Examensreport: ZR II 1. Examen aus dem Dezember 2016 in Hamburg

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Teil 1:

A ist mit F befreundet, den er regelmäßig mit dem Kauf von Kunstwerken beauftragt.

Eines Tages bittet A den F, von K ein Aquarell zu kaufen, das maximal 4.600 Euro kosten darf. Am nächsten Tag geht F zu K und findet ein Aquarell und möchte es von K kaufen. Dabei verspricht er sich und bietet 6.400 Euro, sein Fehler fällt ihm dabei nicht auf. F erklärt dem K, dass er es im Namen des A kauft. K ist einverstanden und schickt das Gemälde - wie vereinbart auf seine Kosten - für 200 Euro los. Später bietet ein Interessent dem K für das Aquarell 7.500 Euro, der K lehnt das Angebot des V aber ab, weil er sich an die Vereinbarung des F gebunden fühlt.

Zurück bei A wird der Fehler des F bemerkt. Als K von A den Kaufpreis iHv 6400 Euro fordert, sagt A dem K, dass F zu diesem Vertrag nicht berechtigt war. Dann verlangt K von F den Kaufpreis. Dieser entgegnet ihm, dass er wohl nicht dazu verpflichtet werden könne, wenn ihm ein misslicher Versprecher passiert sei. Er sieht sich nicht dazu verpflichtet, den Kaufpreis an K zu zahlen. K hätte dem A das Aquarell auch für 4.600 Euro verkauft. K dagegen verlangt von F und/oder A die Zahlung des Kaufpreises und ansonsten zumindest Schadensersatz.

Aufgabe 1: Hat K gegen F und/oder A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises oder auf Zahlung von Schadensersatz? Wenn ja, in welcher Höhe?

Teil 2:

Dieses Mal beauftragt A den F damit, seine Skulptur für ihn zu verkaufen. Die Skulptur soll für mindestens 2000 Euro verkauft werden, dem A ist aber eine schnelle Erledigung wichtig. Natürlich freut sich aber der A, wenn ein höherer Preis erzielt wird. Deshalb kauft F die Skulptur für 2042 Euro für sich. Als A dies erfährt, hat er gar nicht daran gedacht, dass er es dem F verkaufen könnte und ist damit auch nicht einverstanden. Vor allem hatte ein Tag zuvor dem A ein Dritter ein Verkaufsangebot von 3000 Euro gemacht.

Aufgabe 2: Hat F gegen A einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Skulptur?

Teil 3:

Dieses Mal wird F im eigenen Namen tätig und stellt eine Nachbildung der Collage “Heuschrecke” auf Ebay ein. Der Startpreis beträgt 1 Euro und er erwähnt auch, dass die Collage “Ersteigert” wurde. Jedoch unterlässt es der F, die Collage als Nachbildung zu kennzeichnen. F geht davon aus, dass bei dem niedrigen Startpreis niemand von dem Original ausgehen wird, da das Original einen Wert von vielen tausend Euro hat.

Der Interessent Z sieht das Angebot und hält es für das Original. Er ist mit 800 Euro der Höchstbietende, als die Auktion zu Ende geht und freut sich über das Schnäppchen. Er überweist dem F das Geld. Als F ihm die Collage zuschickt, muss Z entsetzt feststellen, dass es sich nur um eine Nachbildung handelt. Dies sagt er dem F, der F aber sagt nur, dass es dem Z klar gewesen sein muss.

Das Original steht aber im Eigentum eines unbekannten Dritten. F ist verärgert. Er sieht nicht ein, warum er aber nun den Wert des Originals ersetzen muss, der mit dem Preis der Nachbildung in einem groben Missverhältnis steht. Z verlangt von F nun Schadensersatz iHv 6000 Euro.

Aufgabe 3: Zu Recht?

Teil 4:

Eigentümer E hat sein Bild an das Museum verliehen. Die 17 jährige N ist schon lange auf der Suche nach dem Bild und bittet ihre Mutter M, die das alleinige Sorgerecht hat, ihr das Bild zu kaufen. Dabei weiß N, dass das Bild mittlerweile von dem Museumsdirektor D unterschlagen wurde und bei sich zu Hause aufbewahrt. Die M hat davon keine Kenntnis und hat insgesamt kein Interesse am Kunsthandel. M geht zu D und sie vereinbaren den Kauf des Gemäldes für 1000 Euro. Die M bringt der N das Gemälde, die sehr erfreut ist. E erfährt die ganze Geschichte und verlangt Herausgabe des Gemäldes von der N. Nachdem die deliktischen Handlungen des D ans Tageslicht gekommen sind, hat das Museum die Leihe sofort gekündigt und auf den Rücknahmeanspruch verzichtet.

Aufgabe: Hat E gegen N Herausgabeansprüche bzgl. des Bildes?

Unverbindliche Lösungsskizze

Aufgabe 1: Ansprüche des K

A. Gegen A

I. § 433 II BGB

  1. Anspruch entstanden

a) Einigung
-> Stellvertretung durch F, §§ 164 ff. BGB

aa) Eigene Willenserklärung des F (+)

bb) Im fremden Namen (+)

cc) Im Rahmen der Vertretungsmacht

(1) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht
(-); Arg.: Beschränkung auf 4.600 Euro

(2) Gesetzliche Vertretungsmacht (-)

(3) Rechtsschein (-)

b) Ergebnis: (-)

  1. Ergebnis: (-)

II. § 122 BGB
(-); Arg.: keine Irrtumsanfechtung.

III. CIC, §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB
(-); Arg.: keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl des F als Vertreter pflichtwidrig war.

IV. Sonstige Ansprüche (-)

B. Ansprüche gegen F

I. § 433 II BGB
(-); Arg.: Handeln im fremden Namen

II. § 179 I BGB

  1. Vertreter ohne Vertretungsmacht
    (+), s.o.

  2. Keine Genehmigung (+)

  3. Kausalität zwischen fehlender Vertretungsmacht und Nichtzustandekommen des Vertrages
    -> Möglicherweise wäre der Vertrag ohnehin aufgrund einer Anfechtung gescheitert, §§ 142, 119 ff. BGB

a) Anfechtungsgrund
Hier: Erklärungsirrtum, § 119 I 2. Fall BGB; Arg.: Dass K – nach den Angaben des A - das Kunstwerk auch für 4.600 Euro verkauft hätte, ist unbeachtlich.

b) Anfechtungserklärung
Hier: Auslegung von „ er könne nicht dazu verpflichtet sein, wenn ihm ein misslicher Fehler unterlaufe“, §§ 133, 157 BGB

aa) Anfechtungsberechtigter
Hier: F; Arg.: konsequente Anwendung des § 179 I BGB.

bb) Anfechtungsgegner
Hier: K, § 143 I, II BGB

cc) Frist
-> Unverzüglich, § 121 BGB (+)

c) Kein Ausschluss (+)

d) Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tunc, § 142 I BGB

  1. Ergebnis: (-)

III. § 122 BGB

  1. Irrtumsanfechtung (+)

  2. Rechtsfolge: Schadensersatz

a) Negatives Interesse („Vertrauensschaden“)
-> Der K muss so gestellt werden, wie wenn er nie von dem Vertrag gehört hätte.

  • 200 Euro Versandkosten (+)
  • 2.900 Euro entgangener Gewinn bzgl. des Interessenten (+)

b) Begrenzung auf das positives Interesse
-> Der K muss so gestellt werden, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre
= Differenz zwischen Kaufpreis und Wert; hier: wohl 6.400 – 4.600 Euro = 1.800 Euro

  1. Ergebnis: (+), i.H.v. 1800 Euro.

IV. Sonstige Ansprüche (-)

  1. Teil: F gegen A auf Übergabe und Übereignung der Skulptur

A. § 433 I BGB

I. Anspruch entstanden

  1. Einigung A - F
    -> Stellvertretung der A durch F, §§ 164 ff. BGB

a) Eigene Willenserklärung der A (+)

b) Im fremden Namen (+)

c) Im Rahmen dem Vertretungsmacht

aa) Vertretungsmacht
Hier: Vollmacht

bb) Im Rahmen
-> Gesetzliche Einschränkung der Vertretungsmacht durch § 181 BGB
Hier: Selbstkontrahierung „A (F) – F“, keine Gestattung und keine bloße Erfüllung

  1. Ergebnis: (-)

II. Ergebnis: (-)

B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)

  1. Teil: Z gegen S auf Schadensersatz i.H.v. 6.000 Euro

A. §§ 437 Nr. 3, 311a II BGB

I. Anspruch entstanden

  1. Einigung

a) Angebot
Hier: Höchstgebot des Z

b) Annahme
Hier: Antizipiert durch Einstellen der Collage bei Ebay.

  1. Mangel
    Hier: § 434 I 1 bzw. I 2 Nr. 2 BGB; Arg.: §§ 133, 157 BGB; Z durfte – trotz des niedrigen Startpreises - von Originalität ausgehen, da kein Hinweis auf Nachbildung.

  2. Bei Gefahrübergang (+)

  3. Voraussetzungen des § 311a II BGB

a) Schuldverhältnis
Hier: Kaufvertrag

b) Pflichtverletzung
-> Anfängliche Unmöglichkeit (+); Arg: F war von Anfang nicht in der Lage, das Original zu übereignen.

c) Vertretenmüssen (+)

d) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung
-> positives Interesse: Z muss so gestellt werden, wie wenn das Geschäft ordnungsgemäß abgewickelt worden wäre. Dann hätte der Z ein Original im Werte von vielen tausend Euro für 800 Euro erstanden. Die Differenz (6000 Euro? – der Sachverhalt nennt nicht den genauen Wert) ist der Schaden.

  1. Kein Ausschluss

a) Gesetzlich
-> Kenntnis des Z, § 442 BGB (-)

b) Vertraglich
-> Konkludent durch niedrigen Einstiegspreis (-); Arg.: Einstiegspreis lässt keine Rückschlüsse zu.

II. Anspruch nicht erloschen (+)

III. Anspruch durchsetzbar (+)

IV. Ergebnis: (+)

B. § 823 I BGB
(-); Arg: Eigentum des Z nicht betroffen; Vermögen wird von § 823 I BGB nicht geschützt

C. § 823 II BGB; § 263 StGB
(-); Arg.: kein Vorsatz

  1. Teil: E gegen N auf Herausgabe des Bildes

A. § 985 BGB

I. Besitz des N (+)

II. Eigentum des E

  1. Ursprünglich: E

  2. Eigentumserwerb des Museums von E, § 929 S. 1 BGB
    (-); Arg.: nur Leihe, § 598 BGB

  3. Eigentumserwerb des N von D, § 929 S. 1 BGB

a) Einigung

Hier: Stellvertretung der N durch Mutter (M), §§ 164 ff., 1626, 1629 BGB

b) Übergabe (+)

c) Einigsein (+)

d) Berechtigung des D
(-); Arg.: D nicht Eigentümer und auch nicht vom Eigentümer ermächtigt, § 185 BGB

e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB

aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)

bb) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des D, § 1006 I BGB (+)

cc) Gutgläubigkeit, § 932 II BGB
-> Maßgeblich ist die Bösgläubigkeit der N, § 166 II BGB

dd) Ergebnis: (-)

III. Kein Recht zum Besitz der N, § 986 BGB (-)

IV. Ergebnis: (+)

B. § 861 BGB

I. Heutiger Besitz der N (+)

II. Früherer Besitz der E
(+), zumindest mittelbarer Besitz

III. Fehlerhaftigtkeit des Besitzes der N, § 858 BGB
Hier: Verbotene Eigenmacht des D der N zurechenbar, § 858 II BGB

IV. Ergebnis: (+)

C. § 1007 I BGB

I. Früherer Besitz des E (+)

II. Heutiger Besitz der N (+)

III. Bösgläubigkeit der N (+)

IV. Ergebnis: (+)

D. § 1007 II BGB
(+); Arg.: Bild abhandengekommen.

E. §§ 823 I, 249 I BGB
(+); Arg: Vorsatz

F. § 812 I 1 1. 1 Fall BGB
(-); Arg.: kein Leistung von E an N

G. § 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: Leistung D an N