Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Der Student E hat von seinem Verstorbenen Onkel 10.000€ im Februar 2014 vererbt bekommen. Von dem Geld kauft er sich ein neues Fahrrad für 3499,-€ (UVP 4799,-€) und für den Rest des Geldes kauft er sich eine grüne Ente (Citroen 104). Die Freude währt jedoch nicht lange. Im Januar 2015 wird ihm das Fahrrad von dem Dieb D gestohlen.
Die P ist nun gerade erst im Mai 2015 in Bremen zur Professorin auf Lebenszeit ernannt worden. Der Mitarbeiter A, der P als zuverlässig und seriös bekannt ist, schlägt der P vor, sich ein Fahrrad zu kaufen, da dies in Bremen so üblich sei. Da er sich bei Fahrrädern besonders gut auskennt, könne er auch für sie eins suchen. P lässt sich darauf ein und genehmigt A ein Fahrrad bis 500,-€ für sie zu kaufen.
A begibt sich auf einen Bremer Flohmarkt. Dort trifft er auf den D, der ihm das Fahrrad des E zum Verkauf für genau 500,-€ anbietet. A merkt, dass es sich dabei um einen sehr günstigen Preis für das Fahrrad handelt. Auf Nachfragen über die Herkunft des Fahrrads weicht D aus. A, der sich das Geschäft nicht entgehen lassen will, sieht daher von weiteren Fragen ab und kauft das Fahrrad von D.
P ist von dem Fahrrad begeistert und meint 500,-€ seien dafür auch ein stolzer Preis gewesen. Sie lässt sodann die “29er” Reifen in einer Fachwerkstatt für 180,-€ neu bereifen. Zudem lässt sie am Rahmen ein festes Schloss anbringen für 150,-€.
Bei einem Ausflug mit dem Fahrrad am Bremer Damm, kommt es bei einem waghalsigen Fahrmanöver der P zu einem Sturz, bei dem die Fahrradgabel beschädigt wird. Eine Reparatur würde 1700,-€ kosten.
Auf dem Rückweg überquert die P gerade einen Fußgängerüberweg bei einer Ampel. Zur gleichen Zeit fährt gerade E die Straße entlang und biegt Gedanken versunken in die Straße ein, die P gerade überquert. P stürzt dabei vom Fahrrad und erleidet Verletzungen am Kopf. Hätte sie einen Fahrradhelm getragen, hätte sie sich nicht am Kopf verletzt. Das Fahrrad wird nicht weiter beschädigt. E erkennt sofort sein Fahrrad und fordert von P Herausgabe des Fahrrads sowie die Reparatur des Fahrrads.
P möchte das Fahrrad nicht herausgeben. Jedenfalls möchte sie dann die Kosten für die neuen Reifen und das Fahrradschloss, sowie den Kaufpreis von E erstattet haben.
Darüber hinaus möchte P die Behandlungskosten in Höhe von 1200,-€ sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 600,-€ von E.
Frage: Welche Ansprüche haben E und P gegeneinander?
Unverbindliche Lösungsskizze
1. Teil: Ansprüche des E
A. Herausgabeansprüche bzgl. des Fahrrades
I. § 861 BGB
Früherer Besitz des E (+)
Heutiger Besitz der P (+)
Fehlerhaftigkeit des Besitzes
- Voraussetzung: Verbotene Eigenmacht, § 858 BGB
a) P selbst (-)
b) Zurechnung der verbotenen Eigenmacht des D
(-); Arg.: Keine positive Kenntnis der P (bzw. des A)
- Ergebnis: (-)
II. § 985 BGB
- Besitz der P
(+), § 854 I BGB
- Eigentum des E
a) Ursprünglich: E
b) Eigentumserwerb der P von D, § 929 S. 1 BGB
(-); Arg.: P nicht Berechtigter und zumindest wegen § 935 BGB kein gutgläubiger Erwerb möglich.
Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB
-> §§ 1000, 994 ff. BGB (-); Arg.: nur Einrede („kann verweigern“).Kein Einreden
-> Verwendungsersatz, §§ 1000, 994 ff. BGB
a) § 994 I BGB
aa) EBV (zum Zeitpunkt der Verwendung) (+)
bb) Verwendungen
= alle Aufwendungen auf Sachen
(1) Reifen (+)
(2) Schloss (+)
(3) Kaufpreis
(-); Arg.: Kaufpreis kommt der nicht der Sache unmittelbar zugute.
cc) Notwendig
(+), wenn die Verwendungen zum Erhalt der Sache erforderlich sind.
(1) Reifen (-)
(2) Schloss (-)
dd) Ergebnis: (-)
b) § 996 BGB
aa) EBV (+)
bb) Verwendungen (+)
cc) Nützlich
(+), wenn die Verwendungen den Wert der Sache steigern.
(1) Schloss (+)
(2) Reifen (-)
dd) Redlicher Besitzer
(1) P selbst (+)
(2) Zurechnung der Bösgläubigkeit des A
(a) Bösgläubigkeit des A, § 932 II BGB
Hier: Zweifelhafte Herkunft musste sich wegen des Preises und der Rahmenumstände geradezu aufdrängen.
(b) Zurechnung
- Problem: Zurechnungsnorm
- aA: § 831 BGB analog; Arg.: Exkulpation soll möglich sein
- hM: § 166 BGB analog; Arg.: § 831 BGB ist keine Zurechnungsnorm; Exkulpation systemfremd.
ee) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (+)
III. § 1007 I BGB
Früherer Besitz des E (+)
Heutiger Besitz der P (+)
Bösgläubigkeit
(+); Arg.: § 166 BGB analog
Kein Ausschluss (+)
Ergebnis: (+)
IV. § 1007 II BGB
Früherer Besitz des E (+) 2. Heutiger Besitz der P (+)
Abhandenkommen (+)
Kein Ausschluss (+)
Ergebnis: (+)
V. §§ 823 I, 249 I BGB
(-); Arg.: kein Verschulden der P; Zurechnung gem. § 278 BGB im Deliktsrecht nicht möglich.
VI. §§ 831, 249 BGB
(-); Arg.: A nicht Verrichtungsgehilfe
VII.§812I1 1.FallBGB
(-); Arg.: keine Leistung E an P
VIII. § 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: vorrangige Leistung des D an P
B. Schadensersatzansprüche wegen der Reparatur
I. § 989 BGB
(-); Arg.: P nicht verklagte Besitzerin
II. §§ 990 I, 989 BGB
EBV (zum Zeitpunkt der Schädigung) (+)
Bösgläubigkeit (+), s.o.
Verschlechterung (+)
Verschulden, § 276 BGB
Hier: Fahrlässigkeit („waghalsig“)Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB
Hier: Reparaturkosten i.H.v. 1.700 Euro, § 249 II BGBErgebnis: (+)
III. §§ 992, 823 ff. BGB
(-); Arg.: kein deliktischer Besitz der P
IV. § 823 I BGB
- Problem: Anwendbarkeit beim bösgläubigen Besitzer - aA: (+); Arg.: Umkehrschluss aus § 993 I BGB am Ende - hM: (-); Arg.: Umkehrschluss aus § 992 BGB
2. Teil: Schadensersatzansprüche der P
A. § 7 I StVG
I. Rechtsgutsverletzung Hier: Körper
II. Bei Betrieb eines KfZ (+)
III. Halter (+)
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz
- Auch Schmerzensgeld, § 11 S. 2 StVG
V. Kein Ausschluss
-> Mitverschulden, § 9 StVG, § 254 BGB (-); Arg.: keine Helmpflicht für Radfahrer (a.A. vertretbar)
VI. Ergebnis: (+)
B. § 18 StVG (+)
C. § 823 I BGB (+)
D. § 823 II BGB, § 229 StGB (+)
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