Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Die M ist Eigentümerin eines Wohnhauses, dessen Erdgeschoss sie selbst bewohnt. Das Dachgeschoss hat sie bisher vermietet. Als der Mieter auszieht, lässt die M ihre Tochter T und deren nicht ehelichen Lebenspartner, den Informatiker S, mit deren zwei Kindern unentgeltlich in der Dachgeschosswohnung leben. Vermögensabsprachen wurden in diesem Zusammenhang nicht getroffen.
Nach 5 Jahren beginnt der S – mit Einverständnis der M – mit der familiengerechten Renovierung der Dachgeschosswohnung. Dabei wendet der S 30.000 Euro für Baumaterialien auf. Seine Arbeitsleistung hat einen Marktwert von 15.000 Euro. Die Dachgeschosswohnung erfährt dadurch eine Wertsteigerung i.H.v. 50.000 Euro.
5 Jahre später lernt der S die F kennen und zieht aus der Dachgeschosswohnung aus. Für die beiden Kinder ist er unterhaltspflichtig.
S verlangt nunmehr von M einen Ausgleich für die tatsächlich noch vorhandene Wertsteigerung i.H.v. 50.000 Euro, zumindest aber Ersatz für die aufgewendeten Baumaterialien und die Arbeitszeit. Zur Begründung führt der S aus, die M habe die Arbeiten nicht als Schenkung begreifen können, weil die Arbeiten des S vornehmlich der jungen Familie zugutekommen sollten. Im Übrigen seien die Renovierungsarbeiten in der Erwartung durchgeführt worden, dass der S lange Zeit mit seinen Lieben in der Wohnung verbleibe. Der M würde die Werterhöhung daher nicht gebühren.
Die M wiederum entgegnet, der S solle sich schämen: Er, der S, habe 10 Jahre kostenlos in der Wohnung gelebt. Im Übrigen habe sie, die M, selbst keinen Vorteil erlangt, da nur die T und die Kinder nach wie vor in der Wohnung leben würden.
Frage: Kann S von M Zahlung verlangen?
Abwandlung:
S zieht, nachdem er die F kennengelernt hat, nicht aus. Vielmehr lässt er die F – gegen den ausdrücklichen Willen der T – in der gemeinsamen Dachgeschosswohnung einziehen. Vergeblich fordert die T die F auf, auszuziehen. Über den ganzen Vorgang erkrankt die T psychisch und muss sich behandeln lassen.
Frage: Hat die T gegen F einen Anspruch darauf, dass diese aus der Wohnung auszieht? Kann die T von F Ersatz der Behandlungskosten i.H.v. 500 Euro verlangen?
Unverbindliche Lösungsskizze
Ausgangsfall: Ansprüche S gegen M auf Zahlung
A. Vertragliche Ansprüche (-)
B. Aufwendungsersatz, §§ 683 S. 1, 670 BGB
I. Fremdes Geschäft
Hier: objektiv (auch) fremdes Geschäft; Arg: M Eigentümer, S Besitzer
II. Fremdgeschäftsführungswille
-> Wird beim objektiv (auch) fremden Geschäft vermutet; aber: Einlassung des S (für die Familie gemacht)
III. Ergebnis: (-)
C. Verwendungsersatz, §§ 994, 996 BGB
(-); Arg.: kein EBV, da S zum Zeitpunkt der Verwendung berechtigter Besitzer.
D. Deliktische Ansprüche (-)
E. Bereicherungsrechtliche Ansprüche
I. § 812 I 1 1. Fall BGB
Etwas erlangt
Hier: Einsatz von Arbeit und MaterialDurch Leistung S an M
-> Bewusste und bezweckte Mehrung fremden Vermögens; Zweck: Erfüllung einer Verbindlichkeit
Hier: S bezweckte mit den Umbauarbeiten, auch und insbesondere aus Sicht der M, keine Erfüllung einer Verbindlichkeit im Verhältnis S-MErgebnis: (-)
- Etwas erlangt (+)
- In sonstiger Weise
Hier: „Verwendungskondition“ - Ohne Rechtsgrund
- Schenkungsvertrag S-M (-)
- Echte berechtigte GoA (-), s.o.
4. Rechtsfolge: Herausgabe
-> Wertersatz, § 818 II BGB
- Problem: Sichtweise
- aA: subjektiv -> wohl (-); Arg.: „kein Vorteil“ (andere Subsumtion vertretbar)
- aA: objektiv -> (+); Arg.: objektive Wertersteigerung i.H.v. 50.000 Euro
5. Kein Ausschluss
-> Entreicherung, § 818 III BGB (bzw. niemals bereichert) – „aufgedrängte Bereicherung“ (-); Arg.: Einverständnis der M
6. Aufrechnung mit Gegenansprüchen, § 387 BGB
a) Aufrechungserklärung
Hier: Auslegung, § 133, 157 BGB („10 Jahre kostenlos in der Wohnung gelebt“ und deshalb kein Ausgleichsanspruch – andere Auslegung vertretbar)
b) Aufrechnungslage
aa) Gegenseitige Forderungen
-> Ansprüche M gegen S
(1) Vertragliche Ansprüche (-)
(2) Quasivertragliche Ansprüche (-)
(3) Dingliche Ansprüche (-)
(4) Deliktische Ansprüche (-)
(5) § 812 I 1 1. Fall BGB
(a) Etwas erlang
Hier: Wohnnutzung
(b) Durch Leistung M an S
Hier: wohl nicht zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit (zumindest aber, wenn Leihe angenommen würde, läge ein Rechtsgrund vor).
(c) Ergebnis: (-)
c) Ergebnis: (-)
7. Ergebnis: (+), i.H.v. 50.000 Euro
III. § 812 I 2 2. Fall BGB
- Etwas erlangt (+)
- Zweckfortfall
Hier: Vorstellung des S von einem langen Verbleib in der Wohnung mit seinen Lieben – gilt nicht im Verhältnis zu M - Ergebnis: (-)
Abwandlung:
A. T gegen F auf Auszug aus der Wohnung, § 823 I BGB (ggf. i.V.m. § 1004 BGB)
I. Rechtsgutsverletzung
Hier: Störung des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der nichtehelichen Lebensgemeinschaft“ als „sonstiges Recht“ (andere Ansicht vertretbar)
II. Verletzungsverhalten
Hier: Einzug
III. Zurechnung (+)
IV. Rechtswidrigkeit
-> Einwilligung des S unbeachtlich, da S nicht alleiniger Inhaber des Hausrechts
V. Verschulden
Hier: Kenntnis der F von dem entgegenstehenden Willen der T
VI. Rechtsfolge: Schadensersatz
-> Naturalrestitution, § 249 I BGB = Auszug
VII. Ergebnis: (+)
B. T gegen F auf Ersatz der Behandlungskosten i.H.v. 500 Euro, § 823 I BGB
I. Rechtsgutsverletzung
Hier: (psychische) Gesundheit
II. Verletzungsverhalten
Hier: Einzug der F in die Wohnung von T und S
III. Zurechnung
- Kausalität (+)
- Adäquanz
-> Atypischer Kausalverlauf (-); Arg.: psychische Belastung der T durch Einzug der F in die bestehende nichteheliche Wohngemeinschaft T-S noch im Rahmen der zu erwartenden Folgen
IV. Rechtwidrigkeit
-> Einwilligung des S unbeachtlich, da S nicht alleiniger Inhaber des Hausrechts
V. Verschulden
Hier: Kenntnis der F von dem entgegenstehenden Willen der T
VI. Rechtsfolge: Schadensersatz
-> Kausal-adäquater Schaden
**
Hier:** Kosten der Behandlung durch Psychologen
VI. Kein Ausschluss
-> Mitverschulden der T, § 254 BGB (-)
VII. Ergebnis: (+)
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