BGH: Ist eine Windkraftanlage (nur) ein Scheinbestandteil?

A. Sachverhalt

K ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Windkraftanlage befindet. Erworben hat er es aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 12. Mai 2014 von der ursprünglichen Eigentümerin, C. A.. Deren Ehemann, M. A., hatte die Anlage Mitte der 1990er Jahre errichten lassen und die Fläche, auf der die Anlage stehen sollte, nebst Zuwegung von seiner Ehefrau gepachtet. Dabei ging M.A. davon aus, dass die Windkraftanlage nur eine begrenzte Lebens- und Nutzungsdauer habe, die er auf etwa 20 Jahre bemessen hatte; nach deren Ablauf hätte die Anlage abgebaut werden müssen. Durch Vertrag vom 19. Juli 2006 veräußerte er die Windkraftanlage an die B. Diese pachtete mit Vertrag vom selben Tag von C. A. den Teil des Grundstücks, auf dem die Anlage steht.
 
K meint, bei der Anlage handele es sich um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks und begehrt die Feststellung, dass er Eigentümer der Windkraftanlage sei.
 
Ist die Klage begründet?  

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 7.4.2017 –V ZR 52/16)

Die Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) ist begründet, wenn K Eigentümer der Windkraftanlage ist. Er könnte das Eigentum an der Windkraftanlage erworben haben, als ihm die C.A. das Grundstück, auf dem die Anlage steht, übereignete (§§ 873, 925 BGB). Dann müsste es sich bei der Anlage um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks (§§ 93, 94 BGB) handeln, der bei Errichtung in das Eigentum der damaligen Eigentümerin des Grundstücks übergegangen ist (§ 946 BGB).
 
Zwar ist die Anlage mit dem Grund und Boden fest verbunden (§ 94 I 1 BGB). Gemäß § 95 I 1 BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks solche Sachen aber nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Es könnte sich hier also um einen bloßen Scheinbestandteil gehandelt haben. Der BGH führt dazu aus, dass es insoweit auf den inneren Willen des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache ankomme. Erfolge die Verbindung durch einen bloß schuldrechtlich Berechtigten spreche dafür insoweit eine tatsächliche Vermutung:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist.
 
Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1984 – VIII ZR 270/83, BGHZ 92, 70, 73; Senat, Urteil vom 20. Mai 1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom 26. November 1999 – V ZR 302/98, NJW 2000, 1031, 1032; Urteil vom 23. September 2016 – V ZR 110/15, juris Rn. 16).
 
b) Verbindet ein Mieter, Pächter oder sonst schuldrechtlich Berechtigter eine Sache, insbesondere ein Gebäude, mit dem ihm nicht gehörenden Grundstück, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er dabei nur in seinem eigenen Interesse handelt und nicht zugleich in der Absicht, die Sache nach Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen, also dafür, dass die Verbindung nur vorübergehend – für die Dauer des Vertragsverhältnisses – hergestellt ist (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 1952 – V ZR 36/51, BGHZ 8, 1, 5; Urteil vom 20. Mai 1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom 23. September 2016 – V ZR 110/15, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 – III ZR 266/12, NJW-RR 2013, 910 Rn. 13).“

 
Danach würde es sich bei der Windkraftanlage um einen Scheinbestandteil handeln. M. A. hatte im Zeitpunkt der Errichtung den Willen, die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück zu verbinden, weil er sie nach Ablauf des Pachtvertrages wieder abbauen sollte.
 
Fraglich ist allerdings, ob im vorliegenden Fall davon gesprochen werden kann, dass die Windkraftanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden wurde. Immerhin sollte die Anlage während ihrer gesamten prognostizierten Lebensdauer von 20 Jahren auf dem Grundstück verbleiben. Die Frage, ob eine Sache bei einer Verbindung aufgrund eines zeitlichen Nutzungsrechts Scheinbestandteil eines Grundstücks sein kann, wenn sie für ihre gesamte (wirtschaftliche) Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll und bei dem in Aussicht genommenen Vertragsende “verbraucht” sein wird, wird nicht einheitlich beantwortet:

„(1) Zum Teil wird dies verneint. Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht von einer “vorübergehenden Verbindung”, sondern von einer “Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck” spreche. Werde die Verbindung mit dem Grundstück – wie beispielweise bei der Errichtung von Windkraftanlagen – um eines wirtschaftlichen Ertrages willen vorgenommen, den die Anlage nur in Verbindung mit einem Grundstück abwerfen könne, bestimme die Ertragsfähigkeit der Anlage den Zweck der Verbindung. Habe diese solange bestanden, bis die Anlage “verbraucht” gewesen sei, habe die Verbindung ihren Zweck und die erwartbare Dauer damit voll, und nicht nur teilweise oder nur vorübergehend, erfüllt (vgl. insbesondere Ganter, WM 2002, 105, 106 ff.; siehe auch OLG Celle, CuR 2009, 150, 151; OLG Rostock, GE 2004, 484 f.; Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 95 Rn. 11; ders., WM 2007, 861, 865; BeckOK BGB/Fritzsche, BGB [Stand: 01. 11. 2016], § 95 Rn. 5; im Grundsatz auch BeckOGK/Mössner, BGB, [Stand: 01. 01. 2017], § 95 Rn. 10. 3).
 
(2) Dem steht die Auffassung gegenüber, dass die Annahme, eine Verbindung sei zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt, nicht von der Nutzungsdauer der eingebrachten Sache abhängt (OLG Schleswig, WM 2005, 1909, 1912; MüKoBGB/Stresemann, 7. Aufl., § 95 Rn. 12; Erman/J. Schmidt, BGB, 14. Aufl., § 94 Rn. 12; Fischer/Klindtworth in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., Bd. 2, §§ 929 bis 930 BGB, Rn. 125; Hagen, CuR 2010, 44, 46 f.; Peters, WM 2007, 2003, 2006; Voß/Steinheber, ZfIR 2012, 337, 341; Derleder/Sommer, ZfIR 2008, 325, 329).“

 
Der BGH führt zunächst aus, dass für die letztgenannte Auffassung der Wortlaut des § 95 I 1 BGB spreche. Danach beziehe sich das Zeitmoment nicht auf die wirtschaftliche Lebensdauer der Sache, sondern auf deren Verbindung mit dem Grundstück:

„Dass § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nur von einer “vorübergehenden Verbindung”, sondern von einer “Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck” spricht, zwingt nicht zu einem anderen Verständnis. Die Formulierung verdeutlicht, dass die Absicht des Einfügenden bei Herstellung der Verbindung maßgeblich für die Entstehung eines Scheinbestandteils ist. Wäre nur von einer “vorübergehenden Verbindung” die Rede, hätte demgegenüber der Eindruck entstehen können, dass eine Sache durch ihren späteren Ab- oder Ausbau der die Verbindung zu einer nur vorübergehenden werden lässt – zu einem Scheinbestandteil wird.
 
Weitergehende Bedeutung kommt dem Begriff “vorübergehender Zweck” nicht zu. Insbesondere hängt die Sonderrechtsfähigkeit einer Sache nicht davon ab, welchen konkreten Zweck der Einfügende mit der Verbindung verfolgt und ob dieser erreicht wird. Letzteres ließe sich nur in einer ex-post-Betrachtung feststellen; eine solche kann schon aus Gründen der Rechtssicherheit für die eigentumsrechtliche Zuordnung einer Sache nicht maßgeblich sein. Aus diesem Grund eignet sich auch die Dauer der Berechtigung des Einfügenden, das Grundstück zu nutzen, nicht für die dingliche Zuordnung der Sache. Diese steht bei Einbringung der Sache nicht unverrückbar fest; ein Nutzungsvertrag kann verkürzt, verlängert oder aufgehoben werden. Zudem lässt sie nicht den Schluss zu, dass die Sache für diesen Zeitraum mit dem Grundstück verbunden bleiben wird. Für die Einordnung einer Sache als Scheinbestandteil kommt es zwar auf die Absicht des Einfügenden an, die Verbindung später wieder zu lösen. Wann dies geschieht, ist aber ihm überlassen; auf einen bestimmten Zeitpunkt muss er sich nicht festlegen.“

 
Bei § 95 BGB fehle es an einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen der Lebensdauer einer Sache und deren eigentumsrechtlicher Zuordnung. Sinn und Zweck von § 95 BGB erforderten eine solche Verknüpfung nicht:

„(aa) Die in der Vorschrift normierte Ausnahme von dem in § 94 BGB bestimmten Grundsatz des Verlusts der Sonderrechtsfähigkeit beweglicher Sachen durch die Verbindung mit einem Grundstück (Akzessionsprinzip) dient dem Schutz des Interesses an einem Fortbestand des Eigentums an der beweglichen Sache. Dieses ist bei einer Nutzung des Grundstücks zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines begrenzten Rechts am Grundstück als berechtigt anerkannt worden (Motive III, S. 47, 48). Dem Interesse an der Verfügbarkeit über die eingefügte Sache, also deren Sonderrechtsfähigkeit, kommt nach der Wertung des § 95 Abs. 1 BGB insoweit Vorrang vor dem durch § 94 Abs. 1 BGB geschützten Interesse des Verkehrs mit Grundstücken an Klarheit und Publizität der Rechtsverhältnisse zu (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 – V ZR 35/05, BGHZ 165, 184, 191).
 
(bb) Das Interesse an der Sonderrechtsfähigkeit der mit dem Grundstück vorübergehend verbundenen Sache wird unabhängig davon geschützt, ob die Sache kurzfristig oder (voraussichtlich) für ihre gesamte wirtschaftliche Lebensdauer mit dem Grundstück verbunden wird. Der Einfügende kann in dem einen wie in dem anderen Fall darauf angewiesen sein, die Sache als Kreditunterlage zu verwenden, oder die Möglichkeit haben wollen, über seine Investition während der Nutzungszeit anderweitig zu disponieren (Hagen, CuR 2010, 44, 46; siehe auch Senat, Urteil vom 15. Mai 1998 – V ZR 83/97, WM 1998, 1632, 1635). Auch für den Fall, dass sein Nutzungsrecht früher als erwartet endet, etwa infolge einer außerordentlichen Kündigung, hat er ein Interesse daran, dass er das Eigentum an der eingebrachten Sache nicht an den Grundstückseigentümer verloren hat.
 
(cc) Soweit es – wie hier – um Windkraftanlagen geht, hat der Errichter der Anlage beispielsweise wegen des sog. Repowerings und des Zweitmarktes für gebrauchte Windkraftanlagen ein Interesse an der Verfügungsbefugnis während der Nutzungszeit. Bei Tausch vorhandener Windkraftanlagen gegen leistungsstärkere “verbrauchen” sie sich gerade nicht auf dem Fremdgrundstück, sondern werden vor Ablauf ihrer erwarteten Lebensdauer von dem Grundstück entfernt, verkauft und an anderer Stelle weiter genutzt (vgl. OLG Schleswig, WM 2005, 1909, 1912; Peters, WM 2007, 2003, 2006).“

 
Würde stattdessen der “Verbrauch” der Sache während der Grundstücksnutzung das Vorliegen eines Scheinbestandteils ausschließen, hätte dies zudem der Rechtssicherheit abträgliche Abgrenzungsschwierigkeiten zur Folge:

„(a) Unter welchen Voraussetzungen von einem Verbrauch der Sache auszugehen ist, lässt sich nicht einfach bestimmen und wird auch von den Vertretern der Gegenauffassung – jedenfalls für Windkraftanlagen – unterschiedlich beantwortet. Dies liegt zunächst daran, dass die Lebensdauer solcher Anlagen nicht exakt bestimmt werden kann (vgl. Ganter, WM 2002, 105, 108). Unabhängig davon wird es zum Teil für einen Verbrauch als ausreichend angesehen, dass die Mietdauer 10 % hinter der prognostizierten Lebensdauer der Anlage zurück bleibe (Ganter, WM 2002, 105, 109). Andere verlangen, dass die verbleibende Lebensdauer so bemessen sein müsse, dass eine Weiterbenutzung der Sache nach der Trennung vom Grundstück wirtschaftlich sinnvoll sei (Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 95 Rn. 11). Wieder andere halten eine “gänzliche Wertlosigkeit” für erforderlich, die allerdings nur selten vorliege (vgl. BeckOGK/Mössner, BGB, [Stand: 01. 01. 2017], § 95 Rn. 10. 3).
 
(b) Solche Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats nicht. Da bei einer Verbindung der Sache mit einem Grundstück im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses vermutet wird, dass es sich um einen Scheinbestandteil handelt, kann der Rechtsverkehr trotz der Verbindung von der Sonderrechtsfähigkeit der Sache ausgehen.
 
Dies ist nicht nur im Falle einer Veräußerung der Sache von Bedeutung, sondern auch im Zusammenhang mit der Bestellung von Sicherheiten (insbesondere: Sicherungsübereignung der Sache).“

Damit ist die Windkraftanlage ein Scheinbestandteil (§ 95 I 1 BGB) und nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Durch die Errichtung auf dem Grundstück hat sie somit ihre Sonderrechtsfähigkeit nicht verloren. Scheinbestandteile bleiben, obwohl mit dem Grundstück verbunden, rechtlich selbstständige bewegliche Sachen und werden deshalb wie bewegliche Sachen nach den §§ 929 ff. BGB übereignet. Eine solche Übereignung hat nicht stattgefunden, sodass die Feststellungsklage unbegründet ist.  

C. Fazit

Die Abgrenzung von wesentlichen Bestandteilen (§§ 93, 94 BGB) zu Scheinbestandteilen (§ 95 BGB) ist - wie diese Entscheidung zeigt - praxis- und prüfungsrelevant.

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