Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
V kauft bei H unter Eigentumsvorbehalt ein E-Bike für 3.000 Euro (Wert: 3.200 Euro). Nach vier von fünf Raten verliert der V die Lust am E-Bike und gibt das E-Bike an seinen Sohn S mit den Worten: „Hiermit überlasse ich Dir alle Rechte an dem E-Bike. Bitte gib es nicht weg.“
S indes verkauft und übereignet das E-Bike gegen Zahlung von 2.780 Euro an seinen Freund F, der die Hintergründe kennt. F seinerseits nimmt zum Zwecke der Finanzierung des Kaufs ein Darlehen bei seinem Onkel O auf und übereignet das E-Bike an den O zur Sicherheit.
O kennt die Hintergründe nicht. F, der weiter im Besitz des E-Bikes bleibt, verleiht das E-Bike kurzzeitig an S. S, knapp bei Kasse, verkauft während der Leihzeit das E-Bike an den T, der die Gesamtumstände kennt. Da T seinerseits das E-Bike an den – gutgläubigen – U verkauft hat, weist er den S an, das Fahrrad direkt an U auszuliefern.
Nunmehr zahlt V die letzte Kaufpreisrate an H. V ist der Auffassung, dass dem S das E-Bike nicht mehr gebühre, zumindest möchte V „sein Geld zurück“.
Frage 1: Welche Ansprüche hat V gegen S?
Frage 2: Kann O von U Herausgabe des E-Bikes verlangen?
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: Ansprüche des V gegen S
A. Herausgabe
(-); Arg.: sämtliche Herausgabeansprüche, insbesondere auch ein eventueller Anspruch aus § 985 BGB, scheitern daran, dass S das E-Bike nicht mehr hat, § 275 I BGB.
B. Schadensersatz
I. §§ 687 II, 678 BGB
- Fremdes Geschäft
a) Bzgl. des Eigentums
aa) Ursprünglich: H
bb) Eigentumserwerb des V von H, § 929 S.1 BGB
(-); Arg.: noch kein Bedingungseintritt, § 158 I BGB (späterer Bedingungseintritt unbeachtlich)
cc) Ergebnis
S hat bzgl. des Eigentums kein Geschäft des V, sondern – wenn überhaupt – des H getätigt.
b) Bzgl. eines Anwartschaftsrechts
aa) Ursprünglich
Ursprünglich hat der V aufgrund der Kaufvertrages unter Eigentumsvorbehalt das Eigentum aufschiebend bedingt übertragen bekommen, § 158 I BGB. Da der V den Kaufpreis nur anteilig gezahlt hatte, hatte der V – nur, aber immerhin – ein Anwartschaftsrecht.
bb) Erwerb des Anwartschaftsrechts des S von V, § 929 S. 1 BGB analog
aa) Einigung
-> Auslegung, §§ 133, 157 BGB („Überlasse Dir die Rechte“)
bb) Übergabe (+)
cc) Einigsein (+)
dd) Berechtigung des V bzgl. des Anwartschaftsrechts
(+), s.o.
ee) Ergebnis
S hat bzgl. des Anwartschaftsrechts kein Geschäft des V, sondern ein eigenes getätigt.
- Ergebnis: (-)
II. §§ 989, 990 I BGB
(-); Arg.: Kein EBV im Verhältnis zu V zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung an F.
III. § 823 I BGB
Anwendbarkeit
(+); **Arg.:**Keine Sperrwirkung des EBV gem. § 993 I BGB a.E. mangels EBV (s.o.)Voraussetzungen
a) Rechtsgutsverletzung
(-); Arg.: V nicht Eigentümer und auch nicht mehr Anwartschaftsberechtigter
b) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (-)
C. Erlösherausgabe
I. §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB
(-); Arg.: Kein fremdes Geschäft (s.o.)
II. § 816 I 1 BGB
- Verfügung eines Nichtberechtigten
a) Verfügung
Hier: Übereignung an F, §§ 929 ff. BGB
b) Nichtberechtigung des S
Hier: S war nicht Eigentümer
- Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten
a) Berechtigter
aa) Bzgl. des Eigentums
Hier: H = Berechtigter zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung an F
bb) Bzgl. des Anwartschaftsrechts
Hier: S selbst = Berechtigter
b) Ergebnis: (-)
- Ergebnis
(-); Arg.: V nicht Anspruchsberechtigter
D. Wertersatz, §§ 530 I, 531 I, II, 812 I 2 1. Fall, 818 II BGB
I. Etwas erlangt
Hier: Besitz und Anwartschaftsrecht
II. Durch Leistung des V (+)
III. Ohne Rechtsgrund
Hier: Schenkungsvertrag, §§ 516 ff. BGB
Einigung (+)
Wirksamkeit
(+); Arg.: Formfehler gem. § 518 II BGB geheilt.Widerruf wegen groben Undanks
Hier: Aussageverhalten des Sohnes trotz offensichtlichen Aussageverweigerungsrechts, § 55 StPO, und Weiterveräußerung des E-Bikes an F trotz anderslautender Anweisung des V wohl ausreichende Widerrufsgründe (letzteres könnte wohl auch unter dem Aspekt des § 527 BGB gewürdigt werden – a.A. jeweils vertretbar).
IV. Rechtsfolge: Herausgabe
Hier: Nicht möglich, daher Wertersatz, § 818 II BGB
V. Kein Ausschluss
-> § 818 III BGB (-); Arg.: Bösgläubigkeit des S, § 819 IV BGB.
VI. Ergebnis: (+)
Frage 2: O gegen U auf Herausgabe
A. § 985 BGB
I. Besitz des U
(+), § 854 I BGB
II. Eigentum des O
Ursprünglich: H (s.o.)
Eigentumserwerb des V von H, § 929 S. 1 BGB
(-); Arg.: § 158 I BGB (s.o.)Eigentumserwerb des S von V, § 929 S. 1 BGB
(-); Arg.: die Einigung bezog sich wohl von vornherein nur auf das Anwartschaftsrecht („Rechte überlassen“). Selbst wenn die Einigung (auch) die Eigentumsübertragung zum Gegenstand gehabt haben sollte, so würde die Eigentumsübertragung an der fehlenden Berechtigung des V bzw. der Bösgläubigkeit des S scheitern.Eigentumserwerb des F von S, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des S, § 1006 I BGB (+)
cc) Gutgläubigkeit, § 932 II BGB
(-); Arg.: F kennt die Hintergründe.
dd) Ergebnis: (-)
f) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des O von F, §§ 929 S. 1, 930 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabesurrogat
-> Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, § 868 BGB (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 930, 933 BGB
aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des F, § 1006 BGB (+)
-> Übergabe, § 933 BGB (-)
cc) Ergebnis: (-)
f) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des T von S, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe
aa) Vollständiger Besitzverlust des S (+)
bb) Unmittelbarer Besitzerwerb des T
Hier: Unmittelbarer Besitzerwerb der Geheißperson U ausreichend
cc) Zur Vollziehung (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
(-); Arg.: T bösgläubig.
f) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des U von T, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe
Hier: S = Geheißperson des T
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des T, § 1006 I BGB (-); aber: Besitz der Geheißperson ausreichend
cc) Gutgläubigkeit des U, § 932 II BGB (+)
dd) Kein Abhandenkommen, § 935 BGB (+)
f) Ergebnis: (+)
- Eigentumsverlust des U (und Eigentumserwerb des O) durch Erstarken des Anwartschaftsrecht zum Vollrecht, § 161 I BGB
a) O als Inhaber des Anwartschaftsrechts
aa) Ursprünglich: V
bb) Erwerb des Anwartschaftsrechts des S von V
(+), s.o.
cc) Erwerb des Anwartschaftsrechts des F von S, § 929 S. 1 BGB (analog)
(1) Einigung
Hier: Einigung eigentlich bzgl. des Eigentums,aber: „Anwartschaftsrecht wesensgleiches Minus zum Vollrecht“, §§ 133, 157, 140 BGB
(2) Übergabe (+)
(3) Einigsein (+)
(4) Berechtigung des S bzgl. des Anwartschaftsrechts (+)
(5) Ergebnis: (+)
dd) Erwerb des Anwartschaftsrechts des O von F, §§ 929 S. 1, 930 BGB (analog)
(1) Einigung
(+); Arg.: „Wesensgleiches Minus“
(2) Übergabesurrogat (+)
(3) Einigsein (+)
(4) Berechtigung des F bzgl. des Anwartschaftsrechts (+)
(5) Ergebnis: (+)
ee) Erwerb des Anwartschaftsrechts des T von S, § 929 S. 1 BGB (analog)
(1) Einigung
(+); Arg.: „Wesensgleiches Minus“
(2) Übergabe (+)
(3) Einigsein (+)
(4) Berechtigung des S bzgl. des Anwartschaftsrechts (-)
(5) Gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts, §§ 929 S. 1, 932 BGB (analog)
(-); Arg.: U kennt „Gesamtumstände“
b) Voraussetzungen des § 161 I BGB
aa) Verfügung unter aufschiebender Bedingung
Hier: Übereignung von H an V aufschiebend bedingt, § 158 I BGB
bb) Verfügung während der Schwebezeit
Hier: Übereignung T an U
cc) Bedingungseintritt
Hier: Zahlung der letzten Rate von V an H
dd) Vereitelungswirkung
(+); Arg.: Die Verfügung des T an U, würde, wenn sie wirksam wäre, den Eigentumserwerb des O, bei dem das Anwartschaftsrecht inzwischen angesiedelt ist (s.o.), vereiteln.
ee) Kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des U, §§ 161 III, 932 ff. BGB
(-); Arg.: § 936 I BGB analog (nicht: § 936 III BGB)
c) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (-)
III. Ergebnis: (-)
B. Sonstige Herausgabeansprüche: (-)
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