Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Fall 1:
W ist 70 Jahre alt und Witwer. In einer einsamen Stunde verfasst er eigenhändig und unterschreibt folgendes Schriftstück:
„Mein letzter Wille 29.08.2015
Ich +
-> Alles -> Paul + Sven“
Paul ist ein geschätzter ehemaliger Arbeitskollege des W, Sven der Sohn des W. Kurze Zeit später verstirbt der W. T, die nichteheliche Tochter des W und einzige sonstige Verwandte, ist der Auffassung, dass man so kein Testament aufsetzen könne.
Frage 1: Ist die T Erbin des W?
Fallabwandlung:
W hat kein Testament aufgesetzt. Das Nachlassgericht sucht per Zeitungsanzeigen nach Verwandten des W. Der private Erbenermittler E wird hierdurch auf den Plan gerufen und stößt bei seinen Recherchen auf die T.
Der T schreibt er, dass ein Nachlass auf sie warte, dass er aber nur gegen Zahlung eines – üblichen - Honorars i.H.v. 1.500 Euro bereit sei, ihr weitere Auskünfte zu geben. Sie solle einen entsprechenden beigefügten Vertrag unterschreiben.
Die T hält es für unmoralisch, dass der E mit dem Tod anderer Leute Geld verdienen will und teilt ihm dies auch mit.
In der Folge tritt sie das Erbe an, weil sie aufgrund des Schreibens des E herausfinden konnte, wer der Erblasser sein musste.
E ist der Auffassung, dass jetzt 1.500 Euro fällig seien.
Frage 2: Hat E gegen T einen Anspruch auf Zahlung von 1.500 Euro?
Fall 2:
Manfred (C) stirbt. In seiner Wohnung wird ein Testament aus dem Jahre 1999 gefunden. Darin wird die Tochter Hilde (H) als Alleinerbin benannt. Auf dieser Grundlage lässt sich H einen Erbschein ausstellen. Kurz darauf sucht die H den Antiquitätenladen des A auf und tauscht dort eine Briefmarke aus dem Nachlass gegen eine lederne Handtasche. Bei einem Rundgang durch die Wohnung des verstorbenen C entdeckt die Tochter Gundula (G) ein weiteres Testament, das vom 03.05.2015 datiert. Darin ist sie, die G, als Alleinerbin ausgewiesen.
Frage 3: Hat die G gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Briefmarke? Gegenrechte sind nicht zu prüfen.
Frage 4: Hat die G einen Anspruch gegen H auf Herausgabe der Handtasche? §§ 861, 1007, 812 BGB sind nicht zu prüfen.
Bearbeitervermerk:
- Auf §§ 2018, 2019, 2365, 2366 BGB wird hingewiesen.
- Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligten testierfähig sind.
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: Ist die T Erbin des W geworden?
- Als Abkömmling ist die Tochter T gesetzliche Erbin, § 1924 I BGB, und zwar zur Hälfte neben dem Sohn Sven, § 1924 IV BGB.
II. Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge durch Testament, § 1938 BGB
-> Voraussetzung: Wirksames Testament mit diesem Inhalt
Testierwille (+)
Testierfähigkeit (+)
Form
-> Eigenhändiges Testament, § 2247 BGB
a) Eigenhändig geschrieben
Problem: Zeichen/Zeichnung anstelle von Sätzen
Wohl ausreichend; Arg: Inhalt nicht zweifelhaft, § 133 BGB
b) Eigenhändig unterschrieben (+)
c) Zeit und Ort, § 2247 II BGB
- Fehlende Ortsangabe unbeachtlich; Arg.: Keine Zweifel bzgl. der Wirksamkeit des Testaments aus diesem Grund.
d) Inhalt
Enterbung der T; Arg.: Auslegung von „Alles -> Paul und Sven“.
III. Ergebnis: (-)
Frage 2: E gegen T auf Zahlung von 1500 Euro?
A. Vertragliche Ansprüche
(-); Arg.: T hat Vertragsangebot ausdrücklich abgelehnt.
B. §§ 683 S. 1, 670 BGB
I. Fremdes Geschäft
Hier: Ermittlung des Erblassers eigentlich Sache der Erbin T
II. Fremdgeschäftsführungswillen
Wird beim objektiv fremden Geschäft eigentlich vermutet.
Allerdings: Gewinnerzielungsabsicht des E steht im Vordergrund (andere Ansicht vertretbar)
III. Ergebnis: (-)
C. § 812 I 1 1. Fall BGB
I. Etwas erlangt
Hier: Informationen über den Erblasser
II. Durch Leistung des E an T
(-); Arg: E bezweckte nicht die Erfüllung einer Verbindlichkeit
III. Ergebnis: (-)
D. § 812 I 1 2. Fall BGB
I. Etwas erlangt (+)
II. In sonstiger Weise (+)
III. Ohne Rechtsgrund (+)
IV. Rechtsfolge: Herausgabe
Hier: Wertersatz, § 818 II BGB (1.500 Euro üblich).
V. Kein Ausschluss
- Entreicherung, § 818 III BGB (-); Arg.: Erbe angetreten (andere Ansicht vertretbar)
VI. Ergebnis: (+)
Frage 3: G gegen A auf Herausgabe der Briefmarke
A. § 985 BGB
I. Besitz des A (+)
II. Eigentum der G
Ursprünglich: C
Eigentumserwerb der H, § 1922 BGB
-> Voraussetzung: wirksames Testament (-); Arg.: Widerruf durch neues Testament, §§ 2253 ff. BGB
Eigentumserwerb der G aufgrund des 2. Testaments (+)
Eigentumserwerb des A von H, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 2365 ff. BGB
aa) Rechtsgeschäft über einen Erbschaftsgegenstand (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
Hier: Erbschein weist H als Alleinerbin aus.
cc) Gutgläubigkeit
- Problem: Keine Kenntnis des A von Erbschein
-aA: (-); Arg: Erwerber nicht schutzwürdig
- hM: (+); Arg: Schutz des abstrakten Vertrauens; Vergleich zum Grundbuch
III. Ergebnis: (-)
B. Sonstige Ansprüche (-)
Frage 4: G gegen H auf Herausgabe der Lederhandtasche
A. § 985 BGB
I. Besitz der H (+)
II. Eigentum des G
Ursprünglich: A
Eigentumserwerb der H, § 929 S. 1 BGB (+)
III. Ergebnis: (-)
B. § 2018 BGB
I. Erbenstellung der G (+)
II. Erbschaftsbesitz der H
- Auch was der Erbschaftsbesitzer mit Mitteln der Erbschaft erlangt, § 2019 I BGB.
III. Ergebnis: (+)
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