
 
Die Aufgabenstellungen nach § 1 IHKG entsprechen danach der für wirtschaftliche Selbstverwaltung typischen Verbindung von Interessenvertretung, Förderung und Verwaltungsaufgaben, die auch vom Bundesverfassungsgericht in der Senatsentscheidung im Jahr 1962 (BVerfGE 15, 235) und in der Entscheidung der Kammer im Jahr 2001 (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de) als legitimer Zweck für die Pflichtmitgliedschaft angesehen wurde. Auch gegen die bei Gelegenheit übernommenen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.“

 
Die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern nach § 1 IHKG verfolgten auch insoweit einen legitimen Zweck, als sie in der Form einer Körperschaft wahrgenommen würden, die gerade mit einer Pflichtmitgliedschaft einhergehe:

„Die Artikulation der Belange und Interessen der Wirtschaft vor Ort, um diese insbesondere gegenüber Politik und Verwaltung zu Gehör zu bringen, gelingt zumindest besser, wenn die Betriebe und Unternehmen diese Aufgabe selbst in autonomer Verantwortung wahrnehmen und alle als Mitglieder beteiligt sind. Nur eine Pflichtmitgliedschaft sichert, dass alle regional Betroffenen ihre Interessen einbringen und fachkundig vertreten werden. Auch mit Blick auf die übertragenen Aufgaben, Prüfungen abzunehmen und Bescheinigungen zu erteilen, sind Fachkunde und Erfahrung aller in der Region tätigen Gewerbetreibenden gefragt. Auch dies rechtfertigt ihre Einbindung in die Kammer im Wege der Pflichtmitgliedschaft.“

 

(2) Geeignetheit

Die mittelbar angegriffenen Regelungen zur Pflichtmitgliedschaft seien auch geeignet, die soeben angeführten legitimen Zwecke zu erreichen. Das sei im verfassungsrechtlichen Sinne schon dann der Fall, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden könne, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genüge. Damit sei die Pflichtmitgliedschaft auch eine taugliche Grundlage für die Erhebung von Beiträgen:

„Die Annahme des Gesetzgebers ist plausibel, dass private Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft nicht im gleichen Maße die Belange und Interessen aller in einer Region tätigen Gewerbetreibenden ermitteln und vertreten können wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen, die vielfach gesetzlich, durch ihre innere Organisation und durch Rechtsaufsicht gebunden ist . Zwar könnte der Gesetzgeber die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer durch ein Konzept freiwilliger Mitgliedschaft bei Erhalt der Kammern im Übrigen ersetzen. Doch sichert die Pflichtmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden eines Bezirks die Voraussetzungen für eine partizipative Ermittlung des Gesamtinteresses nach § 1 Abs. 1 IHKG, bei der tatsächlich alle Betriebe und Unternehmen jedenfalls berücksichtigt werden können. Wäre die Mitgliedschaft freiwillig, bestünde zudem ein Anreiz, als „Trittbrettfahrer“ von den Leistungen der Kammer zu profitieren, ohne selbst Beiträge zu zahlen. Die an die Pflichtmitgliedschaft gebundene Beitragspflicht trägt dazu bei, den Kammern die Erfüllung ihrer Aufgaben - vorbehaltlich der Angemessenheit ihrer Höhe und der ordnungsgemäßen Verwendung - zu ermöglichen.
 
Auch gegen die Organisation in Bezirken und damit auf der Ebene regionaler Selbstverwaltung zur Erfüllung der benannten Aufgaben bestehen hinsichtlich ihrer Eignung, die legitimen Ziele des Gesetzgebers zu erreichen, keine durchgreifenden Bedenken. Dahinter steht die plausible Einschätzung, dass auch in einer vielfach europäisierten und globalisierten Wirtschaftspolitik Handlungsimpulse von der lokalen oder regionalen Ebene kommen können und sollen. Der Einwand, dass ausländische Gewerbetreibende nicht hinreichend als Mitglieder beteiligt würden und daher ein Gesamtinteresse fehle, greift nicht. Die Pflichtmitgliedschaft in § 2 Abs. 1 IHKG knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit an, sondern an die Niederlassung; entscheidend ist die örtliche Verankerung.“

 

(3) Erforderlichkeit

Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der B durch die Heranziehung zu Beiträgen an die Industrie- und Handelskammern als Pflichtmitglied nach §§ 2 und 3 IHKG müsste auch erforderlich sein.
Das BVerfG verweist auf den weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und führt aus, dass es an der Erforderlichkeit nur fehle, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, mit dem das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar eingeschränkt wird, wobei die sachliche Gleichwertigkeit bei Alternativen in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss:

„Dafür, dass der Kammer - den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers überschreitend - Aufgaben zugewiesen wurden, die unnötige Kosten nach sich ziehen, oder dass finanzielle Mittel auf andere Weise mit geringerer Eingriffswirkung gleichermaßen verlässlich von den Betroffenen erhoben werden könnten, ist nichts ersichtlich. Die Frage danach wurde vielmehr in der rechtspolitischen Diskussion ausdrücklich gestellt und verneint. So zeigen der Bericht der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie- und Handelskammern vom 29. Mai 2002 (BTDrucks 14/9175) oder auch die Beratung der Petition 24793 zur Reform des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern am 3. Juli 2014 im Deutschen Bundestag, dass die Erforderlichkeit der Aufgabenzuweisung wiederholt diskutiert worden ist. Auch wurden in einer gemeinsamen Studie von Bundesregierung, DIHK, nationalem Normenkontrollrat und Statistischem Bundesamt aus dem Jahr 2011 die Bürokratiekosten der hoheitlichen Aufgaben der Kammern untersucht, um Belastungen für ihre Mitglieder möglichst gering halten zu können (verfügbar unter www.destatis.de). Da die Industrie- und Handelskammer das Interesse der Mitglieder wahrnimmt und ihre wirtschaftliche Tätigkeit fördert, ist nicht ersichtlich, welches mildere Mittel zur Kostentragung als die in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG geregelte allgemeine, nach der Leistungsfähigkeit gestaffelte Beitragslast eingesetzt werden könnte, unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit in der Höhe, der rechtfertigungsbedürftigen Staffelung und der Verwendung.“

Eine freiwillige Mitgliedschaft in der IHK sei demgegenüber „nicht die eindeutig weniger belastende Alternative“:

„Die ebenfalls im Deutschen Bundestag aufgrund entsprechender Gesetzesinitiativen diskutierte Alternative einer freiwilligen Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern ist verfassungsrechtlich nicht die eindeutig weniger belastende Alternative zur geltenden Regelung. Nach wie vor lässt sich aus dem aufgrund der Pflichtmitgliedschaft alle Branchen und Betriebsgrößen umfassenden Mitgliederbestand das legitime gesetzgeberische Ziel erkennen, in den Kammern die Teilhabe aller großen, mittleren und kleinen Unternehmen und Betriebe zu sichern. Der Wert der Arbeit der Kammern beruht insofern nicht nur auf der Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch auf der Vollständigkeit der Informationen, die den Kammern im Bereich der zu beurteilenden Verhältnisse zugänglich sind (vgl. BVerfGE 15, 235 ). Eine freiwillige Mitgliedschaft erreicht dies nicht. Die Zielsetzung der Wahrnehmung des Gesamtinteresses ist notwendig mit einer möglichst vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen verbunden, die „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen sind (§ 1 Abs. 1 IHKG). In der allgemeinen Mitgliedschaft zeigt sich der Unterschied zwischen selektiver Interessenvertretung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses. Eine freiwillige Organisation und die von den Beschwerdeführerinnen angeführte Aufgabenwahrnehmung der Interessenverbände verfolgen andere Ziele.“

 

(4) Angemessenheit

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung führt das BVerfG aus, dass die Beitragslast keinen unzumutbaren Umfang erreiche und die Pflichtmitgliedschaft den Kammerzugehörigen zudem die Möglichkeit biete, sich an den Entscheidungsprozessen der IHK aktiv mitzuwirken:

„Die Belastung der beschwerdeführenden Betriebe durch die nach dem Gewerbeertrag gestaffelte Beitragspflicht sowie die sie begründende Pflichtmitgliedschaft in der regionalen Industrie- und Handelskammer wiegen nicht sehr schwer. Bundesweit hat sich die Beitragspflicht in den letzten Jahren eher verringert als erhöht. So stellte die Bundesregierung für den Zeitraum von 1998 bis 2001 einen Rückgang der durchschnittlichen Beitragslast um 10,3 % fest (BTDrucks 14/9175, S. 2); der durchschnittliche bundesdeutsche Zahlbetrag liegt bei 190 € (oben A I 4 Rn. 14). Entsprechend sanken, wie sich aus öffentlich verfügbaren Daten ergibt (jeweils aktualisiert unter www.ihk.de), auch in den Bezirken der Beklagten der hiesigen Ausgangsverfahren die Durchschnittsbeiträge der im Handelsregister eingetragenen Unternehmen, bei der IHK Schwaben von 504 € im Jahr 2007 auf 410 €, bei der IHK Kassel-Marburg von 647 € im Jahr 2007 auf 520 €. Weder allgemein noch individuell tragen die Beschwerdeführerinnen überzeugend vor, dass die Beitragslast absolut oder im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung unzumutbar sei.
 
Das gilt sowohl für die Mitgliedschaft als auch soweit Mitglieder mit dem Handeln „ihrer“ Industrie- und Handelskammer als Selbstverwaltungskörperschaft in Verbindung gebracht werden. Der Gesetzgeber zwingt mit § 2 Abs. 1 IHKG zwar auch jene in die Kammer, die sich nicht einbringen wollen. Allerdings eröffnet die Pflichtmitgliedschaft den Kammerzugehörigen auch die Möglichkeit der Beteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozessen, einschließlich der Möglichkeit, sich nicht aktiv zu betätigen (so bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, www.bverfg.de, Rn. 50). Die Pflichtmitgliedschaft zwingt außerdem nicht dazu, es hinnehmen zu müssen, wenn der Pflichtverband und seine Organe die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben überschreiten. Dagegen kann jedes Mitglied fachgerichtlich vorgehen, wie dies auch tatsächlich praktiziert wird (aus jüngerer Zeit: VG Düsseldorf, Urteil vom 11. Mai 2016 - 20 K 3417/15 -, juris, VG Hamburg, Urteil vom 25. November 2015 - 17 K 4043/14 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 K 3870/10 -, juris, vgl. auch BVerwGE 137, 171; 154, 296).“

 

(5) Zwischenergebnis

Die Pflichtmitgliedschaft und mit ihr die Beitragspflicht sind damit verhältnismäßig.  

bb. Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip

Nach Ansicht des BVerfG seien die maßgeblichen Vorschriften in §§ 2, 3 IHKG auch mit dem Demokratieprinzip vereinbar.
 
Zunächst stellt der Senat die Anforderungen dar, die sich aus dem Demokratieprinzip ergeben:

„Nach dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG bedarf alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter, gleich ob unmittelbar außenwirksam oder nicht, der demokratischen Legitimation. Es muss sich auf den Willen des Volkes als der Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger zurückführen lassen und, sofern nicht das Volk selbst entscheidet, ihm gegenüber verantwortet werden. Der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird vor allem durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt. Für die demokratische Legitimation staatlichen Handelns ist nicht deren Form entscheidend, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 136, 194 m.w.N.). Insoweit haben die personelle und die sachlich-inhaltliche, über die gesetzliche Steuerung und die staatliche Aufsicht vermittelte Legitimation nicht je für sich Bedeutung, sondern nur in ihrem Zusammenwirken (vgl. BVerfGE 107, 59 ; 130, 76 <124, 128>; 136, 194 ). Je intensiver die in Betracht kommenden Entscheidungen etwa Grundrechte berühren, desto höher muss das Legitimationsniveau sein (vgl. BVerfGE 93, 37 ; 130, 76 ; 135, 155 ; 136, 194 ).
 
Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der sachlich-gegenständlich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot grundsätzlich offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Demokratisches Prinzip und Selbstverwaltung stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz zueinander (BVerfGE 107, 59 m.w.N.). Dementsprechend sind für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung von dem Erfordernis lückenloser personeller Legitimation abweichende Formen der Beteiligung von Betroffenen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gebilligt worden, wenn dies ausgeglichen wurde durch eine stärkere Geltung der gleichfalls im Gedanken der Selbstbestimmung und damit im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie (vgl. BVerfGE 135, 155 ; 136, 194 ). Auch außerhalb der funktionalen Selbstverwaltung können im Interesse sachgerechter, effektiver Aufgabenwahrnehmung begrenzte Abweichungen von der Regelanforderung uneingeschränkter personeller Legitimation zulässig sein. Ob und inwieweit Lockerungen einer personellen Legitimation mit dem Demokratieprinzip vereinbar sind, hängt auch davon ab, ob die institutionellen Vorkehrungen eine nicht Einzelinteressen gleichheitswidrig begünstigende, sondern gemeinwohlorientierte und von Gleichachtung der Betroffenen geprägte Aufgabenwahrnehmung ermöglichen und gewährleisten. Die Regelungen über die Organisationsstruktur der Selbstverwaltungseinheiten müssen insoweit auch ausreichende institutionelle Vorkehrungen dafür enthalten, dass die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt und nicht einzelne Interessen bevorzugt werden (vgl. BVerfGE 37, 1 ; 107, 59 ). Wo der Gesetzgeber solche Lockerungen vorsieht, müssen zudem die Möglichkeiten parlamentarischer Beobachtung und Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung unbeeinträchtigt bleiben (vgl. BVerfGE 135, 155 ; 136, 194 , m.w.N.).“

 
Nach diesen Maßstäben gebe es für die Wahrnehmung der Aufgaben der Industrie- und Handelskammern ein hinreichendes Legitimationsniveau. Die gesetzlichen Regelungen genügten den Anforderungen an eine hinreichende sachlich-inhaltliche Legitimation in der Form der Selbstverwaltung in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft:

„Sie haben nach § 1 Abs. 1 IHKG die Aufgabe, „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“. Es obliegt ihnen insbesondere, „durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten“, sowie „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“ Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass die Kammern in einem abgegrenzten Bereich eigenverantwortlich öffentliche Aufgaben wahrnehmen sollen, indem sie private Interessen gebündelt zur Geltung bringen (vgl. BVerfGE 107, 59 ). Diese Aufgaben zielen aber nicht auf Eingriffe in Rechte Dritter und mit Ausnahme der Befugnis zur Erhebung von Beiträgen der Mitglieder nach § 3 IHKG und der jeweiligen Beitragsordnung auch nicht auf Eingriffsbefugnisse zu Lasten der Mitglieder. Vielmehr nehmen die Industrie- und Handelskammern nach § 1 Abs. 1 IHKG Selbstverwaltungsaufgaben wahr.…
 
Zur Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Gewerbetreibenden im Bezirk ist die Kammer nach dem Selbstverwaltungsgedanken nicht zuletzt durch Kommunikation und durch Diskussion der wesentlichen Entscheidungen in der Vollversammlung gehalten, alle Positionen angemessen zu berücksichtigen und erforderlichenfalls auch zu kommunizieren (vgl. oben C II 2 b dd Rn. 110 f., siehe auch unten C II 2 c bb Rn. 126.).“

Zwar begründe die Befugnis zur Erhebung von Beiträgen nach § 3 IHKG und nach der Beitragsordnung Eingriffsbefugnisse zu Lasten der Mitglieder. Die Ausgestaltung der Beitragspflicht genüge jedoch den insoweit höheren Legitimationsanforderungen an eine grundrechtsrelevante Befugnis einer Selbstverwaltungskörperschaft:

„Die wesentlichen Vorentscheidungen über Grund und Höhe der Beitragserhebung ergeben sich aus § 3 Abs. 2 bis 8, § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG, also insoweit sachlich-inhaltlich legitimiert. So enthalten § 3 Abs. 3 und Abs. 4 IHKG Vorgaben zur Aufteilung in Grundbeitrag und Umlage, zum Beitragsmaßstab und zum Personenkreis, der für Befreiungstatbestände und Ermäßigungen in Betracht kommt, sowie zu den unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen. Zudem verlangt § 3 Abs. 7 Satz 2 IHKG, dass in der Beitragsordnung der Erlass und die Niederschlagung von Beiträgen zu regeln sind. Die Entscheidung über die Beitragstatbestände ist damit der Beitragsordnung und mithin der Satzungsgewalt der Vollversammlung vorbehalten. Durch die Entscheidung der Vollversammlung ist die Beitragsordnung folglich durch die Betroffenen selbst jedenfalls wesentlich mitbestimmt. Die Satzungsautonomie findet ihren Sinn darin, die Mitglieder zu aktivieren und ihnen gemeinsam die Regelung solcher Angelegenheiten eigenverantwortlich zu überlassen, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am Sachkundigsten beurteilen können (vgl. BVerfGE 33, 125 ; 111, 191 ). Darüber hinaus unterliegt der Erlass der Beitragsordnung ebenso wie die Beitragserhebung nach dem Klammerzusatz in § 11 Abs. 1 Satz 1 IHKG der Rechtsaufsicht. Somit ergibt sich aus den gesetzgeberischen Vorgaben ein hinreichendes Legitimationsniveau für den mit den Beiträgen für Pflichtmitglieder einhergehenden Grundrechtseingriff.“

Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Festsetzung des Maßstabs für die Beiträge und Sonderbeiträge nach § 4 Satz 2 Nr. 4 IHKG durch die Vollversammlung erfolge. Die Wahl der Vollversammlung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden:

„Außerhalb demokratischer Wahlen politisch-parlamentarischer Art kann der Grundsatz, dass aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausgeübt werden können soll, Einschränkungen erfahren (vgl. BVerfGE 39, 247 für Selbstverwaltungsorgane der Hochschulen). Das Grundgesetz erzwingt keine formal gleiche Art der Wahlen aller Art (vgl. BVerfGE 41, 1 ). Entscheidend ist, dass gesetzliche Vorgaben für eine autonome Entscheidungsfindung die angemessene Partizipation aller Betroffenen an der Willensbildung gewährleisten (vgl. BVerfGE 76, 171 ; 107, 59 ). Die Ausgestaltung des Wahlrechts wird daher nur dadurch begrenzt, dass diese mit dem Grundgedanken autonomer interessengerechter Selbstverwaltung einerseits und effektiver öffentlicher Aufgabenwahrnehmung andererseits vereinbar sein muss (vgl. BVerfGE 107, 59 ). Die Organe müssen nach demokratischen Grundsätzen gebildet werden (vgl. BVerfGE 33, 125 ; 111, 191 ). Es bedarf ausreichender institutioneller Vorkehrungen dafür, dass die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt und nicht einzelne Interessen bevorzugt werden (vgl. BVerfGE 37, 1 ; 107, 59 ; 135, 155 ; 136, 194 m.w.N.).
 
Diesen Anforderungen werden die Regelungen zu den Wahlen zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammern gerecht. Die Vollversammlung wird nach § 5 Abs. 1 IHKG gewählt. Wahlberechtigt ist das der Kammer zugehörige Mitglied nach § 2 Abs. 1 IHKG, wobei jedes Mitgliedsunternehmen - wie nach § 2 Abs. 2 der Wahlordnung der IHK Kassel-Marburg - eine Stimme hat. Sind in Konzernstrukturen die Teilunternehmen als juristische Personen des Privatrechts jeweils selbst Mitglieder nach § 2 Abs. 1 IHKG, kann der Konzern daher auch mehrere Stimmen auf sich vereinen. Das folgt daraus, dass die Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG und im Gewerbesteuerrecht nach § 5 GewStG an die natürliche oder juristische Person anknüpft; insofern werden alle Betriebe formal gleichbehandelt. Die damit aber auch mögliche mehrfache Präsenz eines Konzerns ist zu rechtfertigen, da der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an gewerbesteuerpflichtige natürliche und juristische Personen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellt, die für die Aufgabenstellung der Kammern von erheblicher Bedeutung ist.“

 

c. Zwischenergebnis

Die gesetzlichen Grundlagen der Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht sind verhältnismäßig und genügen den Anforderungen des Demokratieprinzips, weswegen sie zur „verfassungsmäßigen Ordnung“ iSv Art. 2 I GG zu zählen sind. Der Eingriff in Art. 2 I GG ist daher gerechtfertigt.  

III. Ergebnis

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie eine Verletzung von Art. 2 I und 9 I GG rügt, zulässig. Sie ist aber unbegründet.  

C. Fazit

Nach längerer Zeit befasst sich das BVerfG mal wieder mit einem verfassungsrechtlichen „Dauerbrenner“ – der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Pflichtmitgliedschaften in öffentlich-rechtlichen Körperschaften (am Beispiel der IHK). Grund genug, dieses Problem zu wiederholen und zu aktualisieren.