Examensreport: ZR I 1. Examen aus dem April 2017 in Bremen

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

 
S sammelt Oldtimer. Beim Durchsuchen des Internets findet er einen privaten Verkäufer H, der zwei Autos loswerden will, einen Audi Coupé aus der Baureihe B2 und einen Audi Coupé B3. S will den B2 unbedingt haben. Da es Sonntagabend ist und er ab Montag auf Geschäftsreise ist, schreibt er V eine E-Mail mit dem Link zu den Autos und schreibt knapp dazu, dass V für S Montag gleich zu H gehen soll und den B3 für den angegebenen Preis von 1900 Euro kaufen soll. Weitere Informationen gibt es nicht, er liest die Mail auch nicht noch mal durch und schickt sie so an V. S hatte sich vertippt und statt „B2“ nun „B3“ geschrieben.
 
V fährt zu H, sie werden sich handelseinig für 1900 Euro, wobei der V zu erkennen gibt, dass er für den H handelt. Auf Drängen des S überredet V den H, das Auto zu S nach Hause zu liefern.
 
Als das Auto geliefert wird, bemerkt S den Irrtum. Der B3 ist für S aufgrund seines viel jüngeren Baujahres wertlos. Er erklärt gegenüber H und V, dass der Vertrag so nicht bestehen könne und dass er damit nicht einverstanden sei.
 
H ist das egal. Er verlangt trotzdem die Kaufpreiszahlung. Außerdem möchte er die vergeblichen Transportkosten von 200 Euro ersetzt bekommen.
 
Weiterhin möchte H die Unterstellungkosten in Höhe von 40 Euro (10 Euro/Tag) haben, da am selben Tag noch ein anderer Interessent da gewesen ist, der das Auto sofort, so wie es ist, mitgenommen hätte. So muss er das Auto weiter unterstellen, bis er den anderen Interessenten nach dem langen Wochenende erreichen kann. Auch möchte er die Reparaturkosten von 30 Euro für ein kaputtes Rücklicht ersetzt bekommen, das er kurz vor dem Abtransport entdeckt und repariert hat. Von wem er das Geld bekommt, ob von V oder S, ist ihm egal.
 
1. Frage: Kann H den Kaufpreis i.H.v. 1900 Euro verlangen?
 
**2. Frage:**Unterstellt, H hat keinen Anspruch auf die Kaufpreiszahlung, hat er einen Anspruch auf die anderen Kosten?  

Unverbindliche Lösungsskizze

 
Frage 1: Anspruch des H auf Zahlung von 1900 Euro
 
A. Anspruch gegen S, § 433 II BGB
 
I. Anspruch entstanden  

  1. Einigung, §§ 145 ff. BGB
    -> Stellvertretung durch V, §§ 164 ff. BGB

 
a) Eigene Willenserklärung (+)
 
b) Im fremden Namen (+)
 
c) Im Rahmen der Vertretungsmacht
-> Vollmacht („B3“)
-> Aber: Anfechtung, §§ 142, 119 ff. BGB
 
aa) Zulässigkeit

 
bb) Anfechtungsgrund
Hier: Erklärungsirrtum, § 119 I 2. Fall BGB
 
cc) Anfechtungserklärung
 
(1) Anfechtungsgegner

 
(2) Frist
-> Unverzüglich, § 121 BGB (+)
 
dd) Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tunc, § 142 I BGB
 
2. Ergebnis: (-)
 
II. Ergebnis: (-)
 
B. Anspruch gegen V, § 179 I BGB
(-); Arg.: § 179 I BGB nicht anwendbar bei Anfechtung einer bereits ausgeübten Innenvollmacht.
 
Frage 2: Anspruch des H auf Ersatz der anderen Kosten
 
A. Ansprüche gegen S
 
I. Schadensersatz, § 122 BGB  

  1. Irrtumsanfechtung (+)
  2. Rechtsfolge: Schadensersatz
    -> Negatives Interesse: Der Anspruchsteller ist so zu stellen als habe er nie von dem Vertrag gehört.
  • Transportkosten i.H.v. 200 Euro (+)
  • Unterstellkosten i.H.v. 40 Euro (+)
  • Reparaturkosten i.H.v. 30 Euro wohl (-); zumindest aber Vorteilsanrechung, § 254 I BGB analog
    -> Begrenzung auf des positive Interesse: kein Anhaltspunkte

 
3. Ergebnis: (+), i.H.v. 240 Euro
 
II. Sonstige Ansprüche (-)
 
B. Ansprüche gegen V
-> § 179 II BGB (-); Arg.: nicht anwendbar bei Anfechtung einer bereits ausgeübten Innenvollmacht