BGH: Ein Koffertrolley als "Scheinwerkzeug"?

A. Sachverhalt

A beschließt, bei der C-Bank an Bargeld zu gelangen. Gegen 11:30 Uhr betritt A – Sportkappe und Sonnenbrille tragend – unter Mitführung eines Koffertrolleys, der im Wesentlichen sein Reisegepäck enthält, die Bank und tritt auf den Kassenschalter zu, an welchem die Angestellte E ihren Dienst versieht. Auf ihre Frage, was sie für A tun könne, legt dieser zunächst wortlos einen Zettel auf den Bankschalter, auf welchem er die Auszahlung von 2.000 bis 3.000 € fordert und äußert sodann, dass er Leukämie habe. E, die bis zu diesem Zeitpunkt völlig angst- und arglos war, erwidert, dass sie dem Angeklagten nicht ohne weiteres Geld auszahlen könne, was A mit der Bemerkung: „Doch!” kommentiert. Als E, immer noch arglos, weiterhin nicht reagiert, lehnt sich A über den Kassenschalter, zieht seine Sonnenbrille vom Nasenrücken, schaut E nachdrücklich an und sagt: „Keine Polizei, kein Alarm, ich habe eine Kofferbombe, zahlen Sie aus!”, um damit die Herausgabe des geforderten Geldbetrages zu erreichen. Die Anwendung dieser Drohung zur Durchsetzung seiner Forderung hat er erst in diesem Moment spontan beschlossen.

E, die bereits in der Vergangenheit Opfer eines Überfalls war, weicht sofort zurück. In Erinnerung an den früheren Fall erleidet sie einen Schock, fängt an zu weinen und zittert am ganzen Körper. Auf ihren Zuruf tritt I, der Filialleiter der C-Bank, an ihre Seite, dem sie mitteilt, dass A Geld wolle, sonst würde er eine im Koffer befindliche Bombe zünden. I schickt E in den hinteren Bereich der Bankfiliale, wendet sich an A und fragt nach dessen Wunsch. A erklärt, dass er Geld haben wolle, er sei krank. I ist nicht davon überzeugt, dass A tatsächlich eine Kofferbombe bei sich führt, hat aber die Sorge, dass dieser eine Spritze oder ein Messer bei sich habe und zur Durchsetzung seiner Forderung auch einsetzen könnte. Auf die Frage, welchen Geldbetrag A wünsche, erwidert dieser, 2.000 - 5.000 € haben zu wollen. I beginnt, eine Auszahlung aus der verschlossenen Kasse vorzubereiten und erklärt dem Angeklagten Schritt für Schritt, wie er vorzugehen gedenke, um diesen in Sicherheit zu wiegen und zu beruhigen, da er auch wegen des ungesunden Aussehens des Angeklagten beunruhigt ist. Nachdem I dem A 2.000 € ausgezahlt hat, fordert A diesen auf, ihn bis zur Ausgangstüre zu begleiten, um zu gewährleisten, dass er nicht festgehalten werde. Dann verlässt A die Bank und verschwindet.

Strafbarkeit des A?

Strafanträge sind – soweit erforderlich – gestellt worden.

 

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 20.o8.2015 – 3 StR 259/15)

I. Strafbarkeit wegen schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 I Nr. 1 b) StGB

Indem A die E unter Hinweis auf eine Kofferbombe zur Auszahlung von 2.000 bis 3.000 € aufforderte, könnte er sich wegen schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht haben.

1. Tatbestand der räuberischen Erpressung

A müsste zunächst den (Grund-)Tatbestand der §§ 253, 255 StGB erfüllt haben. Dazu müsste er einen anderen Menschen mit Gewalt gegen eine Person oder durch eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt haben.

In dem Hinweis auf eine Kofferbombe liegt konkludent der Hinweis, die Bombe zum Nachteil der Mitarbeiter der C-Bank zur Explosion zu bringen, wenn seiner Forderung nicht Folge geleistet wird. Das ist somit eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben der Mitarbeiter der Bank.

Weiterhin müsste A die Mitarbeiter der Bank zu einer Handlung genötigt haben. I hat das Geld ausgezahlt. Fraglich ist, ob es sich dabei um eine Handlung i.S.v. §§ 253, 255 StGB handelt.  Hier geht es um die Abgrenzung zum Tatbestand des Raubes (§ 249 I StGB), die bekanntlich in Rechtsprechung und Literatur äußerst umstritten ist.

Nach herrschender Ansicht in der Literatur handelt es sich bei der (räuberischen) Erpressung um ein Selbstschädigungsdelikt, welches – ebenso wie der Betrug – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine Vermögensverfügung voraussetze. Eine (selbstschädigende) Vermögensverfügung liege nur vor, wenn das Opfer sich selbst eine „Schlüsselstellung“ bei dem Gewahrsamswechsel zuschreibe.

I ging nach lebensnaher Auslegung davon aus, dass A das Geld ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres aus der verschlossenen Kasse hätte an sich nehmen können. Damit hat er sich selbst eine „Schlüsselstellung“ zugeschrieben, weswegen eine Vermögensverfügung vorliegt.

Der BGH geht hingegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei § 249 StGB um eine lex specialis gegenüber §§ 253, 255 StGB handele. Die Abgrenzung von § 249 StGB und § 255 StGB erfolge danach nicht nach denselben Kriterien wie bei der Abgrenzung von Selbst- zu Fremdschädigungsdelikten. Im Rahmen des § 249 StGB gelte vielmehr ein eigenständiger Wegnahmebegriff: Eine Wegnahme liege vor, wenn der Täter nach dem äußeren Erscheinungsbild die Sache an sich nimmt. Eine räuberische Erpressung liege hingegen vor, wenn das Opfer dem Täter die Sache nach dem äußeren Erscheinungsbild übergibt.

Auch danach liegt hier keine Wegnahme i.S.v. § 249 I StGB, sondern eine räuberische Erpressung vor, weil I dem A die Geldscheine ausgehändigt hat.

Schließlich ist der C-Bank ein Vermögensschaden entstanden (sogenannte Dreickecks-Erpressung).

A handelte vorsätzlich und mit der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern.

2. Qualifikation

Möglicherweise hat A die Qualifikation der schweren räuberischen Erpressung erfüllt. In Betracht kommt § 250 I Nr. 1 b StGB. Dazu müsste A ein Werkzeug oder Mittel bei sich geführt haben, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Fraglich ist, ob es sich bei dem – objektiv völlig ungefährlichen – Koffertrolley, in dem sich die behauptete Bombe eben nicht befand, um ein solches Werkzeug gehandelt hat.

Nach dem Wortlaut der Norm wird man das bejahen können. Danach werden auch objektiv ungefährliche Gegenstände und sogenannte „Scheinwaffen“ erfasst, solange der Täter den Gegenstand nur subjektiv („um“) zur Überwindung eines Widerstandes zu einsetzen möchte.

Fraglich ist aber, ob in solchen Fällen die hohe Strafandrohung (Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren) gerechtfertigt ist. Zu der alten Fassung (§ 250 I Nr. 2 StGB a.F.), die eine Mindeststrafe von 5 Jahren vorsah, hatte der BGH eine einschränkende Auslegung im Falle von „Scheinwaffen“ oder besser „Scheinwerkzeugen“ vertreten. Der Gegenstand müsse “seiner Art nach” objektiv geeignet sein, vom Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Ergebe sich die Einschüchterung des Opfers erst aus einer täuschenden Äußerung des Täters über die Beschaffenheit des offenkundig ungefährlichen Gegenstandes, sei der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt.

In der berühmten „Plastikrohr-Entscheidung“ – der Täter steckt ein Plastikrohr in seine Jackentasche und gibt vor, dass es sich dabei um den Lauf einer Schusswaffe handelt – aus dem Jahr 1991 hat der BGH ausgeführt:

„In der hohen Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 250 I StGB) kommt zum Ausdruck, daß der schwere Raub einen Unrechtsgehalt hat, der den des einfachen Raubes erheblich übersteigt. Diese Erwägung setzt der Anwendung des § 250 I S. 2 StGB auf Scheinwaffen Grenzen: Waffe, sonstiges Werkzeug oder Mittel i.S.d. § 250 I Nr. 2 StGB ist nur ein Gegenstand, der unter den konkreten Umständen seiner geplanten Anwendung aus der Sicht des Täters ohne weiteres geeignet ist, bei dem Opfer den Eindruck hervorzurufen, der Gegenstand könne zur Gewaltanwendung verwendet werden und deshalb gefährlich sein. In der Mehrzahl der Fälle wird es auf das äußere Erscheinungsbild des Gegenstandes ankommen, wie es der andere mit seinen Augen wahrnehmen kann. Vergleichbar sind die Fälle, in denen der Täter die Wahrnehmbarkeit durch andere Sinnesorgane zur Drohung ausnutzt oder ausnutzen will, etwa indem er einen metallischen Gegenstand, der sich wie der Lauf einer Schußwaffe anfühlen soll, in das Genick des Opfers setzt.

Anders verhält es sich, wenn erst die Erklärung des Täters, er sei bewaffnet, oder ein entsprechender erklärender Hinweis die Vorstellung des Opfers auszulösen vermag, ein Gegenstand könne zur Gewaltanwendung verwendet werden und deshalb gefährlich sein. In diesem Fall ist der Gegenstand nicht “seiner Art nach” (BGHSt 24, 339, 341) geeignet, vom Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Er kann dann nicht als Waffe, Werkzeug oder Mittel i.S.d. § 250 I Nr. 2 StGB aufgefaßt werden. Vielmehr wird die Einschüchterung hier maßgeblich durch die Äußerung des Täters bewirkt (vgl. BGH StV 1985, 456).

So hat es sich im vorliegenden Fall verhalten: Das Plastikrohr sah einer Waffe nicht ähnlich. Der Umstand, daß es die Jacke “etwas ausbeulte”, war für sich allein nicht geeignet, von den Kassiererinnen als Bedrohung mit einer Waffe verstanden zu werden. Für dieses Verständnis bedurfte es vielmehr, ersichtlich auch nach der Vorstellung des Angeklagten, des ausdrücklichen Hinweises “bin bewaffnet”. Erst dieser Hinweis hat den Kassiererinnen den Eindruck vermittelt, daß ihnen von einer Waffe Gefahr drohe. Hätte der Angeklagte sich darauf beschränkt, das Mitführen einer Waffe zu behaupten, so wäre die Anwendung des § 250 StGB zweifelsfrei nicht in Betracht gekommen. Daß er hier seine Behauptung durch die Wölbung unter der Jacke unterstrichen hat, vermag den Bewertungsunterschied, wie er sich aus dem Vergleich der Mindeststrafen für einfachen und schweren Raub ergibt, nicht zu begründen.

Eine einschränkende Auslegung, wie sie hiermit zugrunde gelegt wird, ist auch aus folgendem Grund erforderlich: Gegenstände, die nicht schon durch ihre äußere Erscheinung den Eindruck einer echten Waffe hervorrufen, aber eine drohende Äußerung zu unterstreichen vermögen, kommen in einer unübersehbaren, die Tatbestandskonturen auflösenden Vielfalt in Betracht. So hätte der Hinweis des Angeklagten “bin bewaffnet” auch dadurch unterstrichen werden können, daß ein zusammengerolltes Taschentuch seine Jacke vorwölbte. In solchen und ähnlichen Fällen steht die täuschende Erklärung des Täters, er sei bewaffnet, so sehr im Vordergrund, daß eine Anwendung des § 250 I Nr. 2 StGB den Wortsinn des Gesetzes verfehlen würde. Darin entspricht der vorliegende Fall dem Geschehen, das der in StV 1985, 456 abgedruckten Entscheidung des 4. Strafsenats zugrundelag. Indem die Rechtsprechung ungeladene Waffen und Gegenstände, die gefährlichen Waffen, Werkzeugen und Mitteln ähnlich sehen, wozu unter Umständen Spielzeugpistolen gehören können, in den Tatbestand des § 250 I Nr. 2 StGB einbezogen hat, hat sie im wesentlichen die Grenzen erreicht, die der Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung des Wortsinnes gezogen sind. Für die hiernach nicht unter § 250 StGB fallenden Handlungen sieht das Gesetz in § 249 StGB einen Regelstrafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor.“ (BGHSt 38, 116 ff.)

Ganz ähnlich auch in dem – nicht minder berühmten und deswegen auch bei uns im Blog besprochenen – Labello-Fall (Täterin drückt Oper einen Lippenpflegestift in den Rücken, um ein Waffe vorzutäuschen):

„Der von der Angeklagten verwendete Labellostift war keine “Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel” i.S.d. Vorschrift.

Auch wenn der Schwerpunkt der Tatbestandsbeschreibung bei § 250 I Nr. 2 StGB in der dort bezeichneten besonderen Absicht des Täters gesehen wird (vgl. BGH NStZ 1981, 436) so dürfen, wie der BGH in der Entscheidung BGHSt 38, 116, 117 mit näherer Begründung ausgeführt hat, objektive Umstände bei der Auslegung der Merkmale “Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel” nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Es genügt deshalb nicht, daß der Täter bei der Tat überhaupt irgendeinen beliebigen Gegenstand bei sich führt, den er im Zusammenhang mit der Drohung einsetzt oder einsetzen will. Jedenfalls dann, wenn der Gegenstand - und zwar schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm (etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise) auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken, kommt die Anwendung des § 250 I Nr. 2 StGB nicht in Betracht. Einen solchen Gegenstand kann der Täter schon “seiner Art nach” (vgl. BGHSt 24, 339, 341) nur unter Täuschung über dessen wahre Eigenschaft bei der Tat einsetzen. Dann aber steht, wenn sich der Täter eines solchen Gegenstandes bei der Tat zur ausdrücklichen oder konkludenten Drohung bedient, die Täuschung so sehr im Vordergrund seiner Anwendung, daß die Qualifizierung als Werkzeug oder Mittel i.S.d. § 250 I Nr. 2 StGB verfehlt wäre (BGHSt 38, 116, 119). Daß es sich bei dem von der Angeklagten verwendeten Labellostift um einen harmlosen Gegenstand in diesem Sinne handelt, der die Anwendung des § 250 I Nr. 2 StGB ausschließt, bedarf keiner näheren Begründung. War damit der Labellostift aber schon für sich genommen kein taugliches Tatmittel i.S.d. § 250 I Nr. 2 StGB, so kommt es auf die konkreten Umstände seines Einsatzes nicht an.“ (BGH NStZ 1997, S. 184 f.)

Diese Rechtsprechung hat sich der Gesetzgeber des 6. Strafrechtsreformgesetzes (1998) zu eigen gemacht und ausdrücklich auf die beiden genannten Entscheidungen verwiesen. In dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages heißt es (BT-Drucks. 13/9064, S. 18):

„Nach dem nunmehr vorgeschlagenen Regelungskonzept zum schweren Raub erhält § 250 I Nr. 1 b (Beisichführen sonst eines Werkzeuges oder Mittels zur Verhinderung oder Überwindung des Widerstandes einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung) die Funktion eines Auffangtatbestandes. Erfaßt werden sollen zum einen die sogenannten Scheinwaffen (z. B. eine Spielzeugpistole) und solche Gegenstände, die – wie z. B. ein Kabelstück oder ein Tuch (vgl. hierzu BGH NJW 1989, S. 2549/2550) – zur gewaltsamen Überwindung eingesetzt werden sollen, ohne hierbei objektiv wenigstens Leibesgefahr zu begründen. Es wird davon ausgegangen, daß die einschränkende neuere Rechtsprechung des BGH (St 38, 116, 117 bis 119 [“kurzes gebogenes Plastikrohr von ca. 3 cm Durchmesser”]; NStZ 1997, S. 184/185 [“Lippenpflegestift Labello”]) auch bei der Auslegung von § 250 I Nr. 1 b Beachtung finden wird.“

Die Abgrenzung ist im Einzelnen dennoch weiterhin unklar und problematisch.

Der Koffertrolley des A war objektiv ungefährlich und harmlos. Auch nach seinem Äußeren ging von ihm keine Gefahr aus; für einen Beobachter handelte es sich bloß um einen handelsüblichen Koffertrolley. Der Koffertrolley war seiner Art nach alleine nicht geeignet, um E und I bedrohen zu können. Die „Gefährlichkeit“ und das Bedrohungspotential ergeben sich erst und einzig aus der täuschenden Behauptung des A über dessen Inhalt („Kofferbombe“). Daher spricht Einiges dafür, die Anwendung des § 250 I StGB unter Hinweis auf die oben genannte einschränkende Auslegung zu verneinen.

In einer ganz ähnlichen Entscheidung aus dem Jahr 2010 (dem sogenannten Sporttaschen-Fall), in dem der Täter vorgab, in einer Sporttasche befinde sich eine Bombe, die er mit seinem Handy zünden könne, hat der BGH die Anwendbarkeit des § 250 I Nr. 1 b StGB allerdings bejaht. Nur wenn die Ungefährlichkeit des Gegenstands offenkundig auf der Hand liege, scheide § 250 I StGB aus. Könne ein objektiver Beobachter die Gefährlichkeit des Gegenstands nicht einschätzen, sei kein Raum für eine einschränkende Auslegung:

„Es war aber, entgegen der Ansicht der Revision und des GBA, hier auch kein Sonderfall gegeben, in welchem die Drohungswirkung eingesetzter Gegenstände nicht auf deren objektivem Erscheinungsbild, sondern ausschließlich auf täuschenden Erklärungen des Täters beruht. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall, wenn die objektive Ungefährlichkeit eines vorgeblich gefährlichen Gegenstands schon nach dessen äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt; hierbei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine solche Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelt (…).

Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Für einen objektiven Beobachter war die Gefährlichkeit der vom Angekl. verwendeten Gegenstände, die er täuschend als „Bombe” bezeichnete, überhaupt nicht einzuschätzen; der äußere Augenschein gab keinen Anhaltspunkt dafür, ob die Behauptung des Angekl. über die Gefährlichkeit zutraf. Der Sachverhalt lag daher im Ergebnis nicht anders als bei Verwendung sonstiger als „Scheinwaffen” bezeichneter, objektiv ungefährlicher Gegenstände, so dass die rechtliche Einordnung durch das LG sich als zutreffend erweist.“ (BGH Urt. v. 18.08.2010 - 2 StR 295/10)

Auf dieser Grundlage verwundert es nicht, wenn der BGH auch in diesem Fall die Anwendbarkeit des § 250 I Nr. 1 b StGB bejaht:

„Die Urteilsfeststellungen belegen die Verwirklichung sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Qualifikationstatbestandes durch den Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht. Danach hat der Angeklagte seinen Koffer mitgeführt, um diesen als Drohmittel zur Erlangung des Geldes einzusetzen, indem er zu diesem Zweck vorgab, der Koffer enthalte eine Bombe. Nach dem Wortlaut der Norm ist es weder erforderlich, dass das mitgeführte Werkzeug oder Mittel seiner Beschaffenheit nach objektiv geeignet ist, das Opfer durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu nötigen, noch bedarf es überhaupt seines derartigen Einsatzes; denn es kommt nur auf eine entsprechende subjektive Intention des Täters bei der Tatausführung sowie sein Bewusstsein an, das Werkzeug oder Mittel für diesen Zweck gebrauchsbereit bei sich zu haben (vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110 zu § 250 I Nr. 1 a StGB). Dabei ist es ausreichend, wenn der Täter - wie hier festgestellt - zu diesen subjektiven Überlegungen erst während der Begehung der Tat gelangt (vgl. BGH, Urt. v. 10.04.2003 - 3 StR 420/02, NStZ-RR 2003, 202 zu § 177 III Nr. 2 StGB), sodass der Qualifikationstatbestand im Allgemeinen dann ohne weiteres erfüllt ist, wenn der Täter das Werkzeug oder Mittel entsprechend seiner Absicht sogar tatsächlich einsetzt (vgl. BGH, Urt. v. 06.09.2005 - 5 StR 284/05, NStZ-RR 2005, 373). Soweit die Rechtsprechung wegen der weiten Fassung des § 250 I Nr. 1 b StGB den Tatbestand einschränkend dahin auslegt, dass dieser nicht auf Fälle Anwendung finden soll, in denen die objektive Ungefährlichkeit des Werkzeugs oder Mittels schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt (s. etwa BGH, Urt. v. 18.08.2010 - 2 StR 295/10, NStZ 2011, 278 m.w.N.), ist ein derartiger Sachverhalt hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gegeben; denn ob der Koffer eine Bombe enthielt oder nicht, war nach seinem äußeren Erscheinungsbild gerade nicht erkennbar.“

Darin, dass I nicht an die Existenz der Bombe glaubte, liegt nach Ansicht des BGH lediglich eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf:

„Die Feststellung des Landgerichts, dass der das Geld herausgebende Zeuge I. nicht an das Vorhandensein einer Bombe glaubte, sondern 2.000 € an den Angeklagten auszahlte, weil er Sorge hatte, dieser könne eine Spritze oder ein Messer bei sich haben und einsetzen, stellt sich in rechtlicher Hinsicht als eine unwesentliche Abweichung von dem Kausalverlauf dar, den sich der Angeklagte nach den Feststellungen vorgestellt hatte, und ist daher - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - für die rechtliche Beurteilung der Tat bedeutungslos (vgl. S/S/Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, 29. Aufl., § 15 Rn. 55 f.).“

Damit hat A – nach Auffassung des BGH – die Qualifikation des § 250 I Nr. 1 b StGB erfüllt.

II. Strafbarkeit wegen Nötigung und Unterschlagung gemäß §§ 240, 246 StGB

Nötigung und Unterschlagung treten zurück.

III. Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß §§ 229, 230 StGB

Indem A die E mit einer Bombenexplosion bedrohte, hat er pflichtwidrig und vorhersehbar einen Schock, also einen pathologischen Zustand und damit eine Gesundheitsbeschädigung, bei ihr herbeigeführt. Der nach § 230 StGB grundsätzlich erforderliche Strafantrag liegt vor.

C. Fazit

Die Entscheidung des BGH ist die konsequente Fortführung des Sporttaschen-Falls. Allerdings ist sie im Ergebnis wenig überzeugend und wird auch von großen Teilen der Literatur kritisiert: Auch die Gefährlichkeit des Plastikrohrs in der Jackentasche ist für einen objektiven Dritten nicht einzuschätzen. Der BGH weitet damit den Anwendungsbereich des § 250 I Nr. 1 b StGB aus und verlässt den durch die frühere Rechtsprechung gesteckten Rahmen. Diese frühere (einschränkende) Rechtsprechung aber hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich zu eigen gemacht.

Ein hoch prüfungsrelevanter Fall!