Königlicher Kaufmann

A. Sachverhalt

Der (im Folgenden als Kläger bezeichnete) alleinige Inhaber der Klägerin, der bei der Beklagten den Kaufmannsberuf erlernt hat und seit 1948 selbstständig ist, betreibt unter seiner Firma ein Steinplattenwerk. Das von ihm seit 1948 benutzte Betriebsgrundstück gehörte seinem Schwager. Dieser hatte sich ihm gegenüber verpflichtet, über das Grundstück nicht ohne seine Zustimmung zu verfügen.
Da die Beklagte an dem Erwerb dieses Grundstücks interessiert war, verhandelte sie darüber mit dem Kläger und dessen Schwager. Im Dezember 1957 kam es zum Abschluss eines Kaufvertrags zwischen dem Schwager und der Beklagten. Deren Eintragung als neue Eigentümerin des Grundstücks erfolgte im Februar 1958.

 

Die in den vorausgegangenen Verhandlungen zwischen den Parteien getroffenen Abreden wurden von der Beklagten in einem Schreiben vom 28. Dezember 1957 bestätigt. Darin war u.a. vorgesehen, dass die Beklagte ein 4.414 qm großes Ersatzgrundstück an den Kläger verkaufte oder in Erbpacht gab, 40.000 DM Umzugskosten bezahlte und ihm darüber hinaus bei dem Umzug behilflich sein würde. In weiteren Verhandlungen wurde vereinbart, den Betrieb des Klägers auf ein anderes Grundstück der Beklagten zu verlagern. Die Verhandlungen endeten mit dem Abschluss eines privatschriftlichen Vertrags vom 20. Juni 1958, der u.a. folgenden Inhalt hatte:

 

Die Beklagte verpachtete an den Kläger auf 20 Jahre das nach Flur und Parzelle näher bezeichnete 5.088 qm große Grundstück zu einem jährlichen Pachtzins von 5 % des Grundstückswertes, welcher mit 6 DM pro qm angesetzt wurde. Der Kläger verpflichtete sich, sein bisheriges Betriebsgrundstück zu räumen. In § 4 des Vertrags bot die Beklagte dem Kläger das Pachtgrundstück zum Preis von höchstens 8 DM pro qm zum Kauf an. Die Annahme des Kaufangebots sollte jederzeit bis zum Ablauf von 3 Jahren nach Pachtbeginn erfolgen können. In der Schlussbestimmung erkannte die Beklagte ausdrücklich an, dass ihr der Kläger durch seine Einwilligung in den Verkauf seines bisherigen Betriebsgrundstücks sehr entgegengekommen sei und durch die Verlegung seines Betriebs erhebliche Einbußen erleide.

 

Über das Zustandekommen des Vertrags war bis zu der abweichenden Darstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 22. April 1964 unter den Parteien in beiden Vorinstanzen Folgendes unstreitig:

Bei Vertragsschluss erklärte der Kläger, dass doch wohl die Hinzuziehung eines Notars erforderlich sei. Der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, Carl M., wies jedoch mit einem gewissen Stolz darauf hin, dass der Vertrag ja seine Unterschrift trage. Als der Kläger zu bedenken gab, jeder Mensch sei sterblich, erwiderte der Vertreter der Beklagten, dass er ja auch den Vertrag mit M. & G. unterschrieben habe, der Vertrag sei deshalb einem notariellen Vertrag gleichwertig. Daraufhin sahen die Parteien davon ab, den Vertrag notariell beurkunden zu lassen.

 

In Erfüllung des Vertrags vom 20. Juni 1958 räumte der Kläger sein früheres Betriebsgrundstück und zog auf das Pachtgrundstück um. Die auf diesem in der Folgezeit errichtete Fabrikhalle ist der Beklagten zur Sicherung einer von ihr für den Kläger eingegangenen Bürgschaft übereignet worden.

 

Am 6. Juni 1961 nahm der Kläger das in dem Vortrag von 20. Juni 1958 enthaltene Verkaufsangebot der Beklagten an. Da das Grundstück neu vermessen werden musste, war eine sofortige Auflassung nicht möglich. Die Parteien kamen deshalb überein, die Auflassungsverhandlung alsbald nach Eingang der für die Auflassung erforderlichen Katasterunterlagen stattfinden zu lassen. Ausgehend von einer geschätzten Größe des Pachtgrundstücks von 5.000 qm zahlte der Kläger unmittelbar nach Abgabe der Annahmeerklärung an die Beklagte 40.000 DM als vermutlichen Kaufpreis. Die Vermessung des Grundstücks zögerte sich indessen hinaus. Da der Kläger in der Folgezeit in wirtschaftliche Bedrängnis kam, trat er im Februar 1962 an die Beklagte mit der Bitte heran, ihm die 40.000 DM bis zur Auflassungsverhandlung wieder zurückzugeben. Diesem Wunsch wurde entsprochen. Die Parteien kamen überein, dass an Tag der Auflassung der Kaufpreis wieder eingezahlt werden müsse.

 

Als am 9. April 1962 vom Katasteramt der Auszug aus dem Veränderungsnachweis eintraf, hatte sich die wirtschaftliche Lage des Klägers derart verschlechtert, dass er - ebenfalls am 9. April 1962 - auf Veranlassung und unter Mitwirkung des Steuerbevollmächtigten einer seiner Hauptgläubigerinnen, Dr. F., seinen Gläubigern einen Moratoriumsvorschlag machen musste. In diesem Vorschlag wurde sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass eine organische Ordnung angestrebt werden müsse, deren vordringlichstes Ziel es sei, dass der Kläger Eigentümer des Grundstücks werde.

 

Mit Schreiben vom 18. April 1962 wandte sich Dr. F. darüber hinaus an den Bevollmächtigten der Beklagten. In dem Schreiben heißt es u.a.:

“Wie mir bekannt ist, hat Ihre Mandantin Anspruch auf Erfüllung eines Kaufvertrages, von dem ich jedoch keine öffentlich beglaubigte Fassung aufgegefunden habe. Die Auflassungsschriften aus diesem Vertrage lagen seit einigen Tagen vor und sollten zu einer Auflassungsverhandlung führen, die jedoch wegen der akuten Liquidität (wohl: Illiquiditat) der Firma T. nicht erbeten werden konnte. Die gegenwärtige Lage wird es kaum möglich machen, dass die Firma T. in absehbarer Zeit die erforderlichen Barmittel zum Erwerbe des Grundstucks zur Verfügung stellen kann.”

 

Dr. F. teilte weiter mit, dass beabsichtigt sei, aus Verwandten und treuen Mitarbeitern des Klägers eine Kommanditgesellschaft zu gründen, in welcher der Kläger lediglich Angestelltenfunktion erhalten solle.

 

Der Kläger war in dieser Zeit (13. April bis 5. Mai 1962) von einem nervösen Erschöpfungszustand befallen und arbeitsunfähig erkrankt.
Der Moratoriumsvorschlag wurde angenommen. Da sich jedoch im Dezember 1962 eine Gläubigerin nicht mehr daran hielt, war der Kläger gezwungen, am 9. Januar 1963 die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. Dieses ist am 10. September 1963 eröffnet worden.

 

Mit Schreiben vom 28. Januar 1963 bat der Kläger die Beklagte, die Auflassung des Pachtgrundstückes vorzubereiten, da sich gezeigt habe, “dass der Kauf des Betriebsgrundstücks nunmehr doch unabdingbares Erfordernis für die Erhaltung des Betriebs sei”. Gleichzeitig erklärte er sich bereit, den nach der Vermessung feststehenden Kaufpreis von 45.856 DM “bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags und der Auflassung” zu zahlen.

 

Mit Schreiben von 15. Februar 1963 lehnte jedoch die Beklagte eine Auflassung des Grundstücks mit der Begründung ab, es könne ihr nicht zugemutet werden, einen Grundstücksverkauf an einen von dem Kläger noch zu benennenden Dritten zuzustimmen.
Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn von dem im Grundbuch von G. Band …, Blatt 41…, eingetragenen Grundstück Flur 20, Parzelle 1…, einen Teil in Größe von 5.732 qm - neu vermessen und im Kataster Flur 20 als Parzellen 4…, …2, 4… und …24 ausgewiesen - Zug um Zug gegen Zahlung von 45.856 DM aufzulassen und die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch zu bewilligen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat sich im ersten Rechtszug nicht ausdrücklich auf die Formnichtigkeit des Vertrags vom 20. Juni 1958 berufen, jedoch die Meinung vertreten, dieser Umstand müsse vom Gericht von Amts wegen berücksichtigt werden. Hierzu hat sie behauptet, dem Kläger seien die Folgen des Formmangels bekannt gewesen. Im Übrigen hat die Beklagte vorgetragen: Sie sei wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr zur Erfüllung des Vertrags vom 20., Juni 1958 verpflichtet. Aus dem Vertrag folge nämlich, dass die Verpflichtung in § 4 durch die Bezogenheit auf die Person des Klägers charakterisiert werde. Jetzt stehe aber fest, dass der Kläger nur noch als Strohmann die Auflassung des Grundstücks begehre. Wahrer Eigentümer solle die, nach den Schreiben Dr. F. vom 18. April 1962, zu gründende Kommanditgesellschaft werden. Der Kläger habe weiter dadurch, dass er nicht unmittelbar nach Eingang der Vermessungsunterlagen auf der Auflassung des Grundstücks bestanden habe, auf den Anspruch aus § 4 des Vertrags verzichtet. Eine Verzichtserklärung habe die Beklagte auch aus dem Schreiben von Dr. F. vom 18. April 1962 gefolgert.

 

B. Worum geht es?

Im Mittelpunkt des Falles mit dem eher unübersichtlichen Sachverhalt steht die Frage nach der Formgültigkeit des Vertrages vom 20.6.1958 (Angebot der Beklagten) und 6.6.1961 (Annahme des Klägers). Nach dessen § 4 wäre die Beklagte verpflichtet, dem Kläger das Eigentum an dem Pachtgrundstück zum Preis von 8 DM pro Quadratmeter zu verschaffen (§ 433 I BGB). Dieser Vertrag ist nur privatschriftlich im Sinne von § 126 BGB geschlossen worden. Da ein Grundstückskaufvertrag aber bekanntlich der notariellen Beurkundung bedarf (§ 311b I 1 BGB bzw. § 313 BGB a.F.), wäre der Vertrag nach § 125 S. 1 BGB nichtig und die Klage abzuweisen.
Der Fall zeichnet sich aber dadurch aus, dass der Kläger darauf hinwies, dass doch wohl die Hinzuziehung eines Notars erforderlich sei, während der Vertreter der Beklagten unter Hinweise auf seine geschäftliche Reputation entgegnete, „dass der Vertrag ja seine Unterschrift trage“ und „der Vertrag deshalb einem notariellen Vertrag gleichwertig“ sei. Damit hat die Beklagte, die sich das Handeln ihres Vertreters zurechnen lassen muss (§§ 166 I, 31, 278 BGB), den Verzicht des Klägers auf die notarielle Beurkundung erreicht. Dennoch beruft sich die Beklagte auf die Formnichtigkeit des Vertrages. Darin könnte ein widersprüchliches Verhalten und damit ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen (§ 242 BGB), der ausnahmsweise zu einer Durchbrechung der strikt ausgestalteten Nichtigkeitsfolge von § 125 S. 1 BGB führen könnte.
Der Bundesgerichtshof hatte also die Frage zu entscheiden:

Kommt eine Ausnahme zur Nichtigkeitsfolge nach §§ 125 S. 1, 311b I 1 BGB in Betracht, wenn der Vertragspartner unter Bezugnahme auf seine Unterschrift und damit auf das Gewicht seines geschäftlichen Ansehens den privatschriftlichen Vertrag einem notariellen Vertrag als gleichwertig bezeichnet hat?

 

C. Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der BGH bejaht im Fall „Königlicher Kaufmann“ oder auch „Kaufmannsehrenwort“ (Urt. v. 21.10.1967 – V ZR 153/64 (BGHZ 48, 396 ff.)) einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks. Der Vertrag sei nicht nach §§ 125 S. 1, 311b I BGB nichtig. Dem Beklagten sei es nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Formnichtigkeit zu berufen.
Zunächst stellt der BGH die Rechtsprechungslinie dar, wonach eine „Durchbrechung“ der gesetzlich zwingenden Formnichtigkeit nach § 125 S. 1 BGB wegen der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) grundsätzlich möglich sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Nichtigkeit des Vertrags für den Käufer zu einem untragbaren Ergebnis führen würde; ein „nur“ hartes Ergebnis reiche hingegen nicht:

„Sie geht hinsichtlich der Frage, ob unter besonderen Umständen der Verkäufer eines Grundstücks an einen wegen Formmangels nichtigen Kaufvertrag nach Treu und Glauben gebunden ist, dahin, daß dies nur dann der Fall ist, wenn die Nichtanerkennung des Vertrags zu einem für den Käufer untragbaren, nicht etwa nur zu einem harten Ergebnis führen würde (Urteile des Senats vom 25. September 1957 - V ZR 188/55, LM § 313 BGB Nr. 13; vom 3. Dezember 1958 - V ZR 28/57, BGHZ 29,6,10; vom 21. Juni 1961 - V ZR 194/59, WM 1961,1172; vom 29. Januar 1965 - V ZR 53/64, NJW 1965,812 und vom 25. Februar 1966 - V ZR 126/64, BGHZ 45,179,184 mit Anm. von Rothe LM § 313 Nr. 28, jeweils mit weiteren Nachweisen).“

 

Sodann zählt er einige Beispielsfälle aus der Vergangenheit auf, darunter auch den Edelmann-Fall, den wir bereits als Klassiker vorgestellt haben:

„Diese Voraussetzung hat der Senat u. a. als gegeben erachtet, wenn der eine Vertragsteil auf das Versprechen des andern Teils seine eigene Existenz aufgegeben oder eine Existenz gegründet hat, die er bei Verneinung vertraglicher Bindungen verlieren würde, wenn (beim Siedler-Vertrag) ein besonderes Treueverhältnis oder eine Fürsorgepflicht vorliegt oder wenn der Verkäufer, der den Kaufpreis verbraucht hat, zur Rückzahlung nicht in der Lage ist, so daß der Käufer sein Geld nicht wiedererlangen kann (vgl. Urteil des Senats vom 25. September 1957 aaO). Ferner wurde aber auch schon in der Rechtsprechung des Reichsgerichts der Einwand der Arglist zugelassen, wenn auf seiten desjenigen, welcher der Geltendmachung der Formnichtigkeit entgegentritt, ein Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Förmlichkeit vorgelegen hat und dieser Irrtum vom Geschäftsgegner schuldhaft, mindestens fahrlässig verursacht worden war (RGZ 107, 357, 360; 117, 121, 124 [Edelmann-Fall]), wenn derjenige, der sich auf den Formverstoß beruft, eine Haltung eingenommen hat, die mit einem früher von ihm betätigten Verhalten nach Treu und Glauben unvereinbar ist (RGZ 153,59,60/61) oder wenn eine Partei, sei es auch nur unabsichtlich, die andere zum Absehen vom erforderlichen Abschluß eines formgültigen Vertrags veranlaßt und diese daraufhin angenommen hat, daß formlose Vereinbarungen genügten (vgl. Urteil des Senats vom 21. Juni 1961 aaO).“

 

Danach sei es der Beklagten verwehrt, sich auf § 125 S. 1 BGB zu berufen. Die  Beklagte habe unter Einsatz ihrer Bedeutung und ihres Ansehens sowie unter Hinweis auf ihre Geschäftsgepflogenheiten in so nachdrücklicher Weise die Erfüllung des formnichtigen Vertrags in Aussicht gestellt, dass sie sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben nicht von dem Vertrag lossagen könne:

„Im vorliegenden Fall muß der Grundgedanke, der in dem Urteil des Reichsgerichts in RGZ 153,59 zum Ausdruck kommt, dazu führen, daß die Beklagte an dem privatschriftlichen Vertrag vom 20. Juni 1958 nach Treu und Glauben festzuhalten ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, bei dem der Kläger den Kaufmannsberuf erlernt hat, beim Abschluß des Vertrags die Bedenken des Klägers, daß doch wohl die Zuziehung eines Notars erforderlich sei, dadurch zerstreut, daß er mit einem gewissen Stolz darauf hingewiesen hat, daß der Vertrag ja seine Unterschrift trage. Als der Kläger zu bedenken gegeben hat, daß jeder Mensch sterblich sei, hat der Vertreter der Beklagten weiter erklärt, daß er den Vertrag ja auch mit dem Firmennamen der Beklagten unterschrieben habe und der Vertrag deshalb einem notariellen Vertrag gleichwertig sei. In Übereinstimmung hiermit hat die Beklagte auch noch in ihrem späteren Schreiben an den Kläger vom 15. Februar 1963 zum Ausdruck gebracht, daß sie ihren Verpflichtungen ohne Rücksicht darauf nachzukommen pflege, ob diese Verpflichtungen mündlich, schriftlich oder in notarieller Form übernommen worden seien. Damit hat die Beklagte unter Einsatz ihrer Bedeutung und ihres Ansehens sowie unter Hinweis auf ihre Geschäftsgepflogenheiten in so nachdrücklicher Weise die Erfüllung des formnichtigen Vertrags in Aussicht gestellt, daß sie sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben nicht von dem Vertrag lossagen kann. Ihre spätere Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrags stellt ohne Rücksicht darauf, daß sich der Kläger nicht in einem Irrtum über dessen Formbedürftigkeit befunden hat, eine unzulässige Rechtsausübung dar.“

 

Dem stehe nicht entgegen, dass sich auch der Kläger der Formbedürftigkeit des Vertrags bewusst war:

„Die Revision meint zunächst, da beiden Parteien die Formbedürftigkeit des privatschriftlichen Vertrags vom 20. Juni 1958 bekannt gewesen sei und mithin beide bewußt gegen die gesetzlichen Formvorschriften verstoßen hätten, könne sich keine von ihnen darauf berufen, daß die Geltendmachung der Nichtigkeit wegen Formmangels treuwidrig sei. Sie stellt dabei auf die von dem Senat bestätigte Rechtsprechung des Reichsgerichts ab, daß keine Partei mit der Einrede der Arglist gehört werden kann, wenn weiter nichts vorliegt, als daß beide Parteien bewußt oder unbewußt gegen § 313 BGB verstoßen haben (Urteil des Senats vom 12. Dezember 1962 - V ZR 111/61, WM 1963,407 unter Bezugnahme auf RGZ 153,59,61). Diese Voraussetzungen sind jedoch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben. Es hat zwar auch der Kläger die Formbedürftigkeit des Vertrags gekannt, wie sich daraus ergibt, daß er die notarielle Beurkundung des Vertrags angeregt hat. Auf seiten der Beklagten lag aber mehr vor, als daß sie bewußt gegen § 313 BGB verstoßen hat. Sie hat vielmehr den Verzicht des Klägers auf die notarielle Beurkundung dadurch zu erreichen versucht und auch erreicht, daß sie unter Bezugnahme auf ihre Unterschrift und damit auf das Gewicht ihres geschäftlichen Ansehens den privatschriftlichen Vertrag einem notariellen Vertrag als gleichwertig bezeichnet hat, so daß es dem Kläger unter diesen Umständen sowie mit Rücksicht darauf, daß der geschäftsführende Gesellschafter M. der Beklagten für ihn als früherer Prinzipal eine besondere Autorität verkörperte, nahezu unmöglich war, auf der Einhaltung der gesetzlichen Form zu bestehen.“

D. Fazit

Die Wendung von dem „untragbaren Ergebnis“ als Voraussetzung für die Durchbrechung des § 125 S. 1 BGB nach § 242 BGB sollte „sitzen“!

 

 

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