Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Am 14.04.2016 soll das Bundesligaspiel zwischen dem Sportverein W aus Bremen und der Gastmannschaft des Vereins H im Bremer Weserstadion stattfinden. In der Vergangenheit, zuletzt im Hinrundenspiel ist es schon des Öfteren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einem „harten Kern“ von etwa 500 Problemfans aus beiden Lagern gekommen. Bei diesen Auseinandersetzungen sind auch schon unbeteiligte Dritte und Polizisten zu Schaden gekommen.
Ebenfalls für den 14.04.2016 war eine Großdemo gegen die „Großverdiener im Fußball“ auf dem Bahnhofsvorplatz angemeldet. Für diese Veranstaltung waren bereits einige hundert Polizisten zur Absicherung eingeplant.
Wegen der zu erwartenden Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Fans untersagte das Stadtamt Bremen mit Bescheid vom 28.02.2016 dem W die Abgabe des nach den Richtlinien des Ligaverbandes vorgesehenen Kontingents von 20 % der Eintrittskarten an den Gastverein für das Spiel am 14.04.2016.
Hiergegen legte der W am 03.03.2016 Widerspruch ein, der mit Bescheid des Senators für Inneres am 31.03.2016 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung des Widerspruchsbescheides wurde ausgeführt, dass wegen der Vielzahl der zeitgleichen Veranstaltungen, namentlich der Großdemo auf dem Bahnhofsvorplatz, nicht genügend Polizeikräfte zur Verfügung stünden. Auch sei es nicht möglich Amtshilfe aus benachbarten Bundesländern zu bekommen, weil die dortigen Einsatzkräfte wegen der dort ebenfalls stattfindenden Bundesligaspiele gebunden seien. Andere Mittel als die Untersagung der Kartenabgabe seien nicht Erfolg versprechend. Die sonst übliche Fantrennung sei wegen der erheblichen Gewaltbereitschaft und der wenigen verfügbaren Kräfte nicht durchzuführen. Schließlich sei der W als Ausrichter des Fußballspiels für die absehbaren Begleiterscheinungen auch verantwortlich.
Im Ergebnis fand das Fußballspiel am 14.04.2016 ohne Abgabe des Kartenkontingents an den H im Weserstadion statt. Im Übrigen kommt es bei der Großdemo auf dem Bahnhofsvorplatz zu gewalttätigen Ausschreitungen, an der sowohl Fans des Sportvereins W als auch vom Spiel ferngehaltene Fans des Vereins H beteiligt sind, mit 15 verletzten Polizisten.
Der W möchte die Untersagungsverfügung nicht auf sich beruhen lassen. Er befürchtet, dass dieser Vorgang Schule machen könne und möchte sicherstellen, dass bei künftigen Spielen stets das Kartenkontingent an den Gastverein abgegeben werden kann. Daher werdet sich der W am 18.04.2016 an das zuständige Verwaltungsgericht, um die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung feststellen zu lassen. Zur Begründung trägt der W vor, die Behörde hätte gegen die auswärtigen Fans vorgehen müssen und können. Die Behörde habe nicht alle in Betracht kommenden Mittel (Gefährderanschreiben, Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote) ausgeschöpft. Der W könne zumindest nicht in Anspruch genommen werden, weil er nur von seinen Grundrechten Gebrauch mache. Außerdem sei das Kartenabgabeverbot auch kein geeignetes Mittel, um Auseinandersetzungen zu vermeiden, das hätten die Ereignisse auf dem Bahnhofsvorplatz dann ja gezeigt.
Hat die von W erhobene Klage Aussicht auf Erfolg?
Unverbindliche Lösungsskizze
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtweges, § 40 I 1 VwGO
Hier: BremPolG
II. Statthafte Klageart
-> Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 I 4 VwGO analog
- Verwaltungsakt
Hier: Verkaufsverbot = VA i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG - Erledigung, § 43 II VwVfG
Hier: Zeitablauf - Zeitpunkt der Erledigung
- Eigentlich: Erledigung nach Klageerhebung
- Bei Erledigung vor Klageerhebung -> § 113 I 4 VwGO analog;Arg.: Vergleichbarkeit
III. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
- Fortsetzungsfeststellungsinteresse, § 113 I 4 VwGO analog
Hier: Wiederholungsgefahr; Rehabilitationsinteresse - Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog
Hier: Art. 12 I, 2 I GG - Erfolgloses Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO analog
- Problem: Erforderlichkeit
-aA: (+); Arg: Sinn und Zweck (Selbstkontrolle) - hM: (-); Arg.: Sinn und Zweck (Selbstkorrektur)
4. Klagefrist, § 74 I VwGO analog
- Problem: Erforderlichkeit
- aA: (+), und zwar ein Jahr; Arg.: § 58 II VwGO
- hM: (-); Arg.: Sinn und Zweck der Klagefrist
Hier: nach beiden Auffassungen (+)
5. Klagegegner, § 78 I VwGO analog
Hier: Stadtgemeinde Bremen, § 78 I Nr. 1 VwGO analog
IV. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen (+)
B. Begründetheit
I. Rechtswidrigkeit des VA
- Ermächtigungsgrundlage
a) Spezialgesetz (-)
b) Generalklausel, § 10 I BremPolG
2. Formelle Rechtmäßigkeit
- Sofern eine Anhörung gem. § 28 I VwVfG unterblieben sein sollte, dann Heilung nach § 45 I Nr. 3 VwVfG
3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
aa) Schutzgut
-> Öffentliche Sicherheit
Hier: Geschriebenes Recht (§§ 223, 303 StGB) und Individualgüter (Leib, Eigentum)
bb) Gefahr
-> Hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (+); Arg.: häufige gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den „Problemfans“ bei Begegnungen in der Vergangenheit
cc) Ordnungspflichtigkeit
(1) Verhaltensstörer, § 5 BremPolG
(a) Unmittelbarer Verursacher
(-); Arg.: Keine Überschreitung der Gefahrenschwelle durch F selbst
(b) Mittelbarer Verursacher
Problem: „Zweckveranlasser“
– aA: subjektive Theorie -> (-); Arg: Überschreitung der Gefahrenschwelle durch Fans von W nicht „gewollt“
– hM: objektive Theorie -> eigentlich (+); Arg.: Überschreitung der Gefahrenschwelle „vorhersehbar“; aber: Grundrechtsausübung des F, Art. 12 I GG
(2) Notstandspflichtiger, § 7 BremPolG („Nichtstörer“)
(a) Gegenwärtige erhebliche Gefahr (+)
(b) Vorgehen gegen Verhaltensstörer nicht erfolgversprechend
Hier: Aufenthaltsverbote und Meldeauflagen in der Vergangenheit wirkungslos
(c) Keine Abwehr durch eigene Kräfte oder durch Beauftragte
Hier: Polizeikräfte durch Großdemo auf dem Bauhhofsvorplatz gebunden; Eskalation nicht kontrollierbar; Amtshilfe aus benachbarten Regionen nicht möglich
(d) Keine Eigengefährdung des W (+)
b) Rechtsfolge: Ermessen
aa) Entschließungsermessen („Ob“) (+)
bb) Auswahlermessen („Wie“)
(1) Störerauswahl
Hier: Vorgehen gegen Problemfans nicht Erfolg versprechend (s.o.)
(2) Mittelauswahl
-> Verhältnismäßigkeit
(a) Zulässiger Zweck
Hier: Schutz von Leib, Leben, Eigentum
(b) Geeignetheit
-> Einschätzungsprärogative der Behörde; tatsächliche spätere Ausschreitungen am Bahnhofsvorplatz unbeachtlich
(c) Erforderlichkeit
Hier: mildere Alternativmittel gleicher Eignung nicht ersichtlich.
(d) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
-> Berufsfreiheit, Art. 12 I GG
Hier: „Berufsausübungsregel“ (1. Stufe)
-> Vernünftige Gründe des Gemeinwohls
Hier: Leib, Leben, Eigentum
4. Ergebnis
Untersagungsverfügung rechtmäßig.
II. Ergebnis: (-)
C. Gesamtergebnis: (-)
C. Ergebnis: (+)
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen