BGH: Welche Bedeutung hat die Klausel "Gekauft wie besichtigt"?

A. Sachverhalt (vereinfacht)

Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Rückzahlung des Kaufpreises, nachdem sie den Rücktritt vom Kaufvertrag über eine Werkzeugmaschine erklärt hat.

K bearbeitet Metallwerkstücke, B handelt mit Werkzeugmaschinen. Wegen des Erwerbs einer CNC-Zyklendrehmaschine tritt K an B heran. Diese unterbreitet der K ein Angebot. K besichtigt die Maschine und legt dabei die Zeichnung eines zu bearbeitenden Werkstücks vor. Was die Parteien anlässlich der Besichtigung besprochen haben, lässt sich nicht mehr feststellen.

Die anschließende telefonische Bestellung der K wird von der B mit “Auftragsbestätigung” bestätigt. In diesem Schreiben heißt es eingangs:

“Wir liefern Ihnen 1 Stück fabrikneue Flachbett-CNC Zyklendrehmaschine […]. Im Zustand wie in unserem Lager in St. vorhanden und von Ihnen besichtigt. Technische Daten wie in unserem Angebot. Inkl. folgendem Zubehör: […].”

An späterer Stelle findet sich in der “Auftragsbestätigung” unter dem Stichwort “Garantie” folgender Passus:

“12 Monate auf die Maschine und 24 Monate auf die S. CNC Steuerung …”

K reicht die “Auftragsbestätigung” nach Gegenzeichnung an die B zurück. K zahlt den Kaufpreis in Höhe von 55.000 Euro. Die Mitarbeiter der K werden in die Benutzung eingewiesen.

In der Folgezeit ergibt sich, dass die Maschine von Beginn an generell nicht in der Lage gewesen ist, Werkstücke einwandfrei zu bearbeiten, für die eine solche Maschine üblicherweise eingesetzt wird oder ausgelegt ist. Sie kann auch keine Werkstücke bearbeiten, die nur die Hälfte des in dem von B mitgelieferten Datenblatt genannten Gewichts und weder eine Unwucht noch die Bearbeitung erschwerende sonstige Besonderheiten aufweisen. Von B wiederholt vorgenommene Nachbesserungsarbeiten führen zu keinen Besserungen. K tritt vom Vertrag zurück und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises.

Zu Recht?

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14)

Anspruch aus §§ 346 I, 437 Nr. 3, 323 I, 434, 440 BGB

K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 55.000 Euro aus §§ 346 I, 437 Nr. 3, 323 I, 434, 440 BGB zustehen.

1. Kaufvertrag

Zunächst müssten die Parteien einen Kaufvertrag geschlossen haben. Spätestens in der Auftragsbestätigung der K liegt ein Angebot (§ 145 BGB), das der B durch die Gegenzeichnung angenommen hat (§ 147 BGB). Ein Kaufvertrag über die Zyklendrehmaschine zum Kaufpreis von 55.000 Euro liegt vor.

2. Mangel

Die verkaufte Maschine müsste zudem mangelhaft sein (§§ 437 Nr. 3, 434 BGB).

a) § 434 I 1 BGB

Ein Mangel liegt nach § 434 I 1 BGB vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Die Parteien müssten also eine Vereinbarung über die geschuldete Beschaffenheit der Maschine getroffen, also eine Einigung i.S.d. §§ 145 ff. BGB erzielt haben.

Eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung liegt nicht vor, insbesondere lässt sich nicht mehr feststellen, was die Parteien anlässlich der Besichtigung im Einzelnen besprochen haben. Auch aus der bloßen Vorlage der Skizze eines Werkstücks ergebe sich hier keine Beschaffenheitsvereinbarung:

„Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Würdigung rechtsfehlerfrei damit begründet, dass nicht mehr im Einzelnen habe festgestellt werden können, was die Parteien anhand der von der Klägerin zur vorvertraglichen Besprechung mitgebrachten Skizze eines Werkstücks besprochen haben. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass Gewicht und Material der zu bearbeitenden Werkstücke Gesprächsgegenstand gewesen sei oder sich diese Daten aus der von der Klägerin mitgebrachten Skizze des zu verarbeitenden Werkstücks ergeben hätten.

Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin habe bereits durch die technische Zeichnung hinreichend zum Ausdruck gebracht, welche Anforderungen die Maschine zu erfüllen habe, und die Beklagte habe dem zugestimmt, setzt sie in unzulässiger Weise ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts, zeigt aber einen Rechtsfehler nicht auf. Das Gleiche gilt, soweit die Revision meint, das Berufungsgericht hätte aus dem Umstand, dass die Beklagte ein Fachunternehmen sei, auf eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Eignung der Werkzeugmaschine zur Bearbeitung bestimmter Werkstücke schließen müssen, zumal der Geschäftsführer der Klägerin bei der Besprechung darauf hingewiesen habe, dass er mit der Bearbeitung des in der Skizze wiedergegebenen Werkstücks keine Erfahrung habe.“

b) § 434 I 2 BGB

Haben die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarung i. S.v. § 434 I 1 BGB getroffen, kann sich ein Mangel aus § 434 I 2 BGB ergeben. Eine Parteivereinbarung über den Zweck i.S.v. § 434 I 2 Nr. 1 BGB haben die Parteien nicht getroffen. Möglicherweise ergibt sich die Mangelhaftigkeit aus § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Eine Sache ist danach mangelhaft, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der BGH bejaht die Mangelhaftigkeit:

„Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin ist die für den gewerblichen Gebrauch bestimmte Maschine von Beginn an generell nicht in der Lage gewesen, Werkstücke einwandfrei zu bearbeiten, für die eine solche Maschine üblicherweise eingesetzt wird oder ausgelegt ist. Im Gegenteil habe sie nicht einmal Werkstücke akzeptabel bearbeiten können, die nur die Hälfte des in dem von der Beklagten mitgelieferten Datenblatt genannten Gewichts und weder eine Unwucht noch die Bearbeitung erschwerende sonstige Besonderheiten aufgewiesen hätten. Unter diesen revisionsrechtlich zu unterstellenden Umständen ist die Maschine jedenfalls i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mangelhaft.“

3. Fehlschlagen der Nachbesserung

K hat B zweimal die Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt, ohne dass es B gelungen ist, den Mangel zu beseitigen. Damit ist eine Fristsetzung entbehrlich (§ 440 BGB).

4. Rücktrittserklärung

K hat den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB).

5. kein Ausschluss

Möglicherweise haben die Parteien mit der Klausel (“Im Zustand wie in unserem Lager […] vorhanden und von Ihnen […] besichtigt”) einen vertraglichen Ausschluss jeglicher Gewährleistungsansprüche für die Maschine vereinbart. Ein solcher individualvertraglicher Gewährleistungsausschluss würde jedenfalls weder an §§ 474, 475 I 1 BGB noch an §§ 305 ff. BGB scheitern.

Problematisch ist schon, dass diese „Besichtigungsklausel“ in einen gewissen Widerspruch zu der Vereinbarung einer „Garantie“ von 12 Monaten steht. Denkbar ist daher eine Auslegung (§§ 133, 157 BGB), dass es sich dabei nicht um einen Gewährleistungsausschluss, sondern bloß um eine Leistungsbeschreibung handele:

„Das Berufungsgericht hat bereits nicht erwogen, ob der einleitende Passus der “Auftragsbestätigung” angesichts der an späterer Stelle in eine gegenläufige Richtung weisenden Garantie der Beklagten nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Klägerin überhaupt als ein Gewährleistungsausschluss verstanden werden kann oder ob darin nicht etwa nur ein warenbeschreibender Hinweis auf den im Zuge der Besichtigung konkretisierten und damit ausgesonderten Liefergegenstand (vgl. § 243 Abs. 2 BGB ) gelegen hat. Schon der Wortlaut der Vereinbarung, der ausschließlich auf den Zustand “wie besichtigt” abstellt, spricht gegen einen umfassenden Gewährleistungsausschluss.“

Jedenfalls ergebe die Auslegung einer solchen Klausel, die wegen ihres Ausnahmecharakters grundsätzlich eng auszulegen sei, dass sie nur solche Mängel erfasse, die bei einer „Besichtigung“ auch wahrgenommen werden können:

„Zudem hat das Berufungsgericht nicht bedacht, dass Freizeichnungsklauseln - als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung - grundsätzlich eng auszulegen sind (…). Gewährleistungsausschlüsse, die durch die Wendung “wie besichtigt” an eine vorangegangene Besichtigung anknüpfen, beziehen sich in aller Regel nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache (…). Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen (…).“

Das sei hier nicht der Fall, weswegen die Klausel Gewährleistungsansprüche der K nicht ausschließe:

„Um derartige, bereits bei einer bloßen Besichtigung der Maschine im Lager der Beklagten wahrnehmbare Mängel streiten die Parteien indes nicht. Vielmehr macht die Klägerin grundlegende Mängel der Funktionsfähigkeit und der Konstruktion geltend, die erst später im laufenden Betrieb der Maschine bei der Bearbeitung verschiedener Werkstücke erkennbar geworden seien. Demgegenüber hatte die in der “Auftragsbestätigung” angesprochene Besichtigung nur in einer bloßen Sichtprüfung ohne Funktionstest bestanden.“

6. Ergebnis

K steht ein Anspruch auf Rückzahlung von 55.000 Euro zu. Erhebt B die Einrede, besteht der Anspruch indes nur Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Maschine (§§ 346 I, 348 BGB).

C. Fazit

Ein klassisches Problem bei der Auslegung von in der Praxis tagtäglich vorkommenden Klauseln, deren Bedeutung möglicherweise nicht einmal den Parteien selbst bewusst ist. Solche Auslegungsprobleme können aus Prüfersicht wunderbar mit anderen Fragen der kaufrechtlichen Gewährleistungshaftung verbunden und Klausuren damit „gestreckt“ werden. Erinnert sei an dieser Stelle auch an die Auslegung einer unter juristischen Laien verwandten Klausel “Für das Fahrzeug besteht keine Garantie.”, worüber wir hier im Blog bereits berichteten.